Sang-Froid - Tales of Werewolves15.04.2013, Mathias Oertel
Sang-Froid - Tales of Werewolves

Im Test:

Zwei Holzfäller-Brüder begrüßen euch in der kanadischen Wildnis Mitte des 19. Jahrhunderts. Hinzu kommen ihre todkranke Schwester, haufenweise Wolfswesen, Dämonen und nächtliche Angriffe. Das sind die düsteren Zutaten von Sang-Froid: Tales of Werewolves. Was hat der merkwürdig anmutende Strategie-Mix auf dem Kasten?

Unheimliche Fragen, fade Antworten

Die seltenen gezeichneten Zwischensequenzen sind stimmungsvoll.
Die seltenen gezeichneten Zwischensequenzen sind stimmungsvoll.
Die Zeit, in der ich mich wirklich auf jeden Ansatz klassischer Tower Defense gestürzt habe, liegt lange zurück. Zwar kann ich die Qualität von Fieldrunners 2 & Co wertschätzen, doch mittlerweile braucht es schon mehr, um mich ans Pad oder an Maus und Tastatur zu locken. So etwas wie Dungeon Defenders z.B. oder auch Orcs must Die!, die beide die Turmverteidigung um aktive Angriffsmechanismen ergänzen. In die gleiche Kerbe schlägt auch die von Artifice Studio entwickelte Indie-Produktion Sang-Froid: Tales of Werewolves (SF), die jüngst grünes Licht auf Steam erhalten hat. Man schlüpft wahlweise  in die Rolle der Holzfäller Jack oder Joe (oder auch Jacques und Joseph), die ihre aus der Stadt Wolvesvale geflohene Schwester aufnehmen und beschützen müssen.

Hat ihre Flucht mit den unsittlichen Annäherungen des Priesters zu tun, die in einer Auseinandersetzung gipfelten, in deren Folge die Kirche halb abbrannte? Oder vielleicht doch damit, dass sie in ihren Fieberträumen etwa einen halben Meter über dem Bett schwebt und mit zurückgerollten Augen und tiefer Stimme von Dämonen fantasiert? Warum wird die Farm der Brüder samt dem Umland allnächtlich von immer stärker werdenden Wolfswesen und anderen Höllenausgeburten heimgesucht? Und wieso hat selbst der Teufel Interesse an Josephine?

Die Dialoge hingegen sind technisch und akustisch schwach.
Die Dialoge hingegen sind technisch und akustisch schwach.
Die Antworten bekommt man im Laufe der 20 Missionen dauernden Kampagne. Doch so geheimnisvoll die Geschichte auch wirken mag, so schwach wird sie erzählt. Die Zwischensequenzen bleiben zwar dem Comicstil treu, der sich auch durch die Kulisse und das Figurendesign zieht. Doch wo andere Spiele mit einem ähnlich gelagerten Stil mit ihrem Minimalismus einen ganz speziellen Charme in der Erzählung entfachen, bleibt die Werwolf-Mär oberflächlich und steril. Die kurzen Sequenzen bieten jede für sich betrachtet kaum Spannung, sind technisch schwach und dazu nur selten gut vertont. Und das gilt für die englische Fassung (es gibt weder deutsche Texte noch Sprache)! Nur um die Auflösung der Geschichte zu erfahren, habe ich der starken Versuchung widerstanden, sie wegzuklicken.

Alpträume bestimmen Verteidigungstaktik

Das ist insofern bedauerlich, da die wenigen gezeichneten Vollbild-Zwischensequenzen durchaus den Wunsch nach mehr ausgelöst haben. Deutlich besser vertont und stimmungsvoller zusammengesetzt als die Schnippsel zwischen den Missionen wird der atmosphärische Grundstein für ein spannendes Abenteuer gelegt. Doch dies ist nur die eine erzählerische Ebene. Die spielerische ist deutlich besser gelungen. Jeder Tag auf dem Kalender, den man überleben muss, gliedert sich in zwei Teile: Tagsüber verschafft man sich einen Überblick, welche Monster auf welchem Wege versuchen, die wichtigen Gebäude im Umfeld der Brüder anzugreifen.

Tagsüber schaut man sich die Gegner sowie ihre Routen an und plant entsprechend seine nächtliche Verteidigung.
Tagsüber schaut man sich die Gegner sowie ihre Routen an und plant entsprechend seine nächtliche Verteidigung.
Mit diesem Wissen, das quasi den fabulierenden Träumen der Schwester entspricht und akkurat zutrifft, kann man versuchen, dem Schicksal Einhalt zu gebieten. Dazu platziert man z.B. Fallen in verschiedenen Kategorien, baut Verteidigungsanlagen in Form von Türmen, über deren verbindende Seiltrassen man schnell hin und her reisen kann oder versucht durch das Legen von Feuermauern die Laufwege der Gegner anzupassen. Zusätzlich kann man im Dorf seine Waffen von der Nonne segnen lassen (gegen eine kleine Gebühr für die Kollekte versteht sich), seine Munition aufstocken oder gar neue Waffen, temporäre Verstärkungen oder Heiltränke kaufen. Doch man muss nicht nur ein Auge auf die spärlich gefüllte Geldschatulle haben, die auch von der einen oder anderen Falle zusätzlich geschröpft wird. Das Auslegen der Fallen, Köder etc. verbraucht in jedem Fall Aktionspunkte, so dass man nicht wahllos auf der Karte herumplanen kann, sondern so gezielt und effektiv wie möglich vorgehen muss.

Das Schöne: Selbst, wenn man in der folgenden Nacht und damit einhergehenden Angriffsphase den einen oder anderen Schönheitsfehler in seinem Plan feststellen sollte, braucht man weder aufgeben noch neu anfangen. Denn mit einer Axt sowie einer Flinte bewaffnet, kann und muss man aktiv ins Geschehen eingreifen. Im Idealfall hat man die Planung zwar so bewerkstelligt, dass man rundum nur heulende Viecher hört, die einem in die Schlingen, Dornen usw. tapsen. Doch es gibt auch Vorrichtungen, die man z.B. durch einen gezielten Schuss auslösen muss. Das Problem ist dann zwar, dass das Gewehr erst mühsam und zeitaufwändig nachgeladen werden muss. Aber wenn es sein muss, kann man die Haare eines Werwolfs auch mit der gesegneten Axt spalten.

Probieren und Scheitern

Leichte Rollenspieleinschläge warten mit Ausrüstung und Aufwertung der Figur.
Leichte Rollenspieleinschläge werden in Form von Ausrüstung sowie Aufwertung der Figur geboten.
Während man in den ersten Tagen kaum Probleme haben sollte, sich der Feinde zu erwehren, nimmt der taktische Anspruch spätestens nach einer Woche deutlich zu. Die Gegner (und damit auch mögliche Resistenzen gegen bestimmte Abwehrmethoden) werden zahl- und variantenreicher, das Geld bleibt ohnehin immer knapp und die zu beschützenden Gebäude haben generell keine hohe Widerstandskraft, so dass man irgendwann unweigerlich scheitert. Macht aber nichts, denn man kann jetzt entweder an der Planungsphase schrauben oder sich einfach nochmal am Actionteil probieren, wenn man der Meinung ist, dass man den Fehlversuch nur an den eigenen Fähigkeiten, nicht aber am strategischen Kalkül festmachen kann. Und das alles, ohne die bereits gewonnene Erfahrung wieder abgeben zu müssen - schön.

Wobei man sich nicht zu schade sein sollte, seinen gut gehegten und gepflegten Plan doch umzuschmeißen, vielleicht noch die eine oder andere zusätzliche Option wahrzunehmen oder sogar durch das Verbrauchen von Aktionspunkten für die Holzproduktion seinen Kontostand aufzubessern, damit man sich die verbesserte Axt leisten kann. Möglichkeiten zum Experimentieren gibt es in jedem Fall genug. Weiterhin (hier kommen die Erfahrungspunkte ins Spiel) kann man die Figur bei jedem Levelaufstieg verbessern und aus einem Pool von insgesamt über 50 Fähigkeiten und Eigenschaften auswählen, die sich nachhaltig auswirken. Dazu gehört z.B. eine erhöhte Widerstandsfähigkeit für Gebäude, mehr Schaden bei bestimmten Fallen, ein schnelleres Nachladen, höhere Effektivität beim Schießen von erhöhten Positionen usw.  Durch diese Charakteraufwertung werden die getrennt laufenden Phasen angenehm miteinander verbunden.

Der Angstfaktor

Die nächtliche Action ist mit Ausnahme des oberflächlichen Nahkampfes spannend.
Die nächtliche Action ist mit Ausnahme des oberflächlichen Nahkampfes spannend.
Das Team hinter Sang-Froid hat vermutlich gespürt, dass das Nahkampfsystem auf Dauer einen redundanten und oberflächlichen Eindruck hinterlässt. Zwar liegt diesem Ausdauer zu Grunde, die bei jedem Schlag abnimmt und irgendwann wieder aufgeladen werden muss. Tiefgehend oder gar spannend ist dies dennoch nicht. Im besten Fall ist es eine gut gemeinte taktische Ergänzung, da man nicht wie wild mit der Axt hantieren kann. Doch mit dem daran gekoppelten Angstfaktor wird selbst das eintönige Prügeln gegen die mitunter sehr vorhersehbare (und schwache) KI mit einem angenehmen Maß an Spannung versehen. Was hat man darunter zu verstehen?

Die Angst wird durch eine kleine Anzeige dargestellt, in der das Symbol der nächsten  Angreifer (auch durch eine Pfote über dem Kopf markiert), in einem dynamischen Abstand zum eigenen Symbol steht. Je weiter die Markierungen auseinander liegen, sprich: je mehr Angst die Wölfe vor einem haben, desto länger dauert es bis zum nächsten Angriff. Und diese Zeit kann man nicht nur verlängern, indem man sie drohend anbrüllt (was allerdings auch andere Viecher auf den Plan ruft) oder indem man ein kleines Feuer anzündet.

Fazit

Es ist sehr schade, dass Präsentation und Kulisse von Sang-Froid nicht mit den inneren Werten der Werwolf-Jagd mithalten können. Es fällt mir abseits des redundanten sowie oberflächlichen Nahkampfes schwer, inhaltliche Schwachpunkte zu finden. Das leicht an ein modifiziertes Orcs must Die! erinnernde Prinzip mit taktischer Planung und dem Aufbau von Fallen in der Tagphase sowie der Echtzeitverteidigung bei Nacht fasziniert von der ersten Minute. Man wird stets gefordert und mit neuen Gegnern oder Veränderungen wie vereisenden Flüssen überrascht, so dass man clever reagieren muss, um den angreifenden Dämonen Einhalt zu gebieten. Auch die Story steht auf stabilen Beinen. Doch hinsichtlich der Präsentation lässt Sang-Froid leider nach: Angesichts des Comic-Stils kann ich über das eine oder andere deutliche Defizit in der spröden Kulisse hinweg sehen. Die schwache englische Sprachausgabe in den mickrig gestalteten Zwischensequenzen schafft es jedochzu selten, die Emotionen der Geschichte oder die Bedrohung der anstehenden Nacht zu transportieren. Immerhin sorgt der sich deutlich am irischen Folk orientierende Soundtrack für adäquate Stimmung. Schade, hier wäre deutlich mehr als ein "Geheimtipp" drin gewesen.

Pro

Mix aus Fallen-Strategie und Echtzeit-Action
Charakter kann mit über 50 Fähigkeiten aufgerüstet werden
stimmungsvoller Irish Folk-Soundtrack
zahlreiche taktische Möglichkeiten führen zum Ziel
interessante Story
stete Herausforderung und Überraschung
zwei spielbare Figuren

Kontra

spröde Kulisse
schwache (englische) Sprachausgabe
sterile Präsentation
oberflächlicher Nahkampf
mitunter schwache vorhersehbare KI

Wertung

PC

Spielerisch hochinteressanter Mix aus Echtzeit-Action und strategischer Planung. Leider kann die Präsentation nicht mit den inneren Werten mithalten.

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