Camp Keepalive18.10.2013, Michael Krosta
Camp Keepalive

Im Test:

Inspiriert von Slasher-Filmen und der 8-Bit-Grafik aus den Achtzigern lädt das unabhängige Entwickler-Duo von Twofold Secret ins Camp Keepalive ein. Dort muss man ein Aufpasser-Quartett mit Köpfchen dirigieren, um die verstreuten Camper-Schäfchen zu finden und in Sicherheit zu bringen, bevor sie umherstreifenden Killern und Monstern zum Opfer fallen. Ist die Rundenstrategie ein todsicheres Vergnügen?

Spitzentreffen der besonderen Art

Im Kamp ist man in Sicherheit.
Im Kamp ist man in Sicherheit.
Stellt euch vor, Jason aus Freitag der 13., Pennywise aus Stephen Kings „Es“ und der Killer vom Texas Chainsaw Massaker würden sich mit einem Rudel Werwölfe und anderen Monstern verabreden, um wild verstreute Camper an abgelegenen Seen oder Wäldern zu jagen und im Idealfall auch noch ihre Betreuer zu erwischen. Genau danach sieht es aus im Camp Keepalive, bei dem der Name Programm ist...

Zu Beginn stehen erst vier der acht Aufpasser zur Verfügung, mit denen man alles daran setzt, um die Haut seiner Schützlinge (und die eigene) vor den Bedrohungen zu retten. Das Spielprinzip bietet klassische Rundenstrategie mit einfachen Regeln: Jedem Betreuer steht eine begrenzte Anzahl von Zügen zur Verfügung, mit denen er Aktionen ausführen oder sich über die Karte bewegen kann, die in große Felder eingeteilt ist. Erreiche ich mit einem von ihnen das Feld eines Campers, wird dieser mir bei jedem weiteren Zug artig folgen, so dass ich ihn zumindest theoretisch sicher zum Camp zurückführen kann. Aber Vorsicht: Sobald ich alle Züge mit einem meiner vier Retter abgeschlossen habe, ist automatisch die Gegenseite an der Reihe. Entsprechend sollte man lieber in seiner aktiven Runde zwischen den Figuren wechseln, wodurch man seine Schritte aber noch besser vorausplanen muss.

Teamwork zahl sich aus

Wer hat Angst vorm bösen Wolf?
Wer hat Angst vorm bösen Wolf?
Die Zusammenarbeit zwischen den Betreuern ist einer der Schlüssel zum Erfolg, denn mit ihren individuellen Spezialfähigkeiten bekommt das Überlebenstraining eine weitere taktische Note. Die rothaarige Ashley ist nahezu unverzichtbar für jedes Team, ist sie doch die Einzige, die Gegner aktiv ausschalten kann. Egal ob sich nur ein Killer oder eine ganze Horde an Monstern auf einem Feld versammelt hat – die „Pixel-Buffy“ macht alles platt, sobald sie einen solchen Bereich betritt. Pierce ist dagegen der fitte Sportsmann, dem im Gegensatz zu allen anderen vier statt drei Züge pro Runde zur Verfügung stehen und der auf Kommando mit nur einem Zug allein zum Camp zurück sprinten kann. Dave hat scheinbar eine durchdringende Stimme, denn sobald er ruft, begeben sich alle Camper an direkt angrenzenden Feldern zu seiner Position. Nerd Wyatt schließt das anfänglich zugängliche Quartett ab und kann nicht wie seine Kollegen nur eine Falle, sondern gleich drei von ihnen mit sich herum schleppen, bevor er seinen Vorrat im Camp wieder auffüllen muss. Später kommen weitere Betreuer hinzu, die sich und ihre Schützlinge z.B. tarnen, sich frei im Wasser bewegen oder Köder auslegen können. Dabei lässt sich das Team der Betreuer und entsprechend auch das Repertoire an Fähigkeiten beliebig kombinieren, um bestens gegen die fiesen Widersacher gewappnet zu sein.  

Die Eintrittskarte ins Camp Keepalive

Bisher ist das Spiel nur über die Plattform Desura erhältlich. Dort gibt es auch eine kostenlose Demo-Version, mit der man in das anstrengende Leben als Aufpasser hineinschnuppern darf. Mehr Informationen gibt es hier . Und von diesen treiben sich einige auf den abwechslungsreichen und clever designten Karten mit ihrem 8-Bit-Retro-Charme umher: Der Maskenmann hat es im Stil von Michael Myers nur auf einen bestimmten Betreuer abgesehen und setzt alles daran, ihn zu erwischen. Weniger wählerisch sind die Axtmänner, denn sie attackieren einfach den Aufpasser, der sich am nächsten befindet. Werwölfe bevorzugen dagegen Camper-Fleisch und beißen erst dann zu, wenn sie die Fährte aufgenommen haben. Unberechenbarer agieren die grünen Schleimmonster, da sie sich ohne ein bestimmtes Jagdmuster über die Karte ziehen und daher eine Gefahr für alle darstellen. Ein kleiner Drecksack ist der Pixel-Clown: Zwar tötet er die Camper nicht, gabelt sie aber auf und führt sie anschließend gezielt zu Monstern, damit diese das Blutbad anrichten können. Wobei...hmmm...blutig geht es hier überhaupt nicht zur Sache – nicht einmal ein Pixel wird rot gefärbt, um den Lebenssaft darzustellen. Schade, denn ein bisschen Gore hätte hier nicht geschadet und sich thematisch angeboten. Im späteren Verlauf gesellen sich noch weitere Gefahren für die Camper hinzu, so z.B. Killer-Schwärme, See-Monster oder Irrlichter.

Zehn kleine Camperlein

Im Camp wird in über 20 Abschnitten immer ein spannendes Programm geboten.
Im Camp ist dank mehr als 20 Abschnitten immer etwas los...
Der Erfolg der Betreuer wird an der Anzahl an Campern gemessen, die sie in Sicherheit bringen können. Das erste Abzeichen winkt bereits bei fünf Geretteten, das nächste bei zehn und wer es tatsächlich schaffen sollte, 20 der umherstreifenden Pixel-Männchen mit Einheits-Look und fehlender Persönlichkeit vor all den Gefahren zu retten, verdient sich die ultimative Auszeichnung. Doch oft ist es ein harter und mitunter auch unfairer Weg, bis man sich als ultimativer Babysitter feiern darf. Das liegt zum einen daran, dass die Monster dem Quartett zahlenmäßig meist deutlich überlegen sind. Zum anderen haben sie ein paar gemeine Tricks auf Lager: Betritt ein Werwolf z.B. das Feld mit einer bestimmten Halle, wird er umgehend geklont und es ist ein weiterer Artgenosse auf der Karte. Betritt ein Gegner eine Brücke, wird sie eingerissen – was besonders dann extrem unpraktisch ist, wenn sich das Camp in der Mitte einer Insel befindet. Auch Abschnitte, die ausschließlich von Killern und Monstern betreten werden dürfen, zählen zu den Vorteilen ihres Daseins. Im Gegenzug dürfen sich Ausreißer und ihre Betreuer sowohl im Camp als auch an Lagerfeuern sicher fühlen, auch wenn sie von Gefahren umzingelt sind.

Da zum Glück kein Zeitlimit für unnötige Hektik während der Züge sorgt und ständig neue Camper auf der Karte auftauchen, hört sich das alles doch nach einer machbaren Aufgabe an, oder? Ja, allerdings gibt es noch eine klitzekleine Kleinigkeit, die ich bisher noch verschwiegen habe: Fällt  das Quartett den Killern zum Opfer, ist das Spiel vorbei! Gleiches gilt, falls zehn Camper abgeschlachtet werden sollten. Und das passiert oft schneller als einem lieb sein kann, denn egal wie viele clevere Strategien man sich überlegt, entscheidet zu oft der dumme Zufall über Leben oder Sterben. Das hat zwei Gründe: Zum einen bewegen sich die Camper genau wie die grünen Schleimmonster ohne ein bestimmtes Muster durch die Gegend und laufen den Monstern quasi ins offene Messer. Okay, das erleben wir in den Slasher-Filmen auch oft genug – ich erinnere nur an die Szene aus Scream, in der sich die Blondine mit ihren ausgeprägten sekundären Geschlechtsmerkmalen UNBEDINGT durch die kleine Hundeklappe im Garagentor quetschen wollte... sowas passiert!

Ärgerliche Zufälle

Viele Missionen werden von lustigen Beschreibungen eingeleitet - leider ausschließlich auf Englisch.
Viele Missionen werden von lustigen Beschreibungen eingeleitet - leider ausschließlich auf Englisch.
Viel ärgerlicher sind jedoch die willkürlichen Spawn-Punkte, auf denen die Camper beim Start einer neuen Runde aus dem Nichts erscheinen. Sie landen zu oft wie auf dem Präsentierteller und können de facto gar nicht mehr gerettet werden. Das sorgt vor allem dann für Frust, wenn man fünf aufgegabelte Abenteurer im Schlepptau hat, kurz vor dem Camp steht und der Opferzähler schon bei neun angekommen ist. Davon abgesehen verliert die Arbeit als Aufseher mit der Zeit spürbar an Reiz: Ständig trifft man auf die gleichen Widersacher, ärgert sich über den schlecht ausbalancierten und zu sehr vom Zufall abhängigen Schwierigkeitsgrad oder vermisst eine Weiterentwicklung der Betreuer sowie eine Persönlichkeit der Camper, die einem eigentlich völlig egal sind – hier sind Titel wie X-Com oder Jagged Alliance deutlich weiter.

Schön dagegen die von Ironie und Sarkasmus nur so strotzenden Missionstexte, bei denen ich mir den einen oder anderen Lacher nicht verkneifen konnte. Die Retro-Aufmachung ist allerdings ein zweischneidiges Schwert: An den Pixeln kann ich mich zwar trotz der extrem simplen Darstellung nicht satt sehen und es kommen wohlige Erinnerungen an schöne C-64-Zeiten auf, doch den düdeligen Soundtrack musste ich nach einer Weile stummschalten – und das, obwohl ich die SID-Klänge eigentlich liebe. Hier gehen mir aber nicht nur die abrupten Übergänge zwischen den Stücken auf die Nerven, sondern die Kompositionen an sich.

Fazit

Mit etwas mehr Feinschliff hätte aus diesem Rohdiamanten ein echtes Schmuckstück für Freunde gepflegter Rundenstrategie werden können. Camp Keepalive ist mit seiner Thematik in Kombination mit dem Pixel-Charme eine herrliche Hommage an die Slasher-Filme und Computerspiele der Achtziger. Gerade auf den ersten Karten macht es eine Menge Spaß, die individuellen Fähigkeiten der Betreuer effektiv zu kombinieren, um möglichst viele der Camper vor all den Psychopathen und Monstern da draußen in Sicherheit zu bringen. Doch nicht nur aufgrund ihres unberechenbaren Verhaltens, sondern vor allem der willkürlichen (und oft fatalen) Spawnpunkte wird ihr Schicksal zu häufig vom Zufall abhängig gemacht – eine Erfahrung, die neben dem schwankenden Schwierigkeitsgrad mit steigendem Frustpegel einher geht. Schade zudem, dass man den Aufpassern keine ausbaubaren Fähigkeiten und den Campern nicht nur mehr Variationen, sondern auch mehr Persönlichkeit verpasst hat. Ich bin niemand, der unbedingt ein blutiges Pixel-Massaker im Stil von Hotline Miami braucht – hier hätte der eine oder andere Gore-Effekt aber nicht geschadet, um den filmischen Vorlagen gerecht zu werden. Trotzdem lohnt sich ein Ausflug ins Camp Keepalive, wenn man die Rettungsmissionen auf den mitunter hervorragend designten Karten in kleinen Dosen genießt, bei denen sich der Abnutzungseffekt nicht so schnell ausprägen kann.

Pro

nette 8-Bit-Retro-Aufmachung
Aufpasser mit individuellen Fähigkeiten
amüsante Textbeschreibungen
abwechslungsreich designte Camps
Gegnertypen mit Anlehnung an Slasher- und Monsterfilme
nette Mischung aus Rundentaktik und Strategie
interessante Spielelemente (böser Wald, einstürzende Brücken etc.)
kein Zeitdruck

Kontra

mitunter unsinnige / unfaire Spawn-Punkte der Camper
Gegnerauswahl nutzt sich schnell ab
kein Pixelblut / Gore
Spielgeschehen zu oft vom Zufall bestimmt
schwankender Schwierigkeitsgrad
Camper sehen alle gleich aus und haben keine Persönlichkeit
miese Übergänge zwischen Musikstücken
Retro-Gedüdel nervt mit der Zeit

Wertung

PC

Unterhaltsame und thematisch interessante Rundenstrategie, bei der (Über-)Leben oder Sterben zu oft vom Zufall abhängt.

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