Im Test: Schlange als Vorspeise
Splinter Solid Rambo mit Kurztrip-Ambitionen
Ja: Der Umfang des Prologs ist und bleibt auch am PC sehr bescheiden! Wie Videos zeigen, lässt sich die Hauptmission in zehn Minuten abschließen, wenn man die Wege kennt, den Gefechten nicht aus dem Weg geht und auch noch den neuen Reflex-Modus nutzt, bei dem man die Wachen dank Zeitlupen-Funktion noch komfortabler und gefahrloser ausschalten kann. Es tut mir schon ein bisschen weh zu sehen, dass dies überhaupt in dieser Form möglich ist. Aber schon im letzten Teil hat sich angedeutet, dass Kojima nicht mehr nur die Schleich-Fans mit Metal Gear bedienen will. Wie war das noch? MGS goes FPS? Hier öffnet er sich noch mehr der Baller-Action, wenn man es denn mag. Darüber hinaus sorgt auch das neue Markierungssystem für Erleichterung, mit dessen Hilfe man die Position und Laufrouten aller erfassten Gegner verfolgen und ihre Silhouetten sogar durch Wände hindurch sehen kann. Ist das überhaupt noch Metal Gear?
Spannung pur?
Auch wenn die Markierungs-Mechanik ein noch stärkeres Gefühl der Sicherheit verleiht als das bewährte Soliton Radar System, bleibt die Infiltration des Camps spannend. Wer es härter mag, freut sich nicht nur auf den höheren Schwierigkeitsgrad, der nach Abschluss der Missionen freigeschaltet wird und u.a. dafür sorgt, dass die Betäubung von Wachen schneller nachlässt. Optional lassen sich Elemente wie die Feindmarkierungen oder visuelle Hinweise bei der Entdeckung im Menü deaktivieren, um das Niveau zu steigern. Und obwohl ich das klassische System mit der eingeblendeten Mini-Karte und Sichtkegeln immer noch bevorzuge, muss ich zugeben, dass ich die Feindmarkierungen und „Röntgensicht“ durchaus zu schätzen gelernt habe.
Die Qual der Wahl
Was mir aber am besten gefällt, sind die unterschiedlichen Lösungsansätze, die ich in den Haupt- und Nebenmissionen verfolgen kann. Ich meine damit nicht nur die Spielweise – also ob man sich lieber durchballert oder schleicht, Wachen lieber tötet oder verschont. Ich finde es klasse, dass sich mir so viele Wege eröffnen, wie ich mein Ziel erreichen kann. Wege, die ich auf den ersten Blick vielleicht gar nicht als solche erkenne. Schwinge ich mich z.B. auf die Ladefläche eines Trucks und wage eine Reise ins Unbekannte? Oder suche ich mir einen eigenen Eingang in den Verwaltungstrakt? Schleiche ich mich an den Überwachungskameras vorbei oder schalte ich sie lieber durch einen gezielten Schuss aus? Gibt es vielleicht sogar eine Möglichkeit, den Strom auf dem Gelände abzuschalten? Habe ich schon allen Dialogen zwischen den Wachen gelauscht? Soll ich die übrigen Geiseln auch noch retten und an einem der Landeplätze mit dem Hubschrauber evakuieren? Immerhin sollen sie angeblich in meinem Hauptquartier auf mich warten, sobald ich mich an die Fortsetzung in The Phantom Pain wage. Es
Die Bestenlisten und Herausforderungen sollen ebenfalls dazu beitragen, schaffen es bei mir aber nur bedingt: Ich brauche in einem Metal Gear keine Wettrennen, wer die etwa 40 Wachen im Camp am schnellsten markiert. Oder wer beim Ausschalten eines Gegners per Kopfschuss einen neuen Entfernungs-Rekord aufstellt. Oder wer in einem gestohlenen Fahrzeug länger auf zwei Rädern unterwegs ist. Das alles ist überflüssiger Schnickschnack, mehr nicht.
Keine Pappkartons
Klar, ein bisschen Schnickschnack gehörte immer zu Metal Gear – so z.B. die Pappkartons, unter denen man sich verstecken und bewegen konnte. Solche Momente gibt es hier kaum noch: Ground Zeroes wirkt erwachsener, reifer, realistischer – aber für mich damit gleichzeitig auch etwas langweiliger und gewöhnlicher als frühere Teile, wo ich Wachen noch mit einem Playboy-Magazin oder einem Klopfen an Wänden abgelenkt habe, ihre betäubten Körper in Schränken verstaut oder ihre Funkgeräte kaputt geschossen habe. Hier wirkt alles etwas einfacher gestrickt.
Das gilt auch für einige Stealth-Elemente und die KI: So hinterlässt Snake z.B. selbst im Matsch keine Fußabdrücke, die Aufmerksamkeit bei den Patrouillen erregen oder sie während einer Verfolgung auf meine Spur bringen könnte. Immerhin sind die Wachen recht aufmerksam, sobald ich in ihrem Sichtbereich auftauche oder einen ausgeschalteten Kameraden entdecke, den ich entweder zu schlecht oder gar nicht versteckt habe – auch deshalb, weil es kaum ordentliche Verstecke gibt.
Verfuchste Technik
Mit Ground Zeroes wagt Kojima Productions nicht nur erste Gehversuche für das Schleichen in einer offene(re)n Welt, sondern auch die erste Bewährungsprobe für die hauseigene Fox-Engine, die vor allem die Entwicklung von Multi-Plattform-Titeln erleichtern sollte. Die PC-Version zeigt, dass der Plan wohl aufgeht: Genau wie auf den beiden neuen Konsolen ist die Story-Mission ein Augenschmaus: Die Wetterkapriolen werden mit dem peitschenden Regen sowie im Wind flatternden Klamotten, Sträuchern und Abdeckplanen hervorragend eingefangen, während der düstere Nachthimmel im Zusammenspiel mit sehenswerten Lichteffekten der Suchscheinwerfer sowie Spiegelungen in Matschpfützen eine perfekte Bühne für die Schleich-Mission bereitet. Den Höhepunkt markieren für mich die aufwändig modellierten Gesichter der Akteure, die vor allem in den großartig inszenierten Zwischensequenzen voll zur Geltung kommen.
Wirkt die Kulisse in der verregneten und nächtlichen Story-Mission durchaus spektakulär, wird der Eindruck in den Nebenaufträgen relativiert, denn bei normalem Tageslicht fallen technische Schwächen wie mitunter grobe Texturen, die niedrig aufgelöste Vegetation, Fade-Ins oder das weiterhin vorhandene Flimmern an Zäunen viel deutlicher ins Auge. Es ist nicht so, dass Ground Zeroes hässlich ist, aber der grafische Unterschied zwischen Tag- und Nachtmission ist frappierend. Besonders negativ sind mir die vielen Clipping-Fehler und Probleme bei der Kollisionsabfrage aufgefallen, die leider auch am PC nicht ausgebügelt wurden: Rennt man z.B. mit einer befreiten Geisel auf dem Rücken, dringt ständig Snakes Arm durch den Körper des Geretteten. Auch an anderen Objekten
Schön dagegen, dass die Engine im Gegensatz zu Pro Evolution Soccer 2015 auf dem PC keine Abstriche machen muss. Im Gegenteil: Einige der Texturen wirken sogar einen Tick schärfer, wenn man den höchst möglichen Detailgrad in den Grafikoptionen auswählt, in denen man auch SSAO (Screen Space Ambient Occlusion) sowie V-Sync aktivieren und die Bildrate optional auf 30 Bilder pro Sekunde festlegen darf. Doch selbst mit maximalen Grafikdetails muss man zusätzlich zu den genannten Problemen mit der Kollisionsabfrage auch noch das eine oder andere Pop-up in Kauf nehmen. Die laut Konami erhöhte Anzahl simultaner Lichtquellen und eine verbesserte Auflösung der Schatten fallen kaum auf, wenn man die PS4-Version als Vergleich direkt daneben hält. Technisch setzt sich der PC deshalb in erster Linie durch die flottern Ladezeiten von den Konsolen ab - auch wenn die Unterschiede kaum ins Gewicht fallen. Stärker wiegt die Steuerung mit Maus und Tastatur als Alternative zum Controller, obwohl ich Letzteren immer noch bevorzuge. Vielleicht auch deshalb, weil die Option zur Kamera-Invertierung beim Verwenden des Nagers nicht greift.
Hör mal, wer da geht
Der Audiobereich kann auch am PC überzeugen: Es ist nicht nur der gelungene Soundtrack, an dem erneut Hollywood-Komponist Harry Gregson-Williams mitgewirkt hat. Vor allem die Effekte sind ein Hörgenuss, wenn z.B. die Regentropfen auf Snakes nassen Sneaking-Suit trommeln, man die näher kommenden Schrittgeräusche genau orten kann oder die US-Flagge im Wind flattert und die Halterung gegen den Mast schlägt. Hier kann man die Liebe zum Detail buchstäblich hören!
Fazit
Eine Demo für geschätzt 15 Euro? Metal Gear Solight? Schamlose Abzocke von Kojima? Der Aufschrei war groß, nachdem bekannt wurde, dass sich die Hauptmission von Ground Zeroes so schnell erfolgreich beenden lässt. Fakt ist aber auch, dass man in diesen ein bis zwei Stunden einen spannenden Schleich-Einsatz erlebt, der viele Freiheiten und alternative Vorgehensweisen erlaubt. Die Infiltration des Camps hat mich trotz gewöhnungsbedürftiger neuer Mechaniken und fragwürdiger KI-Aktionen auch am PC wieder gut unterhalten – zumindest, wenn man die Stealth-Variante dem plumpen Actionweg mit Zeitlupen-Kills vorzieht. Hier hatte ich wieder das wohlige Herzklopfen, wenn ich mich einer Wache von hinten nähere oder mich langsam durch den Matsch robbe und dabei den Suchscheinwerfern aus dem Weg gehe. Und dann diese schonungslose Inszenierung, die mir teilweise ein flaues Gefühl in der Magengegend beschert hat – bravo! Trotzdem schneidet mir als altem MGS-Traditionalisten Kojima zu viele alte Zöpfe ab und ersetzt sie durch überflüssige Elemente wie diverse Ranglisten-Wettbewerbe, Audio-Kassetten und Nebenmissionen im TV-Episoden-Stil, bei denen ich keinen wertvollen Bezug zur Story erkennen kann. Diese Häppchen eignen sich vielleicht für den mobilen Einsatz im Stil von MGS: Peace Walker, aber in einer großen Fortsetzung kann ich darauf verzichten. Deshalb hoffe ich, dass Kojima bei The Phantom Pain wieder auf ganz großes Kino und einen Fokus auf die Geschichte setzt und sich nicht in einem belanglosen Episoden-Wirrwarr verliert. Obwohl Ground Zeroes keine restlose Begeisterung in mir auslösen kann und die verspätete PC-Version trotz guter Umsetzung quasi alle Schwächen den Konsolen-Vorbilder beibehält, hat der Prolog seine Mission erfüllt: Ich bin gespannt wie ein Flitzebogen, wie es nach dem dramatischen Cliffhanger-Finale mit Big Boss weitergeht und welche Pläne der mysteriöse XOF-Kommandant Skull Face verfolgt. The Phantom Pain kann kommen und hat dann hoffentlich wieder mehr klassische Elemente und eine bessere KI im Gepäck.
Pro
Kontra
Wertung
PC
Späte, aber technisch gelungene Umsetzung des Prologs auf den PC. Leider bleiben viele Kritikpunkte der Konsolen-Vorbilder bestehen.
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