Game Tycoon12.09.2003, Bodo Naser
Game Tycoon

Im Test:

Wäre es nicht toll, einmal selbst ein Computerspiel zu entwickeln? Ein frisches Konzept, ein paar fähige Programmierer sowie ein passendes Design sind wichtige Elemente, die Ihr dafür braucht. Dumm nur, dass das auch genau die Sachen sind, die der lahmen Wirtschaftssimulation Game Tycoon (ab 2,21€ bei kaufen) von Enjoy weitgehend fehlen. Weshalb die Entwickler bei Ihrem eigenen Spiel nicht weit kommen dürften, erfahrt Ihr aus der Review.

Die guten alten Tage

Hört sich eigentlich verdammt interessant an: Mit nichts als geborgten hunderttausend Mark in der Tasche startet Ihr bei Game Tycoon im Jahre 1982, als die Welt der Computer- und Videospiele noch größtenteils in Ordnung war.

Damals war gerade die erste Generation der Spielkonsolen angesagt, die Spiele hießen Pitfall, Donkey Kong oder H.E.R.O. und der C-64 steckte noch in der Entwicklung. Ihr tretet an, um einen der größten Spieleentwickler aus dem Boden zu stampfen, was für einen Game-Fanatiker, wie Ihr es sicher seid, eigentlich Herausforderung genug sein sollte.

Kaum Abwechslung

Trotz des interessanten Szenarios gelingt es der wenig abwechslungsreichen Wirtschaftssimulation jedoch nicht, Euch länger bei der Stange zu halten. Eigentlich solltet Ihr in der aus zehn Levels plus Tutorial bestehenden Kampagne Mission auf Mission machen, bis Ihr schließlich auch in unsere Tage gelangt, in denen Xbox, DVD, ATI Radeon 9800 Pro und Half-Life 2 das Maß aller Dinge sind. Doch der Reiz des Neuen ist nach wenigen Stunden verflogen und Ihr stellt leider fest, dass es trotz fortschreitender Technologien stets um dasselbe geht.

__NEWCOL__Wir basteln uns ein Spiel

Das Spielprinzip unterscheidet sich während den einzelnen Missionen und dem Endlosspiel kaum: Nachdem Ihr einen der drei Charaktere gewählt habt, informiert Ihr Euch zunächst am Kiosk in der Universität, welche Genres gerade angesagt sind. Danach entwickelt Ihr eine eigene Engine, die möglichst aktuell sein sollte oder kauft eine beim Makler.

Eine bekannte Lizenz kann auch nichts schaden. Dann entwerft Ihr ein Konzept für das Spiel, das Ihr dann von Eurem Team entwickeln lasst. Dafür solltet Ihr an der Uni möglichst gute Programmierer, Grafiker und Komponisten einstellen, die natürlich nicht viel kosten dürfen. Freiberufler lassen sich übrigens leichter rauswerfen als Festangestellte.

Produktion im Hinterzimmer

Für die Herstellung Eures Spiels müsst Ihr schließlich ins Presswerk gehen, das im Medienzentrum liegt. Irgendwie erinnert das an eine vorsintflutliche Produktionsstätte des Frühkapitalismus, in der illegal Schnaps abgefüllt wurde, und nicht an eine Hightech-Datenträgerschmiede. Dort müsst Ihr eine passende Verpackung sowie Goodies wählen und Euer Spiel in die Presse stecken. Nach fünf Tagen kommt die gewünschte Menge unten raus, die Ihr dann sofort per entsprechendem Publishing-Vertrag auf den zu Beginn noch wenig überlaufenen Markt werft.

Fehlende Impulse

Was wirklich spannend wäre, wäre tolle Innovationen zu entwickeln. Das ist aber leider nicht möglich, da die wählbaren Teile schon alle vorgegeben sind. Ein Blick ins Gameheft am Kiosk genügt und Ihr stellt fest, dass Ihr Euer liebloses 08/15-Spiel mit der Hilfe von Werbung pushen müsst. Dafür stehen Euch verschiedene Kampagnen zur Wahl, die von einfachen Handzetteln über Webseiten bis zur Fernsehwerbung gehen.

Auch das Image Eurer Firma lässt sich so verbessern. Euer eigenes Ansehen könnt Ihr übrigens anheben, wenn Ihr Euch teuren Schnickschnack für Eure Wohnung kauft. Dennoch ist es nicht leicht, die ablaufenden Prozesse zu durchschauen, was auch an zu wenigen Statistiken liegt: Warum sich z.B. Euer Spiel nicht verkauft, bleibt oft im Dunklen.

Bugs inklusive

Eure Spiele lasst Ihr am besten immer auch von Betatestern unter die Lupe nehmen, denn so verhindert man bekanntlich lästige Bugs. Leider scheint das aber vollkommen an der Entwicklung von Game Tycoon selbst vorbeigegangen zu sein, denn das Spiel wimmelt nur so von Fehlern. Wer Abstürze vermeiden will, sollte sich daher zunächst den ersten Patch installieren, bevor er ans Entwickeln seines ersten Spiel geht. Der beseitigt nämlich die gröbsten Bugs und Logikfehler und macht es u.a. möglich, den Betatest zu verkürzen oder die Review im Spielemagazin schon kurz nach der Entwicklung zu lesen. __NEWCOL__Zwar erblickt Ihr in der Verpackungsbox stilecht eine Datasette, dass es Anfang der 80er Jahre noch gar keine Personalcomputer gab, scheint den Entwicklern dabei aber entgangen zu sein. Immerhin gesellt sich das Internet erst ab 1995 hinzu.

Bunte 2D-Klick-Orgie

Die für Casual-Sims dieser Art scheinbar unvermeidbare 2D-Comic-Optik lockt auch bei Game Tycoon sicher keinen Gamer mehr hinter dem Ofen hervor. Die bunte Darstellung ist zwar weitgehend sauber gezeichnet, aber auch arm an Details und wirkt insgesamt leider etwas billig. Da der Mauszeiger sich nicht verändert, wenn es etwas anzuklicken gibt, sind Eingänge und besondere Features oft schwer zu finden. Insgesamt müsst Ihr viel hin und her wechseln, und die langen Wege lassen sich oft nur durch einen Doppelklick abkürzen. Da die anzuklickenden Flächen nicht immer ganz scharf abgegrenzt sind, sind Klick-Orgien unvermeidbar. Bisweilen lässt sich manches auch einfach nicht benutzen.

Deutsche Sprachausgabe

Dass man in einem Budgetspiel wie Game Tycoon noch eine deutsche Sprachausgabe findet, ist doch ziemlich beachtlich, auch wenn sie inhaltlich nicht viel bringt. Sie wird beispielsweise für die Passantinnen auf der Straße verschwendet, die Euch ein unpassendes "Hallo Süßer" entgegen hauchen, das besser in Rotlicht Tycoon aufgehoben wäre. Immerhin haben die Macher hieran mal nicht gespart. Auch nicht so übel, ist die Musik, die immerhin mit verschiedenen Hintergrundthemen aufwartet.

Fazit


Game Tycoon ist wieder mal ein geradezu klassisches Beispiel dafür, dass eine eigentlich tolle Idee, die Entwicklung eigener Games nämlich, durch eine lieblose Umsetzung kaputt gemacht wurde. Das simple Wirtschaftsspiel wird zu rasch eintönig, und auch inhaltlich wird viel zu wenig geboten. Denn schon nach wenigen Jahren wiederholt sich der Spielablauf trotz technischer Neuentwicklungen immer aufs Neue. Dazu kommt die 2D-Comic-Grafik, die auch nicht gerade ein Highlight setzt. Würde man ein dazu noch bugverseuchtes Spiel wie Game Tycoon in der Entwickler-Simulation selbst abliefern, es würde wohl zu Recht zum Ladenhüter verdammt!

Pro

<li>interessante Idee</li><li>sich verändernde Technik</li><li>vergleichsweise preisgünstig</li>

Kontra

<li>lieblos umgesetzt</li><li>wird schnell eintönig</li><li>kaum durchschaubar</li><li>Logikfehler</li><li>lästige Bugs</li><li>billig wirkende Optik</li><li>teils unpassende Sprachausgabe</li>

Wertung

PC

0
Kommentare

Du musst mit einem 4Players-Account angemeldet sein, um an der Diskussion teilzunehmen.

Es gibt noch keine Beiträge. Erstelle den ersten Beitrag und hole Dir einen 4Players Erfolg.