House of the Dying Sun17.11.2016, Benjamin Schmädig

Im Test: In der Kürze liegt die Würze

Schon komisch: Die Gegner sind blau markiert, die eigenen Schiffe mit Rot. Und dann muss man Zivilisten gar eine Lektion erteilen – indem man ihre Schiffe zerstört. Nein, einen der Guten spielt man in House of the Dying Sun nicht. Vielmehr zieht man als Krieger des gestürzten Imperators in den Kampf, zerstört nicht nur die Schiffe der Helden des neuen Systems, sondern im Anschluss auch die wehrlosen Ziele in ihren Rettungskapseln. Irgendwie cool, mal auf der anderen Seite zu stehen! Hebt die Weltraum-Action mit VR-Unterstützung in unserem Test so richtig ab?

Böse – aber wen interessiert's?

Schade: Leider ist es völlig egal, ob man Zivilisten ermordet oder nicht, denn es ist erzählerisch nicht von Belang. Erledigt man den makaberen Bonusauftrag, erhält man lediglich ein Häkchen unter den Missionszielen sowie Währung für den Kauf besserer Waffen. Nein, House of the Dying Sun ist keine Weltraumoper, sondern lediglich gut ein Dutzend einzelner Missionen, die meist so verzweigen, dass man fast immer die Wahl zwischen mehreren Einsätzen hat.

Auf Dauer schadet das natürlich der Motivation, zumal sich die Aufträge schnell gleichen. Es spielt fast keine Rolle, ob man bestimmte Schiffe zerstört, Geschütztürme ausschaltet oder eigene Verbände schützt: Nach wenigen Minuten ist es schon vorbei. Denn sobald das feindliche Mutterschiff ins System springt, sollte man sich schleunigst aus dem Staub machen.

„Nothing but the rain.“

Vor allem akustisch erinnern die eleganten Raumschlachten an Battlestar: Galactica.

In diesen letzten Minuten entstehen allerdings schweißtreibende Höhepunkte, wenn vielleicht noch nicht alle wichtigen Gegner zerstört sind oder nicht alle eigenen Transporter ihr Ziel erreicht haben, vom bösen guten Mutterschiff aber schon Angreifer und schwere Geschosse starten! Die beinahe lautlosen Schussgeräusche, das statische Knistern des aktiven Funkverkehrs und die ständige Percussion vermitteln das Erlebnis intensiver Weltraumschlachten. Haben sich die Entwickler Battlestar: Galactica zum Vorbild genommen? Genau diesen Eindruck hinterlassen die Gefechte jedenfalls.

Und sie machen sogar spielerisch was her! Immerhin kommandiert man im Cockpit eines Jägers kleine Flotten, bestehend aus Fregatte, Zerstörern und Jägern. Entweder weist man die Begleiter über ein Kreismenü an oder man wechselt in die taktische Übersicht, auf der man bei pausiertem Geschehen Befehle erteilt. Wahlweise beobachtet man sogar den kompletten Kampf aus der Distanz und erteilt sogar dem eigenen Schiff Anweisungen.

Ein Spiel wie Homeworld ist House of the Dying Sun aber keineswegs, denn fast alle Befehle sind an Objekte gebunden und beschränken sich auf rudimentäre Aktionen wie „Greif mein Ziel an!“, „Verteidige das markierte Schiff!“ und „Beschütz mich!“. Freie Wegpunkte setzt man jedoch nicht und erwartungsgemäß kommt man ohnehin schneller zum Ziel, wenn man sich selbst hinter den Joystick klemmt. Die Steuerung funktioniert dabei hervorragend, sowohl im Cockpit als auch im taktischen Überblick, mit Gamepad oder Maus und Tastatur.

Irgendwer versucht's noch mal

Durch das flinke Umschalten zwischen Taktik und Action entstehen dynamische Scharmützel, die aufgrund der häufigen Kamerawechsel einen ungewohnt guten Überblick bieten. Man schlüpft zwar nicht in die Rolle eines erzählerisch ausgearbeiteten Charakterkopfes – es gibt keine einzige Filmszene, nicht einmal Dialoge, sondern lediglich zwei- bis dreizeilige Missionsbeschreibungen. Weil man in Sekundenbruchteilen aber mitten im Einsatz steckt, startet man auch als namenloser Irgendwer wieder und wieder ins All.

Erfüllte Bonusaufgaben ermöglichen den Kauf besserer Ausrüstung, mit der Schiffe schneller fliegen oder feindliche Geschütztürme einnehmen, um so weitere Währung zu erspielen. Schließlich kann jedes Schiff nur zwei solcher zusätzlichen Systeme nutzen und spätestens in den Gefechten auf dem höchsten Schwierigkeitsgrad ist mit einfachem Hinfliegen-und-Ballern kein Blumentopf zu holen. Dann muss man die richtig eingestellten Schiffe auf die

Während der Ablauf pausiert, erteilt man in Ruhe Befehle.
richtige Art einsetzen. Nicht, dass es vorgegebene Lösungen gäbe; man darf nach eigenem Gutdünken taktieren. Wer will, ringt für einen Platz in der weltweiten Rangliste außerdem zufällig erstellte Gegnerwellen in täglichen Herausforderungen nieder.

Enge im weiten All

Obwohl House of the Dying Sun übrigens unter dem Namen Enemy Starfighter als Virtual-Reality-Titel für Oculus Rift angekündigt wurde, läuft das Spiel auch ohne VR-Headset – hinterlässt mit Rift oder auch Vive aber selbstverständlich einen stärkeren Eindruck. Im Cockpit vermitteln die niedrige Scheibe sowie der altmodische Hauptbildschirm mit seiner großen Blende auf hervorragende Art das Gefühl, in einem realen Jäger zu sitzen. In der Außenansicht des taktischen Überblicks blickt man hingegen aus nächster Nähe auf die kleinen Schiffe, was die eindrucksvolle Illusion einer faszinierenden Vitrinenschau erweckt.

Auch die Menüs wirken mit ihren oft auf verschiedenen Ebenen angeordneten Objekten bemerkenswert plastisch. Nicht alle Menüs befinden sich jedoch am rechten Fleck, denn die wichtigen Kreismenüs zum Aktivieren einer Waffe, dem Erteilen eines Befehls und der Wahl des Ziels stehen stets am selben Fleck. Folgt man mit dem Blick einem Gegner, muss man den Kopf deshalb erst zur Spitze des Jägers drehen, um einen Flügelmann in den Angriff einzuschalten. Und das fühlt sich unlogischer und unbequemer an, als es klingt.

Fazit

„In der Kürze liegt die Würze“, hat sich Entwickler Marauder Interactive wohl gedacht – und damit gar nicht mal Unrecht. Die an Battlestar: Galactica erinnernden Scharmützel sind packende Herausforderungen, die man mit unterschiedlichen Ausrüstungen und Herangehensweisen auf individuelle Weise meistert. Im dynamischen Wechsel zwischen taktischen Anweisungen und eigenhändigem Fliegen entsteht dabei ein ebenso eigenwilliger wie fesselnder Rhythmus; durch die kurze Dauer der Gefechte, die schnellen Neustarts und das motivierende Freischalten neuer Systeme wird Homeworld mit Eve: Valkyrie vereint. Natürlich fehlt den wenigen Missionen eine gut erzählte Kampagne, wenigstens eine Hand voll Filmszenen oder zumindest ein Protagonist, mit dem man sich identifizieren darf. Auch die ausgesprochen kurzen, sich stark ähnelnden Einsätze schaden dem Ansporn. Große Weltraum-Action im klassischen Sinn ist House of the Dying Sun auf keinen Fall – im Kleinen ist es aber ein erfreulich spritziger Zeitvertreib!

Pro

fließender Wechsel zwischen taktischen Anweisungen und eigenem Fliegen
großartige Stimmung mit gedämpften Geräuschen und treibendem Soundtrack
verschiedene Schwierigkeitsgrade für z.T. anspruchsvolle Herausforderungen
Freischalten weiterer Begleitschiffe, Waffen und Systeme im Verlauf der Kampagne
gute VR-Einbindung mit wichtigen Einstellungsmöglichkeiten

Kontra

wenige und sehr kurze Missionen gleichen sich sehr
hauchdünner erzählerischer Zusammenhalt ohne Charaktere oder Filmszenen
VR: nicht alle Menüs sind auf Mittelpunkt der aktuellen Blickrichtung fixiert

Wertung

HTCVive

Kurze, packende Herausforderungen mit taktischer Note und guter VR-Einbindung, denen Abwechslung und ein erzählerischer Rahmen fehlen.

PC

Kurze, packende Herausforderungen mit taktischer Note, denen Abwechslung und ein erzählerischer Rahmen fehlen.

VirtualReality

Kurze, packende Herausforderungen mit taktischer Note und guter VR-Einbindung, denen Abwechslung und ein erzählerischer Rahmen fehlen.

OculusRift

Kurze, packende Herausforderungen mit taktischer Note und guter VR-Einbindung, denen Abwechslung und ein erzählerischer Rahmen fehlen.

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