Vampire: Die Maskerade - Bloodlines22.11.2004, Jörg Luibl
Vampire: Die Maskerade - Bloodlines

Im Test:

Das Team von Troika hat sich mit Arcanum und dem Tempel des Elementaren Bösen einen durchwachsenen Namen unter Rollenspielfans gemacht. Und das auf Source basierende Vampire: Bloodlines hat schon im Vorfeld viele skeptische Fragen aufkeimen lassen: Simpler Shooter oder echtes Rollenspiel? Grafikblender oder Horrortraum? Wir sind dem Ruf des Blutes gefolgt und haben uns in der Nacht ausgetobt!

Finsteres Rollenspiel

An was erinnert euch das: Ihr habt die Wahl, einen Vampir nach Maß zu erstellen oder Fragen zu beantworten? Richtig: An waschechte Rollenspiele wie Ultima oder The Elder Scrolls 3: Morrowind . Und genau in dieser Liga spielt Vampire, denn es reiht sich trotz Shooter-Optik von der ersten Sekunde an in die

Der machthungrige Ventrue-Vampirprinz LaCroix rettet euch das Leben. Warum bloß?
Tradition dieser epischen Abenteuer ein. Obwohl man kräftig ballern und zuschlagen kann, basieren alle Aktionen auf Attributen, Fähigkeiten und Disziplinen. Nicht der schnelle Mausfinger sorgt für den Bodycount, sondern der hohe Wert im Bereich Schusswaffen: Wer eine Pistole ohne Ausbildung abfeuert, wird damit weniger Schaden anrichten als ein geübter Messerkämpfer mit seiner Klinge.

Sieben von dreizehn Clans der vampirischen Pen&Paper-Welt aus dem Hause White Wolf stehen in männlicher und weiblicher Variante zur Auswahl. Schon hier könnt ihr eine bestimmte Richtung einschlagen, denn alle verfügen über spezielle Disziplinen und Fähigkeiten: Die groben Brujah eignen sich dank ihrer Stärke als Kämpfer, die Gangrel können als Gestaltwandler ihre Krallen ausfahren, die wahnsinnigen Malkavianer verbreiten Irrsinn. Hinzu kommen die hässlichen, aber als Schleicher idealen Nosferatu, die hübschen und Menschen ähnlichen Toreador sowie die magiekundigen Tremere. Abgerundet wird der vampirische Reigen durch die adligen Ventrue, die zwar keine niederen Wesen ohne Brechreiz anzapfen können, aber Gesprächspartner mental beherrschen.

Vampir auf Sinnsuche

Egal für welchen Clan ihr euch entscheidet, werdet ihr sofort in die kalte kalifornische Nacht entlassen: Als nichts ahnender Mensch werdet ihr bei einem One-Night-Stand von zwei scharfen Zähnen geküsst und wacht mit starken Kopfschmerzen in einem Hotelzimmer auf. Plötzlich stürmen Vampire die Bude, entführen euch sowie euren beißenden Schöpfer und stellen euch vor ein düsteres Tribunal. Da euer Erzeuger euch gegen den Willen des Vampirprinzen LaCroix erschaffen hat, wird er auf der Stelle enthauptet. Leider wurde diese Szene in der deutschen Fassung geschnitten, was angesichts späterer Splatterorgien etwas verwundert. Und leider tröpfeln die deutschen Untertitel von oben in die Cutscenes - der Einsteig erreicht nicht die atmosphärische Perfektion von Half-Life 2 . Trotzdem packt euch die Regie am Motivationskragen, denn seltsamer Weise verschont euch der Prinz nach einem Tumult, denn ein Latino-Vampir brüllt dem Prinzen sein "Bullshit" entgegen. Warum? Und wer ist der Aufmüpfige? Die ersten Fragen sind gestellt und das Abenteuer beginnt...

Zunächst arbeitet ihr als Handlanger des gönnerhaften Prinzen. Wie in Thief: Deadly Shadows  besitzt ihr ein kleines Hauptquartier, in dem ihr auch E-Mails abrufen könnt. Diese offenbaren gleich erste Aufgaben und mysteriöse Hinweise, denen ihr nach Belieben folgen könnt. Überhaupt wurden die PCs hervorragend als Informationsplattform integriert: Wer seine

Rollenspieler haben die Qual der Wahl: Noch ist man als Vampirküken ein unbeschriebens Blatt.
Hackerfähigkeiten schult, darf ganze Verzeichnisse und Karteien durchstöbern, Schlösser entriegeln und Sicherheitskameras ausschalten. Platz zum Austoben gibt es in den zahlreichen Hotels, im Krankenhaus oder in Geschäften. Dabei erfährt man nicht nur jede Menge über die Spielwelt, sondern wird auch auf köstlich schwarzen Humor treffen. Streift ihr zu Beginn noch als schwaches Vampirküken durch die Gassen, könnt ihr gewonnene Erfahrung Stück für Stück in neue Fähigkeiten investieren. 

Das Charaktersystem ist komplex und vielfältig, denn alle Werte beeinflussen sich gegenseitig und eure Aktionen - schön veranschaulicht durch optische Bezüge in der Charakterkarte. Man hat immer die Qual der Wahl: Soll man lieber in vampirische Disziplinen wie den Käferangriff oder den Geisterwolf investieren? Oder soll man sein Charisma erhöhen, damit man die Bardame becircen kann? Oder doch lieber das Schlösser knacken lernen? Es liegt an euch. Aber das Schöne ist, dass man Probleme auf verschiedene Arten lösen kann: Ähnlich wie in Deus Ex: Invisible War  kann sowohl plumpe Gewalt als auch rhetorische Überzeugung oder listiges Schleichen zum Ziel führen. In Kombination mit den sieben wählbaren Clans ist der Wiederspielwert von Vampire enorm groß.

                 

Kampf & Kontrollverlust

Kommt es zum Kampf ist Echtzeitdynamik ohne Pausierfunktion angesagt, was schon mal in Hektik ausarten kann. Für meinen Geschmack hätte man hier ruhig ein System à la Star Wars: Knights of the Old Republic wählen können, das mehr taktische Möglichkeiten bietet. Ihr könnt später zwischen diversen Hieb- und

Dieser raue Brujah weiht euch zunächst ins Vampirleben ein. Später trefft ihr ihn in einer Bar in Downtown.
Stichwaffen sowie Pistolen, Uzis, Gewehren und Pumpguns wählen. Im Nahkampf könnt ihr vier Kombinationen aufs Parkett legen und sogar aktiv über die TAB-Taste blocken, was allerdings recht selten Früchte trägt. Daher sind gerade die wirbelnden Klauen ein probates Mittel gegen eine Übermacht an Gegnern. Und besonders übel sieht`s für diese aus, wenn ihr dem Blutrausch verfallt und wie eine Bestie wütet: Dann wird der Monitor von einem bordeauxroten Mantel umhüllt und ihr hört euer Herz rasen, während ihr wie ferngesteuert das nächstbeste Opfer reißt - klasse!

Aber Vorsicht: Wer in bestimmten Gebieten die Kontrolle verliert, bricht das Gesetz der Maskerade, denn nicht überall darf man sein wahres  Vampirgesicht zeigen. Wenn ihr das fünf Mal macht, ist das Spiel verloren. Um diesen Kontrollverlust zu verhindern, müsst ihr auf euren Blutvorrat achten und entweder Ratten, Blutbeutel oder Menschen als Nahrungsquelle nutzen - übrigens wird der Biss sehr schön animiert, während der Bildschirm leicht verschwimmt. Hier sollte wiederum darauf geachtet werden, dass ihr dies ungesehen tut und dass ihr Opfer nicht ganz aussaugt, denn sonst verliert ihr ein Stück eurer Menschlichkeit. Wer sinnlos mordet, wird mit der Zeit zum wilden Tier und sowohl Probleme in Gesprächen als auch mit dem Prinzen bekommen. Die Spielbalance ist jedoch so ausgereift, dass ihr immer wieder eine Chance bekommt, eure Menschlichkeit zu beweisen oder die Maskerade zu schützen.

Starke Worte

Dieser Tanz zwischen Tier und Mensch liegt ganz in eurer Hand, so dass eure Entwicklung angenehm frei bleibt. Weitere optische und erzählerische Stärken von Vampires offenbaren sich in den knackigen Gesprächen. Schon das Tutorial mit dem Brujah-Raubein ist ein gekonnt inszeniertes Highlight. Erstens fokussiert die Kamera bei Diskussionen das Gesicht eures Gegenübers, so dass die Source-Technik all ihre mimischen Stärken ausspielen kann: Freut euch auf einen bewegten Tanz aus Lippen, Wangen und Brauen sowie Pupillen mit glasigem Glanz - ich habe noch nie in dermaßen natürlich wirkende Augen geblickt. Hier ist man auf einem Level mit Half-Life 2 .

Der erste Schluck kostet noch Überwindung. Läuft die obere Anzeige ganz ab, tötet man sein Opfer und verliert Menschlichkeit.
Zweitens sind die Texte einfach gut geschrieben. Sie treffen die rüde Atmosphäre der kalifornischen Vampirwelt auf den Punkt und lassen die bizarren Figuren wie echte Charaktere wirken: Los Angeles wird nicht von anonymen Polygonkonstrukten, sondern von Kreaturen mit Ecken und Kanten bevölkert. Es gibt zickige, verruchte, servile, großkotzige, ängstliche, verzweifelte oder einfach nur brutale Menschen, Ghule und Vampire. 

Auch wenn die Texte nicht so ausgefeilt und die Dialogbäume nicht so verschachtelt sind wie in Star Wars: Knights of the Old Republic , kann man viele brenzlige Situationen über Gespräche lösen. Je nachdem, wie ihr euren Charakter entwickelt, dürft ihr euer Gegenüber mit Drohungen einschüchtern, mit Komplimenten einlullen oder mit Fakten überzeugen. Und wenn das nicht hilft, lässt man als edler Ventrue seine vampirische Beherrschung walten oder stürzt das Opfer als Malkavianer in den kichernden Wahnsinn.

             

Spuk- und Splatterhorror

Vampire bietet zudem einige bitterböse und dramaturgisch famos eingeleitete Überraschungen, die sowohl Fans des subtilen als auch blutigen Horrors verzücken werden. Einfach grandios wurde z.B. der Ausflug ins verfluchte Hotel inszeniert, das von Geistern bewohnt wird. Eigentlich sollte man sich als Vampir ja keine Gedanken über Gespenster machen, aber spätestens, wenn die ersten Glühbirnen

Nur wer gut schleichen kann, wird ohne Gewalt weiterkommen. Die dünne Leiste (links) zeigt an, wie hoch die Wahrscheinlichkeit der Entdeckung ist.
platzen, Bilder von der Decke auf euch zufliegen, Treppen einstürzen und Kinderstimmen jammern, kriegt man auch als Blutsauger eine Gänsehaut. Hier werden wohlige Erinnerungen an die paranormalen Höhepunkte des GameCube-Klassikers Eternal Darkness wachgerufen.

Aber Vampire hat auch eine derbe Fratze, die wiederum Splatter-Fans ansprechen dürfte: In der Kanalisation treibt z.B. ein Menschenfresserkult sein Unwesen und in den düsteren Kellern unter blitzsauberen Büros geht es mit Skalpell und Säge chirurgisch zur Sache. Und spätestens, wenn man die schummrige Kultisten-Absteige schlurfender Zombies betritt, weht auch der faulige Hauch von Resident Evil durch Los Angeles. Das Team von Troika spielt gekonnt auf der ganzen Klaviatur des Horrors und überrascht mit kreativen Szenarien, die nie Langeweile aufkommen lassen.

Stadt der Vampire

Eigentlich sollen die Vampire ja laut Story 100.000 zu 1 unterlegen sein, dennoch wirkt das virtuelle Los Angeles eher wie eine von Blutsaugern, Ghulen und Werwölfen bewohnte Metropole mit einer menschlichen Minderheit. Aber auch wenn dieses Übermaß an Übernatürlichkeit konservative Freunde des Pen&Paper-Systems stören wird, verströmt das Abenteuer von der ersten Sekunde an eine herrlich morbide Atmosphäre. Das Team von Troika hat es geschafft, die moderne Welt von Draculas Erben in all ihren Facetten darzustellen. Und wer sich fragt, warum sie sich Kainskinder nennen und was die Bibel mit all dem zu tun hat, wird im Laufe des Spiels mit den Fundamenten des Vampir-Mythos vertraut gemacht.

Die zubeißende Gesellschaft erscheint als komplexes Gebilde mit interner Hierarchie und politischen Grabenkämpfen. Da gibt es ein reiches Establishment, idealistische Anarchisten und brutale Terroristen. Ihr seid zu Beginn nur ein Spielball des Prinzen, aber mit wachsender Macht könnt ihr in die eine oder andere Richtung rollen. Die Story bietet trotz ihres linearen Einstiegs einige Möglichkeiten, den eigenen Weg zu finden oder die Fraktionen zu testen. Und wenn der Vorhang fällt, warten immerhin mehrere Enden auf euch!

Freiheit in Grenzen

Die vier Stadtteile sind wesentlich größer als die von Deus Ex: Invisible War  und abwechslungsreicher als die von Thief: Deadly Shadows . Hinzu kommt, dass die Kulisse architektonisch wunderbar eingefangen wurde: Es gibt verrottete Hotels und Luxus-Wolkenkratzer, schummrige Bars und kleine Restaurants. Zusammen mit der spärlichen Beleuchtung, dem ständigen Regen und den deprimierten Gestalten fühlt man sich umgehend in einen Anne Rice-Roman versetzt.

Wichtige Hinweise finden sich oft auf PCs. Wer das Hacken beherrscht kann Codes knacken. Andere müssen nach Hinweisen suchen.
Das Leveldesign erinnert mit seiner Kanalisation, den engen Gassen sowie den vielen Lüftungsschächten und Kellern an die vielen Wege in Deus Ex: Invisible War . Wer lästigen Schießereien aus dem Weg gehen will und genau hinschaut, kann sich  durch bröckelnde Wände zwängen oder Lastenzüge nutzen.

Und wer durch die Gassen streift, wird auf Passanten treffen, Sprayer beobachten oder Zeuge von Schießereien. Insgesamt gibt es von diesen geskripteten Ereignissen aber zu wenige. Nur auf den ersten Blick kommt ein Gefühl der Freiheit auf, aber auf den zweiten erkennt man, dass man hier leider kein GTA für Vampire vor sich hat. Es gibt klare Beschränkungen wie z.B. den fehlenden Auto- oder Busverkehr - nur ein Taxi wartet pro Viertel auf zahlende Kunden. Außerdem kann man nicht jeden Passanten ansprechen, nicht jedes Gebäude betreten - schade.

Viel ernüchternder ist jedoch, dass ein Großteil der Figuren einfach geklont wurde: Vor allem bei den Obdachlosen gibt es nur zwei Varianten. Und ganz extrem sieht`s bei den Polizisten aus: Auf dem Frachter gibt es ein Dutzend eineiige Gesetzeshüter, die alle die gleiche Sonnenbrille, Frisur und Haltung haben - arrrgh! Hätte man hier nicht wenigstens ein paar unterschiedliche Typen designen können? Warum haben die Polygonkünstler hier so faul auf Copy&Paste zurückgegriffen? Hier wird die Illusion einer echten Bevölkerung leider zu schnell zerstört. Dabei hat schon Shenmue auf Dreamcast bewiesen, dass man eine Stadt mit einzigartigen Individuen füllen kann.

            

Risse in der Kulisse

Auch der technische Putz zeigt Risse: Wer von der Ego- in die Schulterperspektive wechselt, wird z.B. beim Treppen hinab schleichen bemerken, dass sich die Beine in der Luft statt auf Stufen bewegen. Hinzu kommt, dass es akustisch nicht immer akkurat nach Bodenbeschaffenheit nachhallt. Außerdem

Diese Dame führt ein strenges Regime in ihrer Bar. Besonders sauer ist sie derzeit auf ihre Schwester. Zu wem haltet ihr?
kann man trotz der eingesetzten Physik-Engine bei weitem nicht so konstruktiv und rätselbezogen mit Objekten und ihrer Schwere umgehen wie in Half-Life 2 . Es gibt zwar Ausnahmen wie den mächtigen Container-Kran, aber die Physik wird nicht konsequent umgesetzt: Erstens lassen sich nur ausgewählte Kisten und Gegenstände anheben, zweitens kann man nicht alles zerstören - Flaschen in der Bar oder edle Vasen bleiben unantastbar. Insgesamt merkt man Vampire auch im faden Textur- und wenig dynamischen Beleuchtungsbereich an, dass Troika die Source-Technik nicht so gut im Griff hat wie Valve; Gordons Freemans Abenteuer wirkt dagegen wie aus einem Guss.

Aber bei all der Kritik im Detail sieht Vampire immer noch klasse aus. Vor allem Mimik, Architektur und Figurendesign gehören zum Besten, was derzeit auf dem PC zu sehen ist. Ich habe mancher weißhäutigen Gothic-Schönheit einfach fasziniert hinterher geschaut, wenn sie katzenhaft Richtung Club flanierte - ein Traum aus animierter Seide. Daher wiegen die optischen Defizite nicht so stark wie das gelegentliche Totalversagen der KI: Es gibt nur wenige lichte Momente wie das Alarmieren von Verstärkung. Aber die Figuren haben scheinbar weder ein besonders ausgeprägtes Sicht- noch Hörfeld. Wer Stealth-Action wie Metal Gear Solid , Thief: Deadly Shadows  oder Splinter Cell gespielt hat, wird seinen Augen nicht trauen, wenn er nach einem Schusswechsel (!) zwei Meter neben einem Gangster nicht gesehen wird oder wenn er an drei (!) alarmierten Polizisten, die eine enge Tür bewachen, vorbeischleichen kann.

Diese Szene hat mich wirklich entsetzt, denn die Cops haben starr über mich hinweg geblickt, während ich fast ihre Hosenbeine streifen konnte. Und wenn man in der Stadt nach einem Verbrechen umstellt wird, schießen sie ihren Kollegen auch noch gerne in den Rücken - au Backe! Wer Vampire vornehmlich als Shooter oder Stealth-Action spielen will, wird sehr viel Toleranz mitbringen müssen, sonst verbeißen sich die Zähne eher in der Tastatur als im Hals des Opfers. Das Figurenverhalten in Thief: Deadly Shadows  ist einfach eine ganze Klasse besser; auch dynamische Lichtquellen oder Lampen zum Ausschießen sucht man als Schleicher vergeblich.

Faszination Rollenspiel

Trotzdem macht man weiter. Trotzdem fliegen einem die Stunden nur so davon. Trotzdem kann man nicht aufhören, sich immer tiefer in die kalifornischen Abgründe zu wühlen. Vampire ist bei aller berechtigter Kritik einfach ein Spielplatz mit knisternder Atmosphäre. Denn selbst die kleinen optischen und schweren technischen Patzer können nicht verhindern, dass das

Als hässlicher Nosferatu wird man über diese Umwege nicht herumkommen. Auch sonst birgt die Kanalisation so manches Geheimnis.
Abenteuer eine intensive Eigendynamik entwickelt, die von der Story, den Dialogen, den Quests und geschickt platzierter Cutscenes getragen wird. Vampire mag als Stealth-Action versagen, aber als Rollenspiel begeistert es einfach. Man muss weiter recherchieren. Denn man will Antworten finden: Kann man dem Prinzen trauen? Was wollen die Anarchen? Kann man den vampirischen Fluch brechen? Was hat es mit der Seuche auf sich? Man ist auch deshalb so gefesselt, weil die eigenen Handlungen Einfluss auf spätere Dialoge haben: Zeigt ihr Menschlichkeit und verschont einen Handlanger, hilft er euch später. Haltet ihr euch nicht exakt an die Vorgaben des Prinzen, wird er euch zur Rechenschaft ziehen.

Hinzu gesellt sich die Ungewissheit: Manchmal entdeckt man erst bei genauerem Hinsehen die zweite, schreckliche Natur eines freundlich lächelnden Fremden - überall scheinen Laster, Triebe und psychische Krankheiten zu lauern. Ein Teil des Nervenkitzels besteht auch aus dem Gefühl der Bedrohung, das durch Zeitungsartikel über bestialische Morde oder die seltsame Seuchen verbreitet wird. Und spätestens wenn die ersten unheilvollen Boten der vampirischen Apokalypse "Gehenna" am Hafen auftauchen, pfeift man auf die Aussetzer der künstlichen Intelligenz und stürzt sich wieder vollgesaugt ins nächtliche Getümmel.

          

Fazit

Herzlichen Glückwunsch nachträglich an Kain, dass er Abel eins übergebraten hat! Denn ohne den biblischen Brudermord hätte es dieses packende Spiel nicht gegeben. Wer einen simplen Shooter befürchtet hat, darf aufatmen: Das Team von Troika Games hat seinem guten Rollenspiel-Namen alle Ehre gemacht und ein atmosphärisch dichtes Blutsauger-Epos geschaffen. Freut euch auf wortwitzige Dialoge und eine verzwickte Story mit jeder Menge Überraschungen, die euch unaufhaltsam in die Abgründe des vor Grauen triefenden Los Angeles verstrickt. Die Entwickler spielen gekonnt auf der breiten Klaviatur des Horrors und lassen euch zwischen Spuk und Splatter tanzen. Vor allem die grandiose Mimik der Charaktere sowie die kreativ inszenierten Aufträge werden euch für Nächte in die dunklen kalifornischen Gassen verbannen - mal als Jäger, mal als Gejagter. In Sachen Regie, Kulisse und Wiederspielwert kann Vampire sowohl an Deus Ex 2 als auch Thief 3 vorbeiziehen, weshalb ich den Gold-Award zücke. Aber als anspruchsvoller Schleicher muss man beide Augen zudrücken: Die KI-Aussetzer sind einfach frustrierend, dynamische Beleuchtung ist Fehlanzeige. Auch die vielen geklonten Figuren verwehren diesem düsteren Gemälde einen Platz in unserer Platingalerie. Aber auch ohne diese letzte Salbung solltet ihr genüsslich zubeißen!

Pro

packende Story
mehrere Enden
knackige Dialoge
bizarre Charaktere
spannende Aufträge
sieben Vampirclans
klasse Animationen
hoher Wiederspielwert
hervorragende Mimik
gutes Hacker-System
sehr gute Spielbalance
coole Vampirfähigkeiten
Spuk- und Splatter-Horror
herrlich düstere Atmosphäre
Werte wirken sich deutlich aus
wohliges Gefühl der Bedrohung
motivierende Charakterentwicklung
schleichend, redend, kämpfend spielbar

Kontra

böse KI-Aussetzer
häufiges Nachladen
viele geklonte Figuren
einige fade Raumtexturen
nicht jede Person ansprechbar
keine deutsche Sprachausgabe
keine konsequente Physik-Nutzung
schwache Stealth-Action-Inszenierung

Wertung

PC

Endlich ein Spiel, das den Erwartungen gerecht wird - auch wenn einige Bugs eine höhere Wertung verwehren.

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