LOL? Nö!
Das Artdesign ist stellenweise fantastisch.
Auch der Humor kommt etwas zu kurz, wenn man Schafers ältere Werke als Maßstab heran zieht. Klar, auch hier muss man ab und zu schmunzeln, wenn man z.B. einen Aggro-Baum mit Psycho-Terror zum Kotzen bringt oder mit den Einwohnern des Wolkendorfs quatscht, die für die „Leichtigkeit ihres Daseins“ Buchstaben ihrer Namen opfern. Das alles ist nett und auch die meisten Dialoge sind nicht nur aufgrund der exzellenten Sprecher wie Elijah Wood, Jack Black und Masasa Moyo unterhaltsam. Doch auf Brüller im Stil eines „How much wood could a woodchuck chuck if a woodchuck could chuck wood“ oder abgedrehte Situation wie sie z.B. bei DOTT auf der Tagesordnung standen, wartet man hier vergeblich. Ohne Witz: Das Video, in dem Tim Schafer um die Unterstützung der Kickstarter-Gemeinde bittet oder alternative Zahlungsmethoden vorstellt, hat mehr Humor als der gesamte erste Akt von Broken Age.
Zwei Welten, ein Schicksal?
Trotzdem ist die Geschichte mit ihren zwei Erzählsträngen durchaus interessant und unterhaltsam: Auf der einen Seite schlüpfe ich in die Rolle von Shay Volta, einem Teenager, der von einem übervorsorglichen Computer an Bord eines vermeintlich verlassenen Raumschiffes großgezogen wird und sich nach echten Abenteuern sehnt. Als er durch Zufall auf einen blinden Passagier in einem Wolfskostüm trifft, scheint sich sein Wunsch nach mehr Selbstständigkeit und Herausforderungen zu erfüllen.
Wer hat Angst vorm bösen Wolf?
Auf der anderen Seite ist die junge Vella Tartine, die sich ihrem Schicksal nicht fügen will, als Snack für das schleimige Monster Mog Chothra zu enden. Was die meisten anderen Mädchen als Ehre und Pflicht empfinden, sich für das Wohl des Dorfes zu opfern, will Vella nicht hinnehmen und beschließt stattdessen, wie ihre Vorfahren zu kämpfen und selbst über ihr (Weiter-)Leben zu bestimmen. Klar: Mit dieser Einstellung haben die beiden Protagonisten eine erste Gemeinsamkeit. Doch abgesehen davon lassen sich in diesem ersten Akt kaum Verbindungen zwischen beiden Erzählsträngen entdecken und es gibt (noch) keine Wechselwirkungen zwischen den Handlungen der beiden Teenager, die sich erst am Ende überhaupt zum ersten Mal begegnen. Das wird in der zweiten Hälfte hoffentlich anders, denn bisher laufen beide Geschichten völlig unabhängig voneinander ab. Tatsächlich kann man z.B. erst die kompletten ShayAbschnitte spielen, bevor man sich Vella widmet.
Alternativ kann man jederzeit zwischen den beiden Figuren hin- und herschalten. Dabei vergeben die Entwickler eine riesige Chance, die Dramaturgie anzukurbeln – Stichwort: Cliffhanger. Hätte man das Abenteuer episodisch mit vorgeschriebenen Figurenwechseln aufgezogen, wäre das Spannungsmoment ohne Zweifel deutlich höher ausgefallen, zumal es auf beiden Seiten genügend Momente für einen dramatischen Schnitt gegeben hätte. Den findet man hier erst am Ende des ersten Akts, das nach knapp vier Stunden Spielzeit dazu noch überraschend schnell erreicht wird.