Im Test:
Gangster, Beatniks, dunkle Gassen
Um die Stimmung der Ära einzufangen, wühlte sich Mocsy durch Unmengen alter Fotos, Literatur und andere charakteristische Dokumente seiner Heimatstadt aus den Fünfzigern. Um seine Gangster-Geschichte um einen Ausbruch von Alcatraz realisieren zu können, hat sich der US-Amerikaner Unterstützung aus Hamburg organisiert. Mocsy kümmerte sich um Geschichte und die kreative Leistung, ein Team bei Daedalic sorgte bei Rätseln, Grafik und anderen Aspekten für Feinschliff.
Die Handlung bedient sich bei alten Gangster-Geschichten: Kriegsveteran Joe Lyons sitzt nach einem Raubüberfall in Alcatraz ein und will die legendäre Gefängnisinsel unbedingt verlassen. Draußen wartet seine Frau Christine auf ihn, welche allerlei Vorkehrungen für die Flucht treffen soll. Offenbar wissen auch andere halbseidene Gestalten von der Beute, welche angeblich in einem Transporter verbrannt ist. Ständig rücken ihr Gauner, ihr Exfreund und der aufdringliche Detective Grassi auf die Pelle. Im Gespräch mit Joes Komplizen erfährt sie allerdings auch interessante Infos über ihren Gatten, der offenbar mehr auf dem Kerbholz hat, als sie bislang wusste.
Alternative Handlungsstränge
Die Treue des Pärchens wird immer wieder auf die Probe gestellt. Als Christine auf ihren Balkon geht, überrascht sie z.B. ihr Ex, welcher sie unbedingt in die Kiste bekommen möchte. An dieser Stelle muss ich entscheiden, ob mir mögliche Insider-Infos oder Christines Beziehung zu Joe wichtiger sind. An anderer Stelle dagegen führen Entscheidungen nur kurzfristig auf einen alternativen Handlungsstrang und dann zurück zum Standard-Programm: Hätte Joe Christine etwa den Fundort eines wichtigen Dokuments verschwiegen, wäre ich trotzdem durch einen in der Wohnung platzierten Hinweis darauf gestoßen.
Tricks und Überredungskünste
Die reinen Inventar- und Kombinationsrätsel wirken dagegen meist zu leicht und ideenlos. Joe verschafft sich durch sein Reparaturgeschick mehr Freiheiten bei den Wächtern. Das wirkt zwar glaubwürdig, aber nicht gerade spannend. Nebenbei gibt es im Knast natürlich viele fade Gefälligkeiten zu erledigen, um vielleicht Fluchtpläne oder Schwachstellen in der Konstruktion zu erfahren. Etwas seltsam wirkt es schon, dass Joe irgendwann mit prall gefülltem Inventar durchs angeblich sicherste Gefängnis der Welt läuft. Noch öder: Christine bricht die meisten Schlösser einfach mit gefundenen Haarnadeln auf.
Die Crux der Coolness
Ein Problem an den eigentlich erfrischend erwachsenen Dialogen ist, dass die übertriebene Coolness die Identifikation mit den Protagonisten stört. Die lässige Art passt eigentlich gut zur damaligen „Beat-Szene“ in San Francisco: Christine verlegt z.B. ein eigenes Lyrik-Magazin und unterhält sich ununterbrochen mit anderen „Beatniks“ über angesagte Gedichte, Romane und Jazzplatten. Doch Mocsy übertreibt es mit der allgegenwärtigen Gleichgültigkeit. Ob nun die hippe Buchhändlerin, der jugendliche Beatnik im chinesischen Theater oder Christine selbst: Fast alle Figuren wirken in ihren Gesprächen derart
Spannung geht anders
Ihre Stimmung erinnert an heutige Hipster, welche mit Selbstironie und intellektuellen Phrasen um sich schmeißen, ohne einen emotionalen Zugang zur Kunst zu finden, die ihnen angeblich am Herzen liegt. Sogar ein psychisch gestörter Autor oder der schleimige Detective wirken immer schrecklich gelangweilt. Christine lässt sich nicht einmal von den Morddrohungen einiger Gangster aus ihrer Lethargie reißen, die Infos zur Beute aus ihr herauspressen wollen. Verschlimmert wird das Problem von den hölzernen Animationen, welche den Figuren kaum Ausdruckskraft verleihen. Passend dazu plätschert auch die Geschichte vor sich hin, ohne je einen Spannungsbogen aufzubauen.
Fazit
Diesmal ist es Daedalic nicht gelungen, ein externes Projekt durch Feinschliff zu einem spannenden Adventure zu machen. Die Stimmung des schmutzigen, verruchten San Francisco wird zwar schön eingefangen, doch die Ausbruchsgeschichte plätschert fade vor sich hin, ohne je wirklich Fahrt aufzunehmen. Die schroffen Gespräche, Dialogrätsel und kleinen Entscheidungsfreiheiten haben mir zwar gut gefallen, doch die lethargische Gleichgültigkeit von Joe, Christine und anderen Figuren macht es mir schwer, mich überhaupt für ihr Schicksal zu interessieren. Auch die Inventarrätsel wirken meist ideenlos und langweilig. Außerdem gibt es krude Stilbrüche beim Design. Die kantigen Figuren sind hölzern animiert und passen nicht zu den gezeichneten Hintergründen – im Gegensatz zum gelungenen Jazz-Soundtrack. 1954: Alcatraz ein seltsamer, unausgegorener Mix, welcher mich durch das unverbrauchte Szenario und alternative Gesprächsverläufe nur etwas besser unterhalten hat als das konservative Baphomets Fluch 5.
Pro
Kontra
Wertung
PC
Trotz einiger guter Ansätze wirkt das Gangster-Adventure im alten San Francisco unausgegoren.
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