Pineview Drive29.08.2014, Michael Krosta
Pineview Drive

Im Test: Die Wahrheit ist da drinnen

Vor 20 Jahren verschwand die Ehefrau des namenlosen Protagonisten spurlos in einem abgelegenen Anwesen an der Küste. Jetzt kehrt er an den Ort des Geschehens zurück, um endlich Antworten zu finden: Was ist damals mit Linda geschehen? Warum hält es angeblich niemand länger als 30 Tage auf dem Grundstück aus? Publisher UIG und der deutsche Entwickler VIS versprechen mit Pineview Drive ein Horror-Erlebnis der besonderen Art, indem man das Spielerverhalten ständig analysieren und dynamisch darauf reagieren will. Wie lange konnten wir die Psychofolter ertragen?

Flucht als Ausweg

Aus! Ende! Schluss! Vorbei! Mir reicht es! Nach 17 Tagen auf dem geheimnisvollen Anwesen mit seinen mysteriösen Ereignissen wie plötzlichen Geistererscheinungen, merkwürdigen Geräuschen, seltsamen Illusionen sowie Wetterkapriolen mit Blitz und Donner war es für mich an der Zeit, Pineview Drive den Rücken zu kehren, bevor ich das Rätsel um das Verschwinden von Linda lösen konnte. Nicht etwa, weil ich den Terror nicht länger ertragen hätte: Zwar gibt es vor allem dank der Soundkulisse ein paar atmosphärische Momente – etwa wenn aus dem Nichts plötzlich ein „kurzes Pssss“ durch den Kopfhörer hisst oder man Schrittgeräusche in unmittelbarer Nähe vernimmt -, aber wirklich gruselig oder gar gefährlich geht es beim Erkunden der engen Flure und zu Beginn meist verschlossenen Räume nur selten zu.

Was ist vor 20 Jahren auf diesem Anwesen passiert?
Warum? Da wäre zum einen der übliche Abnutzungseffekt, wenn zwischendurch immer wieder der gleiche Soundeffekt eingestreut wird. Zum anderen stellt sich nach den ersten Tagen schnell das Gefühl ein, dass einem eigentlich nichts passieren kann. Vielleicht lag es an meiner mutigen Spielweise, aber meine Gesundheitsanzeige wurde bis zu meiner freiwilligen Flucht genauso selten in Mitleidenschaft gezogen wie mein Puls anstieg. Das anfänglich noch im Ansatz vorhandene Bedrohungsgefühl sinkt daher rapide ab. Kein Vergleich zu Kojimas spielbarem Silent-Hill-Teaser P.T., der zwar ähnlich simpel gestrickt ist, aber selbst auf kleinem Raum viel mehr Angst und Schrecken verbreitet.

Die Erlösung naht

Aber wenn ich mir schon nicht vor Angst in die Hosen gemacht habe: Warum bin ich überhaupt abgehauen? Weil ich das furchtbare Spieldesign nicht länger ertragen habe! Denn die Aufgabe beschränkt sich in der Regel darauf, erst Schlüssel und dann die passenden Türen zu finden. In den Räumen findet man meist weitere Schlüssel oder – wenn man Glück hat – einen Zettel, mit dem der Tag abgeschlossen wird. Und jedes Mal, wenn ich wieder seltsamerweise kurz vor Anbruch der schnell einsetzenden Dunkelheit in meinem Zimmer erwache, geht die redundante Schlüsselsuche durch das Spukhaus und den anliegenden Garten von vorne los.

Problem dabei: Im Gegensatz zum Horror-Klassiker Resident Evil sind hier weder Schlüssel noch Türen durch spezielle Symbole markiert. Im Umkehrschluss bedeutet das, dass man oft nach dem Trial&Error-Prinzip durch das dunkle Haus irrt und hofft, irgendwann die richtige Tür für seinen Schlüssel zu erwischen. Wohl dem, der über ein gutes Erinnerungsvermögen verfügt – und selbst dann ist es immer noch mühsam, aufgrund der großen Anzahl verschlossener Türen auf Anhieb erfolgreich zu sein.

Das gilt auch für das Finden der Schlüssel, denn oft rennt man auf der Suche nach den begehrten Türöffnern ziellos durch die Gegend und wünscht sich regelrecht den entscheidenden Tipp in Form eines kurzen Monologs der Figur herbei, der aber oft viel zu lange auf sich warten lässt. Aber wie soll ich ohne einen Hinweis darauf kommen, dass ich mir ausgerechnet jetzt in einem bestimmten Raum ein bestimmtes Gemälde ansehen soll, um den nächsten Schlüssel zu erhalten? Oder warum ich gerade an diesem Tag die Schaukel draußen im Garten untersuchen sollte? Ohne die wertvollen Tipps würde man wahrscheinlich noch länger ziellos im Kreis laufen und immer wieder die gleichen Zimmer betreten, die sich zudem meist sehr ähnlich sehen.

Augen und Ohren auf!

Gut gefallen haben mir die kleinen Audio-Rätsel, in denen man die Quelle eines Geräuschs wie Telefonklingeln oder Hundeknurren finden muss – nicht nur für die Atmosphäre generell, sondern besonders in diesen Momenten ist das Spielen mit Köpfhörern eindeutig von Vorteil! Doch nicht nur spitze Ohren, sondern auch gute Augen sind gefragt, denn auf den ersten Blick gehen Schlüssel und andere Gegenstände vor allem in den dicht bepflanzten Außenarealen schon mal unter, doch bekommt man durch eine hervorgehobene Umrandung eine visuelle Hilfe. Das gilt auch für die Türgriffe, denn hin und wieder muss man sich in der Dunkelheit durch die finsteren Korridore und Räume tasten.

Abhilfe schaffen lediglich entzündete Kerzen oder der Einsatz der Taschenlampe. Allerdings sind sowohl Streichhölzer als auch Batterien begrenzt – und meist rar gesät. Und sollte man auf den Streifzügen tatsächlich auf einen üppigen Vorrat treffen, wird man von einer künstlichen Inventarbegrenzung ausgebremst, denn mehr als zehn Streichhölzer und fünf

Mit Kerzen und Taschenlampe geht's gegen die Dunkelheit - aber nur, wenn man genug Streichhölzer und Batterien hat. Am Anfang darf man sogar noch auf Lichtschalter zurückgreifen.
Batterieladungen kann unser offenbar taschenloser Protagonist nicht mit sich herum tragen. Immerhin lässt sich die Taschenlampe jederzeit mit einer regenerativen Restenergie verwenden, allerdinngs lässt die Lichtleistung schon bei vollen Batterien relativ schnell nach und hat gegen Ende nicht mehr viel zu bieten.     

Wenig Interaktion

Bis auf das Aufnehmen besagter und markierter Gegenstände halten sich Interaktionen mit der Umgebung in Grenzen: Zwar darf schon mal auf der Tröte einer von Natur aus gruseligen Clowns-Figur oder einer Fernbedienung herumgedrückt werden, doch Schubladen oder Schränke bleiben außen vor. Und auch die Lichtschalter verlieren nach dem Stromausfall im Gebäude schnell an Bedeutung – genau wie das eingestreute und völlig überflüssige Schachspiel gegen einen Geist, bei dem jeder manuelle Zug fest geskriptet ist. Auf die kurzen Story-Manuskripte, die von einem lustlosen deutschen Sprecher vorgetragen werden, hätte man ebenfalls verzichten können. Sie liefern zwar ab und zu Hinweise, bringen die lasche Geschichte aber kaum voran und sorgen auch nicht für einen Spannungsbogen.

Fazit

Mit Pineview Drive hat Entwickler VIS viel versprochen, doch am Ende bleibt von den großen Horror-Ambitionen des deutschen Studios nicht viel übrig. Zu schnell nutzen sich die vermeintlichen Psycho-Spielchen ab und es wird nach den atmosphärischen Ansätzen im Einstieg klar, dass in den dunklen Korridoren und Außenarealen keine echte Gefahr droht. Vielleicht lag es an meiner unerschrockenen Spielweise, die sich überraschend schnell eingestellt hat, aber meine Gesundheit war nur selten in Gefahr: Sowohl die Anzeige als auch mein Puls verweilten die meiste Zeit im grünen Bereich. Den größten Horror verbreitet der Titel beim Spieldesign mit seiner redundanten Schlüssel- und Türensuche, die mit jedem weiteren Tag trotz des dankbaren Hilfesystems zunehmend nerviger wird. Nein, so macht die Suche nach der Wahrheit keinen Spaß! Und so wundert es mich kaum, dass es niemand länger als 30 Tage auf dem Spuk-Anwesen aushält, denn angesichts der erschreckenden Langeweile will man irgendwann einfach nur noch möglichst weit weg von Pineview Drive!

Pro

ansatzweise gelungene Atmosphäre
vereinzelte Schreckmomente
stimmungsvolle, aber wiederholungsanfällige Klangkulisse
Hilfssystem...

Kontra

redundante und zunehmend nervige Schlüsselsuche
sehr beschränkte Interaktionen
Bedrohungsgefühl sinkt rapide
...das erst recht spät greift
sinnlose Gesundheitsanzeige
lahme Storyeinbindung
oft zielloses Umherlaufen

Wertung

PC

Trotz atmosphärischer Momente steckt der wahre Horror von Pineview Drive im grausigen, eintönigen Spieldesign!

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