The Night of the Rabbit24.05.2013, Jan Wöbbeking
The Night of the Rabbit

Im Test:

Daedalic wandelt auf den Pfaden von Harry Potter. Im Adventure The Night of The Rabbit (ab 1,99€ bei kaufen) verschlägt es die junge Hauptfigur Jerry Haselnuss nach Mauswald – eine alternative Welt voller magischer Nager, in der er als Zauberlehrling ergründet, was es mit einer finsteren Krähenplage auf sich hat.

Fast wie bei Enid Blyton

Jerrys Heimat wirkt wie ein spielbares Bilderbuch: Die Mutter steht mit wehendem Kleid auf der Wiese und Jerry erkundet am vorletzten Tag der Sommerferien den Wald voller mächtiger Bäume, knorriger Wurzeln und einem idyllischen Bach. Als Vorbild dienen z.B. die Filme von Hayao Miyazaki. Auch Whispered World-Schöpfer Marco Hüllen steuerte einige Animationen bei.

Als Jerry einen großen weißen Hasen erscheinen lässt, wird es noch zauberhafter: Der „Marquis de Hoto“ ist ein so genannter Baumläufer, welcher mit Hilfe verwunschener Baumwurzeln zwischen den Welten wandelt. Da Jerry schon immer Zauberer werden wollte, macht das Langohr ihn sogleich zum Schüler und nimmt ihn mit nach Mauswald. In der Parallelwelt stehen bekannte Dinge wie die Portalbäume oder Statuen herum, sie wird allerdings von Mäusen bewohnt, in deren Gesellschaft die Magie eine deutlich größere Rolle spielt.

Reise durch den Zauberwald

Die Idylle täuscht: Mauswalds Bewohner leiden unter regelmäßigen Krähen-Attacken.
Die Idylle täuscht: Mauswalds Bewohner leiden unter regelmäßigen Krähen-Attacken.
Die magische Welt wurde mit viel Liebe zum Detail gezeichnet, so dass sich das Erschließen neuer Gebiete motivierend gestaltet. Auch der mal ruhige, mal beschwingte Soundtrack unterstützt die Stimmung. Die Atmosphäre wird allerdings ständig von Jerry gestört - und zwar immer dann, wenn er den Mund aufmacht. Jerrys Synchronsprecher René Dawn-Claude spricht mit derart infantiler Stimme, dass es zeitweise an Kindersendungen  für die ganz Kleinen wie Dora erinnert. Auch in Textform wirken seine übertrieben euphorischen Kommentare ziemlich deplatziert. Wenn sich der junge Held mit den Einwohnern Mauswalds unterhält, beschränken sich die Dialoge viel zu sehr auf belanglosen Smalltalk.

Bevor Jerry loslegen kann, muss er zunächst einmal seine eigene Zauberlehrlingsfeier organisieren, indem er Gebäck, Blaubeersaft und die passende Einladung ausfindig macht. Nebenbei erfährt er von der Krähenplage, welche die Stadt in Atem hält. Immer wieder attackieren die zerzausten Vögel den Ort, weshalb die Stadtwachen bereits ständig an der Kanone stehen. Während ich den Stadtkern, den Wald, einen Garten und dahinter liegende Felder erkunde, muss ich jede Menge Gefälligkeiten erledigen. Der alte Ziesel will mich z.B. auf seinem Blattboot mitnehmen, doch das muss zunächst an anderer Stelle des Flusslaufs von den Igelbrüdern fertiggestellt werden. Sie werden wiederum von einem Kobold terrorisiert

Kobold-Falle

Die Igelbrüder helfen Jerry nur, wenn er den nervenden Kobold verscheucht.
Die Igelbrüder helfen Jerry nur, wenn er den nervenden Kobold verscheucht.
Die irische Sagengestalt hat ihnen das Werkzeug geklaut. Also jage ich den Quälgeist, welcher sich zu allem Überfluss ständig unsichtbar macht, durch den Ort. Nach ein paar Minuten des Grübelns dämmert es mir: Ich lege eine Harke auf seinen magischen Kleeblatt-Stein, schließlich kehrt er regelmäßig dorthin zurück. Klonk: Der Störenfried tappt in die Falle, der Stiel knallt gegen seine Stirn und die Werkzeuge sind mein. Da die Igelbrüder aber erst weiter arbeiten, sobald der Kobold verschwunden ist, muss ich ihm eine weitere Falle stellen, damit er sich aus dem Staub macht.

Die meist angenehm logisch aufgebauten Rätsel besitzen einen mittleren Schwierigkeitsgrad und erstrecken sich oft über einige Bildschirme. Für Verwirrung sorgt lediglich der Umstand, dass manche eigentlich offensichtliche Aufgaben sich erst später lösen lassen. Den Kreidestein in Jerrys Heimatwelt wollte ich z.B. instinktiv unter dem fetten Brocken zu Pulver zermalmen, das funktioniert allerdings erst nach einem anderen Ereignis. Im Gegenzug erleichtert die einfach gehaltene Steuerung das Knobeln: Der Cursor zeigt auf Anhieb an, ob ein Objekt nur beäugt oder benutzt werden kann. Ist beides der Fall, lassen sich die zwei Funktionen mit der linken und rechten Maustaste ausführen. Sehr bequem ist auch die Inventar-Bedienung: Einfach mit dem Mausrad rollen und der Rucksack öffnet oder schließt sich.

Magische Hilfsmittel

Geheimnisvoller Zauberlehrer: Der Marquis de Hoto.
Geheimnisvoller Meister: Der Marquis de Hoto.
Mit der Zeit kommen mir ein paar magische Tricks zur Hilfe. Mit einem Buch lässt sich zwischen Tag und Nacht wechseln. Je nach Zeit trifft Jerry Bewohner an anderer Stelle an und kommt so an neue Gegenstände. Auch erlernte Zauber helfen natürlich weiter:  Es gibt z.B. ein magisches Quartett und auch das Wachstum von Pflanzen lässt sich beschleunigen. Sogar die Hotspot-Anzeige und das „Hilfe-System“ werden mit dem magischen Unterbau erklärt: Schaut Jerry durch eine Münze, funkeln wichtige Punkte farbig. Auch die telepathische Kontaktaufnahme mit seinem Meister funktioniert durch Magie: Leider verrät der Marquis keine hilfreichen Tipps oder Andeutungen, sondern rattert nur eine ohnehin bekannte aktuelle Aufgabenstellung herunter.

Nützlicher ist ein Blick ins Tagebuch, wo alle wichtigen Ereignisse notiert werden. Allerdings plätschert die Geschichte über weite Teile ruhig vor sich hin, was den Spielablauf etwas zäh wirken lässt, vor allem in Kombination mit den meist faden Dialogen. Jerry muss zu häufig immer gleiche Orte abklappern, um Gefälligkeiten abzuarbeiten. Mein Entdeckungsdrang wurde zwar nicht gebrochen, aber eine straffer erzählte Geschichte hätte dem Spiel gut getan.

Fazit

Schade, das The Night of The Rabbit sein Potential kaum nutzt. Die Fantasiewelt wurde wunderhübsch gezeichnet und das Konzept der verbundenen Welten fasziniert ähnlich stark wie Enid Blytons Kinderbuch Der Zauberwald. Auch der Großteil der mittelschweren Rätsel macht Spaß. Erzählerisch macht das Spiel aber zu viel falsch, um wirklich zu verzaubern. Die Geschichte kommt zu langsam in Fahrt und langweilt mit faden Gesprächen. Vielleicht hätte Matthias Kempke jemand anderen für die Texte einspannen sollen. Edna-Schöpfer Poki kann sich natürlich nicht vierteilen, aber das ähnlich mystische The Whispered World profitierte z.B. massiv von seinem sarkastischen Humor. Auch Jerrys übertrieben aufgekratzter Synchronsprecher ging mir schon nach kurzer Zeit auf die Nerven. Wer mit den erzählerischen Mankos leben kann, bekommt mit The Night of the Rabbit aber trotzdem ein solides Knobel-Abenteuer in einer faszinierenden Märchenwelt.

Pro

zauberhafte Fantasiewelt
detailverliebte Zeichnungen
meist logische Rätsel
bequeme Steuerung

Kontra

fade Dialoge
Hauptfigur spricht übertrieben infantil
Geschichte kommt nur langsam in Gang

Wertung

PC

Solides Fantasy-Adventure in zauberhafter Kulisse, aber mit erzählerischen Schwächen.

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