Pitfall: Die verlorene Expedition27.11.2004, Mathias Oertel
Pitfall: Die verlorene Expedition

Im Test:

Auf Konsolen ist Pitfall Harrys verlorene Expedition fast schon ein alter Hut – immerhin ist der Titel über ein halbes Jahr auf dem Markt. Doch ähnlich wie Segas Sonic macht sich der Videospielveteran nun abermals auf, um PC-Spieler mit Dschungel-Flair zu verzücken. Ob und welche Änderungen es im Vergleich zu den Konsolen gibt, verraten wir im Test!

Die gute alte Zeit

Natürlich setzt "Die verlorene Expedition" wie bei den Konsolen-Fassungen im Kern auch auf den Bekanntheitsgrad, den Harry seit den frühen 80ern angesammelt hat.

Lianen sind aus der Pitfall-Welt einfach nicht wegzudenken.
Damals – das ist die Zeit, als Spieler noch nicht händeringend ihr Sparschwein plündern mussten, um sich die neueste Grafikkartengeneration anzuschaffen. Eine Zeit, in der man noch nicht einmal ansatzweise von einer Speicherfunktion innerhalb des Spieles träumen durfte. Ganz zu schweigen von der Möglichkeit, evtl. mit einem Passwort an einer fortgeschrittenen Position im Spielverlauf das Game wieder in Angriff zu nehmen.

Stattdessen gab man sich damit zufrieden, in Pitfall 1 und 2 mit einem 1-Knopf-Joystick einfarbige Blocksprites über den Bildschirm zu steuern, sich an grobpixeligen Lianen entlang zu hangeln, für die Anti-Aliasing genau so fern scheint wie eine Mondreise. Und trotz harschem Schwierigkeitsgrad hat man den Klassiker immer wieder von vorne begonnen – ganz einfach, weil das Meisterwerk aus der Feder von Designer David Crane einen Mordsspaß machte.

Verjüngungskur

Dass Harry seit seinem ersten Auftritt schon weit über 20 Jahre auf dem Buckel und in Pitfall: The Mayan Adventure seinen Sohn auf Entdeckungsreise schickte, merkt man dem forschen Archäologen auf seiner Action-Adventure-Reise in den peruanischen Dschungel nicht an.

Dabei hat es das Team von Edge of Reality geschafft, klassische Pitfall-Elemente in eine moderne Jump&Run-Welt zu setzen.

So werden Veteranen schnell Bekanntschaft mit Lianen, im Fluss schwimmenden Krokodilen und sich immer wieder öffnenden Löchern im Boden machen – allesamt Elemente, die auch anno 1982 für Freude gesorgt haben.

Die PC-Fassung erlaubt hohe Auflösungen, sieht aber insgesamt nicht viel besser aus als die Konsolen-Versionen.
Das kann sogar so weit führen, dass sich Pitfall-Kennern beim Schwung an einer Liane zwangsläufig der dröge 8-Bit-Sound des Originals wie ein Ohrwurm in den Gehörgang schleicht.

X markiert den Ort

Doch die enorm große 3D-Welt, die mehrere grafisch abwechslungsreiche Gebiete annähernd nahtlos verbindet, hat noch mehr zu bieten als Reminiszenzen an eine vergangene Software-Generation.

So gibt es z.B. zahlreiche Items, die es an den richtigen Stellen einzusetzen gilt, um die meist auf die Umgebung bezogenen Puzzles zu lösen. Obwohl euch eine gewisse Offenheit vorgegaukelt wird, ist es ratsam, sich an den vom Entwickler vorgesehenen Weg zu halten, der euch auf einer übersichtlichen Karte das nächste Ziel mit einem schönen großen "X" anzeigt. Denn geht ihr an einen anderen Ort, passiert es schnell, dass ihr nicht weiter kommt, da ihr einen bestimmten Gegenstand benötigt. Um z.B. eine Eiswand hinauf zu klettern, benötigt ihr einen Eispickel. Den wiederum bekommt ihr nur, wenn ihr mit einem Floß an einen bestimmten Ort reist usw.

Auf der einen Seite hat man dadurch zwar nie das Gefühl, sich irgendwo festbeißen zu müssen und nicht mehr weiter zu kommen, aber ein bisschen mehr Freiheit hätte sicherlich nicht geschadet, die insgesamt etwas kurz geratene Spielzeit zu verlängern. Profis werden die Kämpfe, Rätsel, Sprungeinlagen und Dschungel-Erfahrung in gut acht bis zehn Stunden bewältigt haben – Anfänger können etwa zwei bis drei Stunden drauflegen.

   

Spaßfaktor ist da – Kameraprobleme auch

Doch über die gesamte Dauer der Spielzeit sorgt "Die verlorene Expedition" für gute Unterhaltung – ein Prädikat, das bei weitem nicht alle derzeit erhältlichen Action-Adventures in Anspruch nehmen können. Einen großen Anteil daran hat die bis auf eine Ausnahme gelungene Steuerung, für die man allerdings ein Pad angeschlossen haben sollte, da die Tastatur-Steuerung doch extrem eigenwillig ist und gute Koordinationsfähigkeit erfordert.

Welches Rätsel verbirgt sich hinter den Schlangen?
Doch selbst bei einem Pad mit zwei analogen Sticks bleibt ein Problem der Konsolenfassung bestehen. Womit wir schon bei der angesprochenen Ausnahme wären: der Kameraführung. Obwohl ihr die Kamera jederzeit hinter euch positionieren könnt, werden sicherlich viele das Bedürfnis haben, sich hin und wieder auch einmal umzuschauen. Da allerdings der rechte Stick anderweitig belegt ist und sich auch nicht zu einer effektiveren Konfiguration überreden lässt, kann man die Kamera nur mit den Schultertasten schwenken.

Zwar gewöhnt man sich an diesen Umstand, doch in hektischen Situationen ruckt man unwillkürlich am rechten Stick herum, bevor man sich daran erinnert, die Schulterknöpfe zu verwenden – und wertvolle Zeit verpufft ins Nirgendwo.

Dafür wurde allerdings nicht an Humor gespart. Mit einem selbstironischen Augenzwinkern nimmt Pitfall Harry sich, das Genre und einschlägige Filme aufs Korn, so dass man sich immer wieder bei einem Schmunzeln ertappt.

Zudem sorgt das Spiel zum richtigen Zeitpunkt mit einem Wechsel des Gameplays oder dem Einschub eines Mini-Spieles für willkommene Abwechslung – auch wenn eigentlich kein Element wirklich neu ist.

Zusätzlich wird das weitreichende Bewegungsrepertoire immer wieder aufgestockt und bei einem Händler könnt ihr die gefundenen Schätze gegen nützliche Gegenstände und Boni eintauschen.

Klasse Charakterdesign, schwache Texturen

Obwohl die großen Welten an sich einen guten Eindruck hinterlassen und belebt wirken, bleiben im Detail leider ein paar Wünsche offen, die auch auf Konsolen schon aufgetreten sind und die selbst der PC mit Monsterhardware nicht befriedigen kann. So strahlen die Texturen auf Dauer erstaunlich blass und strotzen auch nicht gerade vor Abwechslung. Und das Wasser ist meilenweit davon entfernt, sich mit Kollegen wie Beyond Good & Evil messen zu können.

Die Umgebungstexturen sind nicht immer so üppig, wie man es sich auf dem PC wünschen würde.
Ein ganz anderes Bild bietet sich hingegen in den Bereichen Charakterdesign und Animationen, die sowohl mit Qualität als auch Humor überzeugen können. Allen voran natürlich Pitfall Harry, der auf den ersten Blick allerdings ganz und gar nicht das Bild eines seriösen, wenngleich abenteuerlustigen Archäologen vermittelt. Denn der gute alte Harry ähnelt einer Mischung aus Bruce "Evil Dead" Campbell und Gummigesicht Jim Carrey. Dadurch wird allerdings der Humor, der sich durch das gesamte Spiel zieht, nochmals verstärkt.

Und da Harry eine ähnlich umfangreiche Gesichtsmimik hat wie der Ace Ventura-Star, ist es auch nicht verwunderlich, dass die Grafikabteilung auf FMV-Sequenzen verzichtet hat und stattdessen die normale Engine zur Darstellung der Cut-Scenes verwendet.

Doch auch die anderen Figuren, egal ob Gegner oder Gefährten, wurden mit viel Liebe zum Detail gestaltet und mit einer feinen Prise Komik zu ansehnlich animierten Leben erweckt.

Insofern bleiben die Unterschiede vom PC zu den Konsolen-Versionen auf eine höhere Auflösung beschränkt, ohne wirklich viel besser aussehen zu können.

Gut, aber Englisch

Auch die akustische Seite kann überzeugen. Jederzeit stimmige Melodien laufen unauffällig im Hintergrund, während passende Umgebungsgeräusche für Dschungelatmosphäre sorgen.

Und die gute englische Sprachausgabe tut ihr Übriges, um sowohl für den so häufig angesprochenen Humor als auch das i-Tüpfelchen einer durchweg gelungenen Sounduntermalung sorgen. Wieso allerdings nicht die deutsche Sprachausgabe der Konsolenfassungen integriert wurde, bleibt ein Rätsel - denn auch die war seinerzeit passend und hat viel zur Stimmung beigetragen.  

Fazit

Auch wenn die PC-Version grafisch nicht alles gibt, was die Hardware derzeit möglich macht und sich nur als hochaufgelöste Variante der Konsolen-Fassungen präsentiert, kann man das Dschungelabenteuer allen Genre-Fans guten Gewissens ans Herz legen. Die spielerische Mischung stimmt und ist auch durch kleinere Schwächen wie die manuelle Kamera und die unglücklich gelöste Kartenfunktion nicht kaputt zu kriegen. Dass die Texturen der großen und abwechslungsreichen Umgebungen auch auf Rechenknechten im Detail zu wünschen übrig lassen, ist bedauerlich, wird aber durch die sehr guten und witzigen Animationen der Figuren wieder wett gemacht. Da auch Soundtrack und Sprachausgabe (im Unterschied zu den Konsolen nur auf Englisch) auf einem hohen Niveau liegen, ist es bedauerlich, dass der Umfang des Spieles und auch die Anforderungen an den Spieler zum Teil doch weit hinter dem Genre-Standard wie z.B. Beyond Good & Evil zurückbleiben. Doch wer noch nicht die Gelegenheit hatte, mit Pitfall Harry auf Konsolen durch den Dschungel zu turnen, bekommt ein unterhaltsames Spiel zu einem fairen Preis.

Pro

Mini-Games
Puzzle-Elemente
gute Steuerung
gelungene Action-Adventure-Unterhaltun
schöne Animationen
stimmige Akustik
mit Dual-Analog-Pad sehr gut spielbar
günstiger Preis

Kontra

Kartenfunktion nicht optimiert
grafisch nicht immer überzeugend
im Kern nichts Neues
nur auf Englisch
komplexe Tastatur-Steuerung

Wertung

PC

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