Im Test:
Danke für Nichts. Auf Wiedersehen.
Der Beginn des finsteren Adventures führt tief in die Abgründe der menschlichen Psyche und steht exemplarisch für den düsteren Ton, den das polnische Studio Harvester anschlägt: Was bringt einen Menschen dazu, sich selbst zu töten? Was ist mit Susan geschehen, dass sie sich für diesen letzten Ausweg entschieden hat? The Cat Lady bietet einen Einblick in die trostlose Welt der Depression und lässt den Spieler Handlungen nachvollziehen und Entscheidungen treffen, die aus einer psychischen Störung hervorgehen. Das ist gleichermaßen intensiv, intim und furchtbar bedrückend.
Eine letzte Chance
Nach einem Opfer aus Seele und Blut wacht Susan im Suizid-Flügels eines Krankenhauses auf. Sie will nur weg, zurück in die Einsamkeit und vergessen, was im scheinbar pilleninduzierten Fiebertraum geschehen ist. Sie muss aus der gesicherten Abteilung entkommen. Je länger sie sich dort aufhält, desto mehr verwischen graue Realität und bizarre Zwischenwelt, doch das Ziel scheint zum Greifen nahe – bis für Susan ein plötzlicher Albtraum aus Gewalt und Terror losbricht und ihr klar wird, dass die alte Frau mehr war als nur Halluzination.
Großartige Dialoge in dunklen Zeiten
Großen Anteil daran haben die exzellenten Dialoge, die professionell vertont wurden und mit großartigen Sprechern aufwarten. In jedem Moment wird der richtige Ton getroffen: von der normalen Unterhaltung bis zum eskalierten Streit sitzt jede Silbe. Vor allem die Probleme und Gefühlswelten der Figuren werden in den bis ins letzte Detail perfektionierten Gesprächen verdeutlicht. Nichts wirkt hier künstlich oder erzwungen und oft befindet man sich auf höchstem Hörspiel-Niveau. Die Sprachregie fügt die Unterhaltungen auch bei mehreren Auswahlmöglichkeiten organisch zusammen und leitet den Spieler subtil in die dunkelsten Regionen der menschlichen Psyche, aus denen es keinen Ausweg zu geben scheint.
Perspektivwechsel
Zudem gibt mir das Spiel in einigen Momenten das Gefühl, selbst an der Entwicklung von Susan teilzuhaben. Etwa, wenn ich im Krankenhaus von meiner Kindheit erzähle und so meine eigene Vorgeschichte für sie erschaffe. Oder wenn ich an anderer Stelle verschiedene Vorgehensweisen in Gesprächen nutzen kann. Hier gibt es kein Sage-dies-dann-bekommst-du-das-System. Stattdessen formt die Auswahl den Charakter und gibt mir das Gefühl, dass Susans Entwicklung von mir als Spieler abhängt, auch wenn es nur wenige echte Entscheidungen gibt, die langfristige Auswirkungen haben.
Monochrome Zweidimensionalität
Dieser Eindruck wird durch die Kulisse verstärkt, die sich auf eine reine 2D-Darstellung verlässt. Sowohl die meist monochrome Umgebung, als auch die Charaktere verzichten auf eine dritte Dimension. Der Ansatz wirkt experimentell und ist durchaus spannend, nur leider ist aber das Artdesign nicht durchgehend stimmig. So sind die Hintergründe teilweise aus Fotos zusammengesetzt und es gibt gelegentlich merkwürdige Brüche zwischen einigen Elementen. Der Farbeinsatz hingegen ist exzellent: Von Szenen zu Szene bzw. Schauplatz zu Schauplatz wechseln Sättigung und Lichtstimmung, was die Atmosphäre wunderbar unterstreicht.
Ein Soundtrack zum Genießen
Auch die sonstige Tonregie macht alles richtig: Szenen erhalten oft nur durch das Knacken des Hauses oder Schrittgeräuschen eine bedrohliche Atmosphäre und eigentlich harmlose Bilder werden durch den Sound zur psychischen Grenzerfahrung. Das einige Stimmen zudem mit Pitch-Shiftern verändert wurden oder aus mehreren Tonspuren bestehen, verstärkt den bedrohlichen Eindruck einiger Situationen.
Fazit
Abgründig, emotional und grausam: The Cat Lady ist ein echtes Adventure-Highlight. Mit Fingerspitzengefühl entführt das Independent-Studio Harvester in die Dunkelheit der Seele von Susan Ashworth und vollführt einen spektakulären Spagat zwischen Drama, psychotischem Horror und brutalem Terror. Feinsinnig gezeichnete Charaktere, starke Dialoge und ein superber Soundtrack schaffen eine finstere Atmosphäre, die mir schonungslos die scheinbare Aussichtslosigkeit einer tiefen Depression vor Augen führt. Ich fühle mit Susan, will, dass dieser Albtraum endet und ich wate mit ihr durch ein Meer aus Blut, um leben zu können. Allerdings ist die Erfahrung spielerisch konservativer als Gone Home oder Dear Esther und die Kulisse sowie das Artdesign sind nicht uneingeschränkt harmonisch. Zudem lässt die Geschichte im letzten Abschnitt etwas nach, auch wenn das Ende zu überzeugen weiß. So ist The Cat Lady ein intensiver und drastischer Trip in die menschliche Psyche auf sehr gutem Niveau.
Pro
Kontra
Wertung
PC
Brutal, intensiv und emotional: The Cat Lady ist ein Ausflug in die tiefsten Abgründe der menschlichen Psyche, der mit toller Charakterzeichnung, sehr guter Vertonung und packender Handlung überzeugt.
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