Adventure Park22.11.2013, Mathias Oertel
Adventure Park

Im Test:

Erinnert sich noch jemand an Theme Park oder die fantastische Rollercoaster-Tycoon-Serie? Die Wirtschaftssimulationen mit dem Anstrich eines Vergnügungspark scheinen ausgestorben zu sein. Doch vielleicht kann bitComposers Adventure Park (ab 29,99€ bei kaufen) diese Tradition wieder aufleben lassen? Die Antwort gibt es im Test!

Die gute alte Zeit

Warteschlangen-Planung. Preisgestaltung. Achterbahnbau. Dekorations-Architektur. Das Johlen und Schreien von Gästen. Die Pfützen an Erbrochenem, über die sich die Reinigungskräfte "freuen" und an denen sich zeigt, dass die Fahrgäste entweder ihren Magen über- oder die von mir geplanten G-Kräfte unterschätzt haben. Die Faszination, immer wildere Fahrten zu planen, zu testen und in die Tat umzusetzen... Das ist alles lange her. Seit Rollercoaster Tycoon 3 (immerhin vor fast vier Jahren), zu dem ich auch heute noch immer wieder gerne für ein oder zwei unterhaltsame Stündchen zurückkehre, gibt es zwar viele Tierparks, aber eine erschreckende Dürre an Freizeitparks für Manager.

In diese Bresche möchte bitComposer mit Adventure Park springen. Und an der Oberfläche scheint das Vorhaben auch zu gelingen. Bereits beim ersten Tutorial innerhalb der Standard-Kampagne springt der Wuselfaktor ins Auge: Sobald der Park geöffnet ist, strömen die Zuschauer hinein, folgen den Wegen, nutzen die Möglichkeiten, sich zu verköstigen und stellen sich an den Fahrgeschäften an. Man kann relativ dicht heranzoomen, so dass man die verschiedenen Gebietsoptionen wie Wüste oder Grasland betrachten kann. Doch eines hat man beim Entwicklerteam B-Alive (Wildlife Park) übersehen: Optimierung. Dafür, dass die Gebiete letztlich vergleichsweise klein sind und die Kulisse jetzt auch nicht "Ich bin die nächste Generation" schreit, bleibt die Bildrate erstaunlich uneinheitlich.

Manager gefragt?

Der Wuselfaktor ist akzeptabel, die Hardware-Anforderungen nicht so sehr...
Der Wuselfaktor ist akzeptabel, die Hardware-Anforderungen nicht so sehr...
Im Wesentlichen hält man an den Mechaniken fest, die auch in den Klassikern funktioniert haben: Man kann Preise für die einzelnen Attraktionen, bei Kiosken sogar für einzelne Getränke, Speisen etc. festlegen. Man muss darauf achten, das man nicht nur Fahrgeschäfte, sondern auch ein ordentliches Wegsystem baut, damit die Parkgäste ja alles sehen und dabei so viel Geld ausgeben wie möglich. Man muss Personal einstellen, dass sich um die Reinhaltung des Parks, die Versorgung der Pflanzen oder  die Instandhaltung der Fahrgeschäfte kümmert und darf sogar ihren Arbeitsbereich vergrößern, um Kosten zu sparen. Man kann nicht nur in einer Übersicht sehen, wie die Gäste über den Park denken, sondern jeden einzeln herauspicken und anhand seiner Gedanken erkennen, wo man sein Vergnügungsareal verbessern kann - sei es nun doch das Platzieren zusätzlicher Deko-Gegenstände oder durch neue Pflanzen.  

Gerade bei den Preisen ist es ein Leichtes, die Gäste bis zum Erträglichen zu schröpfen und seine Gewinne zu maximieren, da man beim Fahrgeschäft bzw. dem Kiosk in der Übersicht nahezu umgehend Feedback bekommt, wie die Preise angenommen werden.

An der Oberfläche funktioniert dies alles gut, so dass man motiviert versucht, einen bestmöglichen Finanzkompromiss zu finden, bei dem man sowohl die Gäste als auch das Bankkonto zufrieden stellt, während man die kaum fordernden Aufgaben der Kampagne in Angriff nimmt.

Logik-Probleme

Doch wenn man in die Tiefe geht, geht Adventure Park schnell die Luft aus. Mit gerade mal knapp über 20 Fahrgeschäften hat man schnell alles gesehen – vor allem, wenn man ein freies Spiel ohne Geldbegrenzung und allen Freischaltungen startet.

Der Achterbahnbau sowie die Fahrten gehorchen keinen physikalischen Gesetzen.
Der Achterbahnbau sowie die Fahrten gehorchen keinen physikalischen Gesetzen.
Ansonsten muss man sich die in fünf Kategorien eingeteilten Attraktion, Pflanzen, Dekogegenstände usw. erst dadurch verdienen, dass man seinen Park in die nächste Beliebtheitsstufe bugsiert – was nur über die Zufriedenheit der Gäste gelingt. Forschung oder Ähnliches gibt es nicht. Das wäre jetzt auch kein Beinbruch, wenn die Parkbesucher zum einen ordentliches Feedback abgeben würden und sich zum anderen vernünftig (im Sinne von logisch) verhalten würden.

Dass sie z.B. bei der Preisgestaltung unterschiedlicher Meinung sind und die Preise mal für angemessen (Besucher A), dann wieder für zu billig (Besucher B) oder zu teuer (Besucher C) erachten, kann ich verstehen. Dass es aber starke Diskrepanzen bei der Dichte oder Verfügbarkeit von Ständen, Papierkörben oder Toiletten gibt, verwirrt eher als dass es hilft. Doch im Zweifelsfall kann und sollte man hier nach Bauchgefühl vorgehen und nur noch punktuell eingreifen. Schlimmer wird es jedoch, wenn die Besucher konkrete Bedürfnisse wie Essen, Toilette oder den Wunsch nach mehr oder schnelleren Fahrgeschäften haben und sie von sich aus partout nicht in der Lage sind, diesem Wunsch zu folgen. Wenn ich in einem Vergnügungspark bin und das Gefühl habe, mehr Spannung und Adrenalin zu benötigen, mache ich mich auf den Weg zur nächsten Achterbahn. Im Adventure Park laufen die Gäste schnurstracks an allen Fahrgeschäften vorbei und setzen sich im schlimmsten Fall auf ein Schaukelpferd - nur um sich danach wieder zu beschweren, dass sie mehr Adrenalin benötigen. Auch hungrige Parkbesucher stoppen nicht an den "Ess-Stationen". Solche Logikfehler passieren allerorten und werden spätestens dann fatal, wenn in der Kampagne eine bestimmte Anzahl an Gästen verköstigt werden muss und alle Wege zum "Food Court" führen…

Achterbahnbau für Anfänger

Die thematisch gegliederte Auswahl an Attraktionen ist überschaubar.
Die thematisch gegliederte Auswahl an Attraktionen ist überschaubar.
Dass man es den virtuellen Park-Managern nicht allzu schwer machen möchte, wenn es um den Achterbahnbau geht, ist löblich. Dass man derart oberflächlich an diese Thematik herangeht und eine im Bestfall rudimentäre Physik einbaut, ist schade und reduziert den Ausbau der ohnehin wenigen frei gestaltbaren Fahrgeschäfte zu einem lahmen Puzzlespielchen. Es gibt keine Loopings, keine Schrauben, Steigungen und Kurven werden je nachdem semiautomatisch angelegt, wie man die Maus bewegt. Einzig beim Verbinden der Start und Endpunkte muss man ein bisschen aufpassen, den Rest der Zeit wird man an die Hand genommen. Die Ergebnisse sind dabei zwar größtenteils nett anzuschauen, aber nicht immer funktional und mitunter einfach unmöglich – so etwa, wenn eine Holzachterbahn auf einer Fläche von etwa drei bis fünf Metern eine waschechte 90-Grad-Kurve macht.

Da man darüber hinaus nie ein Gefühl dafür bekommt, wie man die Fahrt so modifizieren kann, dass die gelegentlich zu erfüllenden Anforderungen wie z.B. auf die Fahrenden einwirkenden G-Kräfte maximiert werden, nimmt die Experimentierfreude schnell ab. Mal rauscht die Lorenbahn wie ein Blitz in die Tiefe, dann wiederum scheint sie nur gebremst die Abfahrt zu nehmen. Wieso? Keine Ahnung. Ist mir auch egal. Ich hab gerade wieder Rollercoaster Tycoon 3 gestartet, das Adventure Park vergeblich zu kopieren versucht.

Fazit

Adventure Park ist ein gut gemeinter Versuch, den Esprit der Klassiker Theme Park oder Rollercoaster Tycoon wieder aufleben zu lassen. Doch letztlich bleibt es beim Versuch. Etwas mehr als 20 Fahrgeschäften sind wenig, die Hardware-Anforderungen sind trotz des gelungenen Wuselfaktors und zahlreicher Details in der höchsten Zoomstufe zu hoch in Relation zum Abgebildeten. Doch das wäre sogar noch verschmerzbar, wenn es nicht immer wieder kleine und mittlere Stolpersteine wie unlogisches Verhalten der Gäste gäbe, die sich z.B. darüber beklagen, aufs Klo zu müssen, dann aber immer wieder an den zahlreichen Gelegenheiten vorbei latschen. Das Feedback der Park-Besucher (immerhin der Schlüssel zum Freischalten neuer Elemente) ist widersprüchlich, mitunter weiß man nicht mehr, was man machen soll. Im Gegensatz dazu hat man die passabel funktionierende Wirtschaft schnell durchschaut. Der Achterbahnbau ist zwar einfach, aber unrealistisch und verzichtet sowohl auf den Einsatz von Loopings oder Schrauben als auch Physik im Allgemeinen. Kurzzeitig ganz unterhaltsam, ist Adventure Park vor allem für eines gut: Einen zu motivieren, Rollercoaster Tycoon 3 entweder aus dem Archiv zu kramen oder es sich irgendwo gebraucht zu kaufen.

Pro

nette Wuselkulisse...
Wirtschaftskreisläufe funktionieren...
einfacher Bau von Bahnen
Parkgäste mit Bedürfnissen...
freier Spielmodus

Kontra

... die aber vergleichsweise hohe Hardware-Anforderungen stellt
... sind aber leicht zu durchschauen
wenige Fahrgeschäfte zur Auswahl (nur knapp über 20)
... denen sie aber mitunter nicht selbsttätig nachkommen
oberflächliches Personalmanagement
keine Forschung
Karten mitunter sehr klein
widersprüchliches Feedback
langweilige Kampagne
Achterbahnen ohne Schrauben oder Loopings, nicht physikbasiert
wenige Komfortfunktionen

Wertung

PC

Frei baubare Achterbahnen machen noch keinen erfolgreichen Rollercoaster-Tycoon-Nachahmer. Hinsichtlich Parkgast-Logik, Benutzerführung und Tiefgang trennen Adventure Park Welten vom offensichtlichen Vorbild.

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