Primordia13.12.2012, Jens Bischoff
Primordia

Im Test:

Wadjet Eye Games konnte bereits mit Blackwell Deception, Gemini Rue und Resonance überzeugende Duftmarken im Adventure-Bereich setzen. Primordia ist der jüngste Zuwachs im Portfolio der New Yorker und entführt in eine postapokalyptische, menschenleere Zukunft. Ob sich die von Klassikern wie Blade Runner oder Beneath a Steel Sky inspirierte Reise lohnt, verrät der Test.

Gemütliches Endzeitidyll

Horatio und Crispin haben es sich an der Absturzstelle ihres Raumschiffs gemütlich gemacht.
Horatio und Crispin haben es sich an der Absturzstelle ihres Raumschiffs gemütlich gemacht.
Horatio und der von ihm gebaute Crispin fristen ihr Dasein in einem havarierten Raumschiff weit draußen im postapokalyptischen Ödland. Die beiden Roboter sammeln Schrott für die Reparatur ihres Shuttles, scheinen sich aber mit der Abgeschiedenheit ganz gut arrangiert zu haben. Zumindest haben sie es sich hier dank einer schier unerschöpflichen Energiezelle ziemlich gemütlich gemacht, lesen Bücher, hören Musik, beobachten den Sternenhimmel und halten sich wie ein altes Ehepaar mit gegenseitigen Sticheleien bei Laune.

Der vom Körperbau menschenähnliche Horatio ist eher der stille, stoische Typ, während der vorlaute Crispin überall herumschwirrt und sich ärgert keine Arme zu haben. Doch so verschieden die beiden sind, so hervorragend ergänzen sie sich.

Allerdings wird die traute Zweisamkeit eines Tages jäh gestört als sich ein wortkarger Blechschädel gewaltsam Zugang zum Motorraum ihres Schiffs verschafft und ihren wertvollsten Besitz, die Energiezelle mitgehen lässt. Da ihnen der Eindringling kräftetechnisch haushoch überlegen ist, bleibt ihnen nichts anderes übrig, als ihn gewähren zu lassen. Kurz darauf entschließen sie sich allerdings die Verfolgung aufzunehmen und ihr Hab und Gut irgendwie zurückzubekommen.

Die Lichter der Großstadt

In der Roboterstadt Metropol treffen die beiden auf ganz unterschiedliche Artgenossen.
In der Roboterstadt Metropol treffen die beiden auf ganz unterschiedliche Artgenossen.
Die Fährte führt die beiden bis nach Metropol, eine vor allem Horatio verhasste Roboterstadt, die im Gegensatz zu ihm den Glauben an den einstigen Urschöpfer, den Menschen, längst verloren hat und nur noch dem Fortschritt huldigt. Was Horatio und Crispin dort alles erwartet, wird natürlich nicht verraten, aber Konflikte sind vorprogrammiert, Ideologie, Geschichte und Logik auf dem Prüfstand.

Action-Sequenzen wie in Gemini Rue oder vorzeitige Ableben gibt es jedoch nicht. Konfrontationen werden stets mit Worten oder Köpfchen gelöst. Trotzdem können Fehlentscheidungen bittere Konsequenzen haben, wenn auch nicht direkt für Horatio und Crispin. Mal muss man einfach nur einen Umweg machen, mal ein hilfreiches Objekt abschreiben, mal gar Abschied von einen Kameraden nehmen.

Wenn man mal nicht weiter weiß, kann man Begleiter Crispin um Rat fragen.
Wenn man mal nicht weiter weiß, kann man Begleiter Crispin um Rat fragen.
Dennoch geht es immer weiter, Sackgassen gibt es keine, auch wenn man jederzeit speichern kann. Wer alle Aktionsmöglichkeiten ausschöpfen, Enden sehen und spielinternen Trophäen verdienen will, muss allerdings mehrere Durchgänge absolvieren. Spielzeit, Gesprächspartner und Schauplätze sind jedoch überschaubar, die meisten Aufgaben rasch gelöst, auch wenn einen manche Rätsel eine ganze Weile auf Trab halten können.

Wer die Demo gespielt hat, hat wohl schon ungefähr ein Viertel des ganzen Spiels gesehen. Insgesamt sind die Rätselaufgaben gut und plausibel eingebettet. Und obwohl es sich in der Regel um klassische Such- und Kombinieraufgaben handelt, sind manche durchaus vertrackt und originell konzipiert. An den Haaren herbeigezogen oder willkürlich erscheinende Lösungen gibt es jedenfalls keine. Dafür aber immer wieder Hindernisse, die man auf unterschiedliche Weisen bewältigen kann.

Angriff der Riesenpixel

Kleinere Unstimmigkeiten wie als Klebstoff dienendes Hydrauliköl oder aufgrund der grobschlächtigen Optik übersehene Gegenstände sorgen zwar hier und da für Stirnrunzeln oder gar Unmut. Doch die sind schnell verziehen, wenn Crispin auf Nachfrage wichtige Hinweise gibt, man im modifizierbaren Datenlog entscheidende Entdeckungen macht oder über die Karte im Handumdrehen von Ort zu Ort gelangt.

Die sehr grobkörnige Grafik erinnert an bildschirmgroß aufgeblasene Thumbnails.
Die sehr grobkörnige Grafik erinnert an bildschirmgroß aufgeblasene Thumbnails.
Trotzdem sind mir die künstlich aufgeblasenen Retro-Pixel wie bei Gemini Rue schon fast zu riesig. Was bei Blackwell oder Resonance noch stimmig war und Erinnerungen an klassische Lucas-Arts-Adventure-Zeiten weckte, wirkt hier einfach nur schlecht vergrößert - so, als würde man ein Thumbnail als Desktop-Hintergrund verwenden. Teils kommt man sich fast wie in verschwommenen Wimmelbildrätseln vor. Auch Scrolling, Effekte und Animationen hätten ruhig etwas weniger antik daher kommen können.

Doch Tradition hin, Minimalismus her, bei der Soundkulisse wurde nicht gekleckert. Sowohl die stimmungsvollen Kompositionen als auch die englischen Sprecher sind top. Und das gilt nicht nur für den schon in Resonance zum Einsatz gekommenen Bastion-Erzähler Logan Cunningham. Individuelle Akzente, Sprechrhythmen und Klangfilter hauchen jedem Blechkübel Persönlichkeit ein.

Ebenfalls lobenswert: Die jederzeit aktivierbaren Entwicklerkommentare mit persönlichen Intentionen und Hintergrundinformationen sowie amüsanten Patzern und Versprechern. Allerdings gibt es Primordia bisher nur auf Englisch und als Download. Wadjet Eye Games dürfte auch keine allzu großen Ambitionen für eine deutsche Lokalisierung haben, aber vielleicht bekundet ja wie bei Gemini Rue bald schon ein heimischer Publisher sein Interesse...

Fazit

Primordia erinnert nicht nur optisch an das ebenfalls bei Wadjet Eye erschienene Gemini Rue. Allerdings wirken die künstlich aufgeblasenen Pixel auch hier etwas zu übertrieben. Auch in punkto Kameraführung und Animationen ist mir die Inszenierung oftmals zu retro. Man vermisst immer wieder wertvolle Details oder markante Eigenheiten und erkennt teils nicht einmal wichtige Sammelobjekte oder Interaktionsmöglichkeiten. Auch kleinere Logikschwächen knabbern hin und wieder an den eigentlich sehr gelungenen und durchdachten Rätseln. Das Spiel lebt aber in erster Linie von seinem konfliktgeladenen Szenario sowie den schwungvollen Dialogen. Die Atmosphäre ist düster und bizarr, der Humor zynisch und trocken. Wer seine Adventures eher rätsellastig mag, wird mit Primordia nur bedingt glücklich werden, wer auf ungewöhnliche Figuren und Geschichten steht, wird Horatio und Crispin hingegen gern auf ihrer Reise begleiten.

Pro

netter Retro-Look...
humorvolle Dialoge
stimmungsvolle Sprachausgabe
praktische Datenlog- & Ortswechselfunktionen
aktivierbare Outtakes & Entwicklerkommentare

Kontra

...dessen Grobpixeligkeit jedoch übertrieben wirkt
ein paar nervige Suchexzesse & kleinere Logikschwächen
Spiel leider ausschließlich auf Englisch verfügbar

Wertung

PC

Süffisantes Endzeitabenteuer in grobpixeligem Retro-Look.

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