Die Sims 405.09.2014, Mathias Oertel
Die Sims 4

Im Test: Grosse Emotionen, grosses Spiel?

Seit dem Jahr 2000 sind die Sims eine feste Größe in der Spielwelt und für Electronic Arts ein Einnahmegarant. Fünf Jahre und gut 20 Erweiterungen nach Die Sims 3 ist der vierte Teil erhältlich. Doch es gab bei den Fans nicht nur Vorfreude, sondern auch heftige Diskussionen darüber, welche Elemente fehlen. Können diese Verluste durch die neue Emotionen aufgefangen werden? Mehr dazu im ersten Teil des Tests zu Die Sims 4 (ab 3,99€ bei kaufen).

Erfolgsmodell

Muss man nach fast 15 Jahren Sims und Millionen verkaufter Spiele noch über das Spielprinzip sprechen, dessen erste zwei Teile von Design-Legende Will Wright betreut wurden? Die Mischung aus komplexem Zeitmanagement, sozialer Kontaktpflege und überzogener Lebenssimulation  im Stile einer Sitcom ist für viele zwar der Inbegriff des Gelegenheitsspiels. Doch man kann ebenso gut hunderte von Stunden in den virtuellen Welten verbringen und versuchen, seine Sims an die Grenzen der physischen und psychischen Belastbarkeit zu bringen. Nur um sie dann darüber zu stoßen, um neugierig zu beobachten, was passiert.  Und das alles, obwohl man die Figuren am PC nie direkt steuert, sondern ihnen nur Interaktionsanweisungen gibt. Zusätzlich kann man sich als Figurendesigner betätigen und versucht z.B. Berühmtheiten nachzubilden - wodurch die absurden Situationen noch komischer werden. Und wer will, nutzt den umfangreichen Baukasten, um seine architektonischen Träume wahr werden zu lassen.

Mit allen Erweiterungen, die es für Die Sims 3 gab, sind die Optionen enorm, die einem zur Verfügung stehen, um seine bzw. die Freizeit der Sims zu füllen. Und genau hier setzte der Sturm der Entrüstung der Fans an, als nach und nach durchsickerte, dass bestimmte Elemente, an die man sich im Laufe der letzten fünf Jahre gewöhnt hatte, nicht mehr integriert seien. Im Wesentlichen werde ich mich bei Vergleichen, fehlenden Elementen auf das Ur-Die-Sims-3 in der aktuellen Patch-Version, aber ohne jegliche Erweiterungen stützen. Und schon zum Start fallen ein paar Unterschiede sowohl im Figuren-Editor  als auch im Hausbau sowie den Einrichtungsoptionen auf.

Mein Sim

Der Figuren-Editor ist mächtig, bei der Gestaltung der Kleidung wird das Farbrad allerdings schmerzlich vermisst...

An der grundsätzlichen Mechanik und Vorgehensweise hat sich auch in Die Sims 4 nichts geändert: Man steuert den Charakter immer noch nicht direkt, sondern hat nur Einfluss auf seine Interaktionen. Doch bevor man die Figur(en) manipuliert, steht die Erstellung der Sims auf dem Programm. Es gibt zwar auch Haushalte mit einer bis fünf Personen, die man übernehmen kann. Doch die emotionale Anbindung an die Darsteller und ihre Schicksale ist ungleich höher, wenn man sich um Eigenkreationen kümmert.  Und der Editor hat es in sich: Zwar kann man hier keine Kleinkinder mehr erstellen, doch ansonsten lässt er kaum Wünsche offen. Hinsichtlich der Genealogie kann man z.B. nicht nur die Kinder basierend auf den visuellen Eigenschaften der Eltern „auswürfeln“. Zusätzlich kann man den Familienstammbaum sowohl in die Seite als auch nach unten ausfüllen, indem man Geschwister für Erwachsene oder deren Eltern erstellt. Und das alles mit durchaus überzeugenden Ergebnissen. Wer nicht auf die zufällig generierten Figuren zurückgreifen oder sie nur als Basis für seine Fantasie nutzen möchte, hat mit dem komplett überarbeiteten Editor alle Mittel in der Hand.

Auch gigantische Villen lassen sich mit dem Gebäude-Baukasten komfortabel erstellen oder modifizieren.

Im Detail wurden die Schieberegler des Vorgängers durch eine direkte Manipulation ersetzt. Man klickt das entsprechende Körperteil einfach an und kann nun ziehen, rücken und schieben, bis alles so aussieht, wie man es sich wünscht. Die Ergebnisse, die man damit erzielen kann,  sind beeindruckend. Doch bis man z.B. eine virtuelle Angelina Jolie oder einen sims’schen Robert Downey Jr. erstellt hat, ist Geduld angesagt - die Detailarbeit ist enorm frickelig. Wer die schnellere Erstellung bevorzugt, findet hier mehr Versatzstücke als im Vorgänger. So wurde die Anzahl an "fertigen" Augen-Optionen von 15 auf 36 hochgeschraubt, die möglichen Farben von acht auf 14. Münder wurden von 17 auf 27 aufgestockt, Nasen von 24 auf 21 leicht reduziert - was jedoch durch die aufgewertete Modifikation locker aufgefangen wird. Bei der zur Verfügung stehenden Kleidung bietet man nominell ebenfalls mehr. Hosen für männliche Figuren (als junge Erwachsene) gibt es z.B. 20 statt zwölf, fertige Outfits für Frauen in der gleichen Altersgrippe wurden von zehn auf beinahe 40 aufgestockt. Zusätzlich gibt es für nahezu alles eine breit gefächerte Auswahl an Design-Optionen, die ebenfalls die des puren dritten Teiles übersteigen. Allerdings gibt es keine Möglichkeit mehr, seine eigenen Farbkreationen zu erstellen. Das Farbrad als Modifikator ist weit und breit nicht zu sehen - sehr schade. Denn auch wenn es sehr viele Klamotten gibt, fehlen mir diese zusätzlichen Optionen. Zumal dadurch auch der Fokus auf Community, die bereits sehr aktiv ist, etwas entwertet wird.

Mein Haus

Hat man seine Figur(en) erstellt, geht es an den Hausbau. Und hier übertrifft sich Maxis - auch wenn der Bau von Swimming Pools im Garten derzeit nicht möglich ist und wohl in einem der ersten unvermeidlichen Add-Ons nachgereicht wird. Mich zumindest hat dieses Manko nur in der ersten halben Stunde gestört. Denn beim Rest geht man in die Vollen: Der Hausbau ist nicht nur einfacher und intuitiver. Man hat deutlich mehr Versatzstücke zur Verfügung als in Teil 3. Türen gibt es nun z.B. über 40 statt 18, wobei zusätzliche Varianten durch die Option angeboten werden, unterschiedliche Höhen zu setzen. Fenster wurden von knapp 30 auf beinahe 50 erweitert, und bieten ebenfalls die Option, unterschiedliche Höhen zu setzen, um an die Türen angeglichen zu werden. Bei Farbmustern etc. gibt es ebenfalls mehr Auswahl, so dass man auch beim Design der Innenräume (Teppiche, Tapeten, Mauerwerk) noch kreativer zu Werke gehen kann - meint man. Denn auch hier macht sich das Fehlen eines Farbrades zur wirklich individuellen Gestaltung bemerkbar, dass dem potenten Haus-Baukasten die Krone aufgesetzt hätte.

Die Community ist bereits sehr aktiv und bietet zahlreiche Gebäude, Zimmer und Sims zum kostenlosen Download an.

Wer übrigens nicht selbsttätig Wände ziehen, Tapeten auswählen und möblieren möchte (das Geld ist zum Start mit 20.000 Simoleons immer noch sehr knapp), findet hier als neues Element die Möglichkeit, fertig designte und eingerichtete Zimmer zu platzieren. Und wenn einem die Farbkombinationen nicht zusagen, kann man diese aus dem vorhandenen Pool ersetzen, aber wiederum nicht selber gestalten. So hat man im Handumdrehen ein erstes Traumhaus erstellt und kann einziehen. In dem Zusammenhang sei nochmals die Community erwähnt, die bereits haufenweise Sims, Zimmer und Häuser erstellt und zur Benutzung in der komfortabel aus dem Spiel erreichbaren Tauschbörse freigegeben haben – auch wenn die berühmt-berüchtigten Celebrities noch fehlen. Und das alles bislang kostenlos. Denn im Vergleich zum Vorgänger, wo einem an allen Ecken und Enden eine Einbindung in den Sims-3-Store zu Mikro-Transaktionen auffordert, ist dieses „Feature“ hier nicht integriert – noch nicht vermutlich. Doch ich hoffe, dass dies zu einem Dauerzustand wird. Denn in dieser Form lasse ich mich gerne auf neue Inhalte ein. Allerdings ist in diesem Zusammenhang abermals bedauerlich, dass man Mobiliar nicht mit neuen Texturen oder Farben versehen kann, wie es bislang der Fall war. Auch hier bleibt nur die Hoffnung, dass diese Möglichkeit nachgerüstet wird. Doch auch ohne diese letzte innenarchitektonische Individualiserung kann man bereits Stunden mit den beiden Editoren verbringen.

Add-On mit Emotionen?

Die neuen Emotionen führen in erster Linie zu erweiterten Interaktions-Optionen.

Natürlich besteht das Sims-Erlebnis nicht nur aus den Editoren und zur Verfügung stehenden Baukästen. Denn auch der Interaktions-Simulator und Seifenoper- bzw. Sitcom-Generator wurden an vielen Stellen überarbeitet. Nur man merkt es in der Anfangsphase kaum. Im Wesentlichen fühlt sich Die Sims 4 an wie sein Vorgänger. Sicher: Im direkten Vergleich kann man den Fortschritt hinsichtlich visueller Details, harmonischeren Übergängen der einzelnen Animationsphasen und vor allem in der Mimik sehen. Letztere gewinnt auch dadurch an Bedeutung, dass die aktuellen Sims mit einer neuen Emotions-Logik ausgestattet wurden, die das Spiel maßgeblich beeinflussen soll. Je nachdem wie die Umwelt mit ihnen umgeht und welche Grundeigenschaften und Bedürfnisse die Sims verfolgen, sind die Gefühle nicht nur abzulesen, sondern verändern die Stimmung nachhaltig. Je nachdem, ob ein Sim z.B. traurig, beschämt, kokett, glücklich oder "nur" okay ist, verändern sich die Interaktionen, die einem zur Verfügung stehen und versprechen besonders viel (Miss-)Erfolg. Je nachdem, welchen der Berufswege und vor allem welchem Hauptbedürfnis (ersetzt die Lebenswünsche aus Sims 3) man verfolgt, sind bestimmte Emotionsgrundlagen Voraussetzung für die Erfüllung gewisser Zwischenziele.

Obwohl diese Ergänzung der bewährten Mechaniken viel Potenzial beinhaltet und in tieferen Ebenen der sozialen Interaktion für noch überraschendere Ergebnisse sorgen kann, führt dies aber nicht zu einem erweiterten Spielgefühl, wie es noch beim Wechsel von Teil 2 zu Teil 3 der Fall war, als spontane kurzfristige Bedürfnisse eingeführt wurden. Die gibt es auch hier und sie tragen im Idealfall zu einem Wechsel der Emotionsphasen bei. Und sie sorgen für einen Zuwachs an Bonuspunkten, die man wiederum in Tränke mit sofortigem Effekt z.B. bei Hygiene etc. oder Merkmale investieren kann - beides Varianten des Bonus-Shops aus Sims 3.

Verbesserte Autonomie und Multitasking

Die Selbstversorgung der Grundbedürfnisse ist in Die Sims 4 besser als in den Vorgängern. Man kann sich auch gemütlich zurücklehnen und nur zuschauen.

Immerhin: Dank Multitasking (endlich können die Sims in bestimmten Situationen zwei Dinge gleichzeitig erledigen) sowie einer optimierten Selbstständigkeit der Sims ist die Freude beim Zuschauen größer als zuvor. Zusätzlich wurden die Abkühlzeiten der Grundbedürfnisse (Schlaf, Toilette, Hygiene, Hunger) angepasst. Das Ergebnis: Man hat weniger mit Zeitmanagement zu tun, sondern kann sich um die Gefühlslagen der Sims kümmern. Bei all der Autonomie zeigt Maxis aber einen Hang zur heilen Welt, den das Spiel gar nicht nötig hat. Selbst wenn Figuren mit extrem konträren Grundmerkmalen (z.B. böse, gut oder Einzelgänger, gesellig) aufeinandertreffen, knallt es in den ersten Stunden zu selten, wenn man sich nur auf die KI verlässt. Um die absurden Momente zu erleben, die den Vorgänger so sehr zu einem Zuschau-Vergnügen machen, muss man in den meisten Fällen wie dort selber die Initiative ergreifen und die NPC-Sims triezen, was das Zeug hält. Dann jedoch sorgen die Ergebnisse für den Spaß, den Fans mit der Serie assoziieren. Die Grimassen sind noch extremer, die Gestik noch ausufernder, das Sitcom-/Seifenoper-Gefühl wird verstärkt.

Allerdings gibt es nur noch selten überraschende Wow-Momente wie in den anderen Teilen - vieles wirkt bekannt, selbst wenn sich in Nuancen und Details immer wieder positive Änderungen finden. Doch weil die bewährte Formel nur wenig Staub angesetzt hat und die Dramödien mich auch nach hunderten Stunden Sims 3 (inkl. Add-Ons) immer noch zum Schmunzeln und teils sogar zum lauten Lachen bringen. Auch wenn die offene Welt samt dafür benötigten Fahzeugen mittlerweile kleinen Modulen gewichen ist und dadurch immer wieder Ladephasen entstehen, wenn man z.B. von seinem Haus ins Museum, den Park oder die Bar wechselt.

KI-Schwierigkeiten und visuelle Probleme

Zusätzlich gibt es immer noch Probleme, die die Serie seit Teil 1 mit sich herumschleppt und die Maxis partout nicht in den Griff zu bekommen scheint. Die Wegfindung der Figuren ist mitunter grausig. Da es keine Geschirrspüler mehr gibt, ist nun Abwaschen von Hand angesagt - per se kein Problem. Wenn nun aber der Herr des Hauses nicht die freie Spüle in der Küche benutzt, sondern ins Bad im dritten Stock watschelt, vergeht im Spiel quasi eine halbe Ewigkeit, die besser genutzt werden könnte. Auch die KI bei bestimmten Aktionen reißt einen immer wieder aus der ansonsten sorgsam aufgebauten Atmosphäre raus. Wenn die ergrauten Eltern unsanft vom Tod aus dem Leben gerissen werden und die hochschwangere Tochter dies im "autonomen" Modus ohne eine Gefühlsregung mit ansieht, frage ich mich, welches Skript hier fehlgeschlagen ist. Da ist es nur ein kleiner Trost, dass ich mit ihr kurz darauf ein Gespräch mit dem vor der Hifi-Anlage tanzenden Sensenmann anfange und er ihr sogar die Finger auf den Bauch legt und Witze macht. Leider (?) verlief die Geburt trotz dieser Intervention normal, es wurden sogar Drillinge und leider habe ich es bislang nicht geschafft, die grafischen "Glitches" der im Interweb als "Dämonenbabies" bezeichneten Kleinkinder zu Gesicht zu bekommen.

Die Kulisse hat im Vergleich zum Vorgänger einen deutlichen Schritt nach vorne gemacht, zeigt aber auch fiese Clippings und hässliche Levelgrenzen.

Dafür jedoch kann man über die "freie Flugkamera" (zu erreichen über die Tab-Taste) einige hässliche Momente erleben. So etwa, wenn man sich von den schön gestalteten, aber kleinen Nachbarschaften etwas verabschiedet und sich an den Rand der Karte bewegt. Dann nämlich stellt man fest, dass irgendwann keine dreidimensionalen Polygonstrukturen mehr, sondern simple 2D-Bitmaps die Gebiete abzugrenzen versuchen. In manchen Bereichen kann man sogar unter die Level-Geometrie schauen. Einerseits könnte man zwar sagen, dass dies durchaus als Unterstützung des Theater-Aspektes gesehen werden könnte - mich hat es allerdings aus der Spielwelt gerissen.

Zu wenig?

Dass man hinsichtlich der ausgeübten Berufe ebenfalls einen Rückschritt auf den Ur-Status von Sims 3 gemacht hat, ist bedauerlich. In Haushalten mit mehreren Personen, idealerweise mit unterschiedlichen Tagesrhythmen, fällt dies zwar kaum ins Gewicht. Doch in einer Single-Wohnung ist man dazu verdammt, wie im unerweiterten Sims 3 den unattraktiven Schnellvorlauf über sich ergehen lassen zu müssen und nur in Ausnahmesituationen eine Entscheidung basierend auf Texteinblendungen treffen zu dürfen. Warum hat man hier nicht wie im Add-On Traum-Karrieren die Option, mit auf die Arbeit zu gehen? Oder wie in den Sims-Spielen der vorletzten Konsolengeneration über Minispiele aktiv Einfluss zu nehmen? Hier hat Maxis wieder einmal eine große Chance liegen lassen.

Soziale Kontakte zu knüpfen ist leicht.

Überhaupt hätte ich mir gewünscht, dass das Team sich nicht wieder auf den Punkt Null begeben, sondern positives Feedback und Erfahrungen mit den zu Teil 3 erschienenen Add-Ons eingebaut hätte. Neben der Begleitung an den Arbeitsplatz hätten z.B. Jahreszeiten den neuen Sims gut zu Gesicht gestanden - auch um sich vom ähnlich spartanischen Vorgänger stärker abzugrenzen. Das versucht man jedoch, über Verfeinerungen und Erleichterungen hinsichtlich der Benutzerführung zu erreichen. Ob sich dies nachhaltig auf das Spielgefühl auswirkt, werden wir im zweiten Teil des Tests klären. Dann werden wir uns auch intensiver mit der Langzeitmotivation, den Auswirkungen der modularen Nachbarschaften im Vergleich zur offenen Welt des Vorgängers und anderen wertungsrelevanten Aspekten befassen. Und natürlich mit der Frage, ob die neuen Emotionen wirklich ausreichen, um Stillstand oder Rückschritt in anderen Bereichen zu kompensieren.

Test, Teil 2 - Update 09.09.2014

Mittlerweile stehen über 30 Stunden auf dem Zeitkonto. Die Sims sind aufgewachsen, haben Beziehungen geknüpft, sind Eltern geworden und haben mit dem Sensenmann nicht nur Freundschaft geschlossen, sondern sind ihm auf die letzte Reise gefolgt. Sie haben gelacht, geweint, getrauert, sich gefreut, gestritten oder ihre Paranoias ebenso ausgelebt wie ihre Träume. Ja, ich habe meinen Spaß mit den Sims - auch im vierten Aufguss. Der Aquariumeffekt lockt ebenso wie das immergrüne Spielprinzip, das seine Wurzeln allerdings schon fast 15 Jahre in der Vergangenheit hat. Es bereitet mir nach wie vor viel Vergnügen, die virtuellen Darsteller dieser Seifenoper/Situationskomödie einfach nur zu beobachten und sich über ihre Missgeschicke zu amüsieren. Noch mehr Vergnügen bereitet es allerdings, sie in Schlamassel zu führen und ihre Physis sowie psychische Stärke auf die Probe zu stellen. Nur: Das hat der Vorgänger auch schon fast zur Perfektion getrieben. Und angesichts der hohen Qualität, die sich seit Jahren trotz obligatorischer Bugs durch die Serie zieht, ärgere ich mich über einige Designentscheidungen - vor allem, da sie zu stark nach Add-On-Politik schmecken.

Die offene Welt des Vorgängers ist einem modularen Prinzip gewichen, das zwar mehr Sims auf einem Grundstück ermöglicht, aber auch Ladezeiten mit sich bringt.

Dass man keine Autos mehr hat, ist angesichts des Wegfalls der offenen Welt zwangsläufig. Dass es keine Bademoden mehr gibt, ergibt Sinn, da auch die Pools nicht mehr da sind. Und während die offene Welt sicherlich nicht durch Erweiterungen ohne Weiteres "nachgepatcht" werden kann, bin ich fast sicher, dass die Schwimmbäder irgendwann wieder kommen. Wobei mich beide Elemente gar nicht so sehr stören. Ganz im Gegensatz zu den reduzierten Interaktionsmöglichkeiten mit dem Nachwuchs, der fehlenden Kleinkindphase und dem "Morphen" der Säuglinge ins schulfähige Alter per Knopfdruck. Das ist falsch und stört die Atmosphäre in entscheidenden Momenten erheblich. Und darüber können auch die zahlenmäßig aufgestockten Einrichtungsgegenstände, die erweiterte Kleidungsauswahl oder die zahlreichen kleinen Features, die der Vorgänger nicht vom Start weg bot, hinweg trösten.

Sicherheitsrisiko?

Freundschaft mit dem Sensenmann? Eine der zahlreichen kleinen Geschichten, die in Sims 4 geschrieben werden kann...

Doch nochmal zurück zur offenen Welt aus Die Sims 3: Auch diese vermisse ich  nur eingeschränkt. Ja, sie war sehr gut geeignet, um schnell und unproblematisch soziale Kontakte zu knüpfen – und sie wurde vor allem mit den Erweiterungen gut ausgenutzt. Aber man darf auch nicht vergessen, dass von den gut 60 Grundstücken, die im Sunset Valley der Urfassung vorhanden waren, viele für Job-Aktionen und nicht-interaktive Besichtigungen genutzt wurden und daher auch nur Staffage waren. Ja: Sie haben einen Sandkasten suggeriert, aber letztlich hat man kaum mehr Möglichkeiten gehabt als hier – zumal man mittlerweile nahezu alles, was irgendwie mit Fähigkeiten etc. zu tun hat, auch in den eigenen vier Wänden erledigen kann, was nicht nur dem Sim, sondern auch dem Spieler vor dem Schirm Zeit und Stress erspart. Das bedeutet jedoch nicht, dass der jetzt eingeschlagene Weg durchweg positiv ist. Zwar können deutlich mehr Sims auf einem Grundstück abhängen und größtenteils konsequent sowie mit logischen Folgen miteinander agieren – wobei auch hier das Emotions-System überzeugende Ergebnisse abliefert. Doch die Reduzierung auf kleine Gebiete mit maximal fünf zu besuchenden Grundstücken geht mindestens zwei Schritte zu weit.

Insgesamt kommt man hier verteilt auf zwei kleine Gemeinden zwar auch auf etwa 40 Grundstücke, die man ggf. nach eigenen Wünschen verändern oder mit Community-Kreationen und –Sims bestücken darf. Doch die Ladezeiten, die einen beim Wechsel des Gebiets erwarten, sind auf Dauer nervtötend. Hier wäre sicherlich ein anderer Kompromiss aus Gebietsgröße und möglicher Figuren-Anzahl möglich gewesen. Überhaupt scheint Maxis nicht auf übermäßigen Fortschritt aus gewesen zu sein – immer mit dem Erweiterungs-Schema im Hinterkopf, das sowohl bei Sims 2 als auch bei Sims 3 bis zum Letzten ausgereizt wurde.

Damit möchte ich die Leistung und die Auswirkungen der Emotionen nicht schmälern. Und auch die vielen Erleichterungen bei der Benutzerführung oder den unproblematischen Ausbau sowie die Modifikation von Immobilien sind Leistungen, die das Spielerlebnis aufwerten. Doch wenn es um das reine Spielgefühl geht, schafft es Die Sims 4 nicht, sich komplett vom Stigma der halbherzigen, risikofreien Fortsetzung zu lösen. Man ist zwar insgesamt nicht so dicht am "Update zum Vollpreis" wie die Madden-Serie der letzten Jahre - heuer ist vor allem auf Next-Gen endlich ein Fortschritt zu spüren. Doch was in den gesammelten Sims-3-Erweiterungen positiv von den Fans aufgenommen wurde, hätte durchaus in der einen oder anderen Form direkt ins Hauptspiel einfließen und nicht als Planungsmaßstab für die Add-Ons der nächsten Jahre übernommen werden können. Wo sind z.B. Tiere? Und eine Uni hätte zum Start ebenso zur Verfügung stehen können.

Moderne Familie

Obwohl und vielleicht auch gerade weil sich die Änderungen hinsichtlich des Spielgefühls in Grenzen halten, bereue ich nur wenig der Zeit, die ich bislang in Sims 4 investiert habe. Man kann auch ohne die fehlenden Features und Mechaniken viel Spaß haben und in die Welt abtauchen. Man kann mit seinen Sims leiden, sich mit ihnen freuen - und natürlich versuchen,

Je nach Emotion gibt es neue Aktionen, die sich mitunter nachhaltig auswirken können. Dennoch fühlt sich Die Sims 4 zu häufig wie der Vorgänger an.

ihnen Steine in den Weg zu werfen, um zu sehen, wie die verbesserte Autonomie sie zu umschiffen versucht. Allerdings trifft man dabei auch immer wieder Probleme, die Maxis seit dem ersten Teil erfolglos abzustreifen versucht. Wenn ein Bekannter z.B. zu Besuch kommen möchte und eine geschlagene Stunde im Spiel vor der Tür wartet, während der Sim auf der Arbeit ist (Zeitraffer hin oder her), zerstört dies die Illusion. Zudem verlieren die Figuren ausgerechnet in den kritischen letzten Momenten bei der Erfüllung von Grundbedürfnissen ihre Selbstständigkeit. Obwohl der Hunger noch nicht so ausgeprägt ist wie z.B. der Wunsch nach Schlaf oder die Benutzung der Toilette, kümmert sich die Figur häufig erst einmal um die Nahrungsaufnahme oder bricht ein Gespräch nicht rechtzeitig ab -  ungeachtet der möglichen Charakterzüge, die man bei der Erstellung festgelegt hat. Dass die Auswirkungen der Bedürfnis-Vernachlässigung stets humoristische Züge tragen, kann die in diesen Momenten unzureichend arbeitende KI nur mäßig kompensieren. Denn spätestens, wenn man die Geschicke einer Großfamilie oder WG leitet, ist man an irgendeinem Punkt darauf angewiesen, dass die Selbstbestimmung besser funktioniert - obwohl man Maxis zu Gute halten muss, dass die Sims sich im Vergleich zum Vorgänger in dieser Hinsicht deutlich verbessert präsentieren.

Auch ein storybasierter Modus, bei dem man zusätzlich zu den ohnehin erforderlichen Bedürfnissen noch bestimmte Aufgaben erledigen muss (ggf. unter Zeitdruck), würde den Sims nach fast 15 Jahren gut tun. Damit würde sich nicht nur eine neue DLC- bzw. Add-On-Politik ergeben, sondern als Spieler bekäme man zusätzlich zum bewährten Sandkasten-Spiel auch übergeordnete Vorgaben, die das Anforderungsprofil neu definieren.

Fazit

Maxis stand vor der Aufgabe, mit den neuen Sims quasi fünf Jahre und über 20 Erweiterungen zu Sims 3 zu übertrumpfen. Doch selbst wenn man "nur" die gepatchte, seinerzeit am Platin-Award kratzende Ur-Version (ohne jegliche Add-Ons) des Vorgängers mit Die Sims 4 vergleicht, kann der Abstecher in das virtuelle Alltagsleben nicht so stark mitreißen wie noch vor fünf Jahren. Dazu sind die mechanischen Unterschiede an der Oberfläche zu gering, die Überraschungsmomente zu selten. Maxis bleibt auf der sicheren, risikofreien Seite - auch wenn vor allem der Gebäude-Editor mächtiger ist als je zuvor und die Erstellung der Sims bis auf mehr Farbvariationen kaum Wünsche offen lässt. Zudem sorgt der Ärger über weg gelassene Features (Kleinkinder, Pools, offene Welt) dafür, dass die inhaltlichen Fortschritte oder Eigenschaften, in denen Die Sims 4 seinem Vorgänger voraus ist, beinahe in Vergessenheit geraten. Doch es sind vor allem diese durch Emotionen erweiterten und durch aufgewertete Kulisse unterstützten Interaktionen, die mich wie schon bei den Teilen zuvor immer wieder gerne für ein halbes Stündchen an den Bildschirm ziehen, um die Sitcom zu dirigieren. Die Situationen sind witzig, dramatisch, immer ein wenig übertrieben und auch für unbeteiligte Zuschauer interessant - insofern nicht wieder ein Clipping-Problem oder KI-Fehler die aufgebaute Atmosphäre zerstört. Allerdings wirken sie auch häufig nur wie ein angehübschtes Sims 3. Denn richtig in Fahrt kommen wird Die Sims 4 erst mit den obligatorischen Erweiterungen. Sehr schade, dass EA und Maxis nicht das Risiko eingegangen sind und schon ein paar Elemente wie semi-aktive Berufe oder Jahreszeiten vorweg genommen haben. So bleibt das Gefühl, dass vieles künstlich zurückgehalten wird, um die Gewinnmaximierung nicht zu gefährden.

Pro

mächtiger, einfach zu bedienender Immobilieneditor
umfangreicher Figuren-Generator...
neues Emotions-System sorgt für mehr Interaktion und Tiefgang...
verbesserte Selbstständigkeit der Sims
vereinfachte übersichtliche Benutzerführung
mehr Sims auf einem Grundstück möglich
mehr Kleidung und Möbel als im Vorgänger (ohne Erweiterung)
(noch) keine direkte Store-Einbindung
aktive Community füllt die kostenlose Tauschbörse
Sims können kontextabhängig bis zu drei Aktionen gleichzeitig ausführen
soziale und Welt-Interaktionen rücken statt Bedürfnisbefriedigung in den Vordergrund
verbesserte Kulisse mit aufwändiger Mimik und natürlichen Animationen
gelungenes Spiel von emotionaler Aktion und Reaktion
witzige Sitcom mit dem Spieler als Regisseur
viele Annehmlichkeiten sorgen für Fokus auf die Sims-Beziehungen und -Wünsche
umfangreiches Hilfe-Lexikon im Spiel

Kontra

zahlreiche beliebte Features fehlen (Pools, Kleinkinder, offene Welt)
... der im Detail aber frickelig zu bedienen ist
... an der Oberfläche spielt es sich aber sehr ähnlich wie der Vorgänger
sehr kleine Gebiete mit maximal fünf Grundstücken
Ladezeiten beim Betreten neuer Gebiete
kein "Create-A-Style" mehr
KI-Probleme bei eigenständigem Verhalten
manchmal Schwierigkeiten bei der Wegfindung
Sims können nicht zur Arbeit begleitet werden
trotz Optimierung immer noch Pausen zwischen Aktionen möglich
grafisch nicht immer sauber (Clipping, hässliche Levelgrenzen)

Wertung

PC

Trotz des guten Emotions-Systems kämpft Die Sims 4 mit der fehlenden Risikobereitschaft seitens Maxis sowie dem Vorgänger. Zwar ist die interaktive Sitcom immer noch unterhaltsam, doch Die Sims 3 war auch ohne Add-Ons in einigen Belangen weiter.

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