Im Test: Auge in Auge mit den Giganten
Überleben unter Dinos
Das Prinzip klingt verlockend: Endlich mal ein Jagdspiel, bei dem ich nicht nur auf harmloses Wild, sondern aggressiv durch die Steppe stampfende Urzeitviecher anlege. Als technisches Grundgerüst dient die Jagdsim theHunter. Zum Spielen der Stand-Alone-Erweiterung mit dem Untertitel „Primal“ wird aber kein anderer Ableger der Reihe benötigt. Stattdessen hat Entwickler Expansive Worlds die Formel ein wenig umgebaut und mit Survival-Elementen angereichert, die sich an beliebten Titeln wie DayZ orientieren. Diesmal gehe ich nicht einfach nur auf die Jagd, sondern werde als Sträfling mit einer Kapsel auf einem prähistorischen Planeten abgeworfen. Ob meine Figur überlebt, hängt ganz davon ab, wie geschickt oder dämlich ich mich anstelle. Der makabre Plan sieht vor, dass ich zusammen mit anderen Häftlingen die gefährlichen Dinos ausrotte, um die Insel für Siedler bezugsfähig zu machen. Die Rahmenhandlung wird allerdings nur in minimalistischen Textfenstern erzählt. Die Ankunft hätte man gerade beim gewählten Survival-Thema deutlich mitreißender gestalten können. Nicht einmal Tutorials bereiten mich auf meinen Überlebenskampf vor. Stattdessen heißt es: "Friss oder stirb - und wirf vielleicht noch eine Blick auf die zu knapp gehaltene Anleitung im Menü, die nur Grundlagen verrät."
Hilfreiche Community
Ich wurde erstmal gebeten, nicht wie eine Dino-Scheuche in meinen leuchtend gelben Standard-Sträflingsanzug herumzulaufen. Als der Veteran mit Early-Access-Erfahrung bemerkte, dass ich neu war, nahm er mich erstmal in Ruhe mit auf eine halbstündige Tour zu den auf der Insel verstreuten Kisten und Vorratslagern und verschaffte mir allerlei wichtige Utensilien: Tarn-Kleidung für Kopf, Beine und Oberkörper, ein Scharfschützengewehr, eine Crowd-Control-Schotflinte Kaliber 12 mit Visier-Aufsatz und Munition. Dann wanderten wir gemeinsam ein Weilchen durch die Prärie, an einem Wald entlang und pirschten uns schließlich langsam an einen T-Rex heran. Den Gigant erkennt man natürlich an seinem donnernden Stampfen wie im Film Jurassic Park. Auch andere Arten lassen sich akustisch orten, wenn man die Ohren offen hält. Vor allem auf die im Rudel jagenden Utahraptoren sollte man achten: Manchmal kommunizieren sie nur durch Bellen und andere Alltags-Laute untereinander. Wenn sie sich für die Jagd auf mich abstimmen, werden ihre Schreie aber spitzer. Sie sind die nervigsten Reptilien auf der Insel, da ich im Dickicht des Waldes jederzeit in eines ihrer Reviere stolpern kann. Ein versprengtes Exemplar lässt sich problemlos durch geschicktes Umkreisen und ein paar gezielte Schläge mit der Machete in die Flucht schlagen, doch wenn mehrere der Biester zusammen angriffen, bin ich schon mehrmals zu ihrer Mahlzeit geworden. Vor allem, wenn mir die begrenzte Puste ausgeht, wird es schwer, gleichzeitig auszuweichen und zuzuschlagen. Schade, dass die Entwickler den Nahkampf trotz neuem Survival-Fokus nicht griffiger gestaltet haben. Mehr als ein paar hölzerne Hiebe und Ausweichbewegungen sind mit der Machete nicht drin. Wenn mein Angreifer schließlich klein bei gibt, lässt er sich ziemlich schwer einholen – daher versuche ich auf der Jagd stets das Überraschungsmoment zu nutzen.
Feuer!
Ich lege an, jage ihm mit dem Scharfschützengewehr drei Schüsse in die Körpergegend, in der ich Herz und Lunge vermute, und binnen Zehntelsekunden stampft der wütende Koloss in meine Richtung. Auf den Kopf soll man laut Anleitung möglichst nicht zielen – schließlich gibt es bei dem Jäger mit dem Erbsenhirn dort nicht sonderlich viel, was kaputt gehen könnte. Ich robbe zwischen zwei fette Findlinge, warte ein Weilchen – und tatsächlich: Der Riese kann mich nicht direkt orten und streckt erst einmal schnuppernd die Nase in den Wind. Weglaufen ist in diesem Spiel grundsätzlich eine schlechte Idee, da alle Urzeitechsen deutlich schneller rennen können als ein Mensch. Vielleicht hätte ich einfach mehr Geduld beweisen müssen, bis der Rex das Interesse verliert und sich wieder entfernt. Auch durch Steinwürfe lassen sich Dinos ablenken. Stattdessen stecke ich meinen Kopf aus der Deckung und drücke noch ein paar Mal mit der Schrotflinte ab. Offensichtlich hat das nicht gereicht: Ein schneller Haps und ich bin tot. Mahlzeit!
Technisch nur halbwegs auf der Höhe der Zeit
Das Unterholz ist dicht genug, damit Raptoren effektiv darin herum huschen können. Im Gegensatz zu Evolve oder Grow Home mangelt es aber an zerklüfteten Vorsprüngen und interessanten Eigenheiten im Terrain. Haben die Entwickler vielleicht bewusst nur sanfte Hügel eingebaut, damit die Dinosaurier nicht auf der Flucht hängen bleiben? Scheue Kolosse wie Triceratopse (von der Commmunity liebevoll Trixis genannt) galoppieren in Sekundenschnelle davon, wenn man sie aufschreckt. Die KI der Tiere schwankt: Das Fluchtverhalten und die Jagd im Rudel wirkt relativ glaubwürdig, im Kampf spulen die meisten Biester aber zu oft die gleichen Attacken ab. Auch der Angriff des flatternden Flugsauriers Quetzalcoatlus wirkt zu vorhersehbar: Lauft im Eiltempo über eine seiner Lichtungen oder am steinigen Berg hinauf und ihr könnt euch sicher sein, dass er etwa einmal pro Minute versucht, euch zu krallen und aus der Luft auf den Felsen zerschellen zu lassen. Noch stumpfer agieren die Velociraptoren, die sich selbst im Rudel fast ohne Gegenwehr mit der Machete niedermetzeln lassen.
Fazit
Wenn man sich erst einmal durch den sperrigen Einstieg von theHunter: Primal gekämpft hat, besitzt die Jagd auf die Urzeit-Giganten durchaus ihren Reiz. Vor allem im Zusammenspiel mit anderen Jägern lernt man nach und nach Taktiken, mit denen man möglichst lange überlebt und sich effektiv an die Dinos heranpirscht, ohne sie zu früh aufzuschrecken. Wer sich auf die Jagd begibt, sollte aber ähnlich wie in der Realität viel Geduld mitbringen. Oft dauert es lang, bis man bei der Spurensuche erfolgreich war und im passenden Terrain auf sein Ziel anlegt. In solchen Momenten kommt durchaus Spannung auf - da man bei unbedachtem Agieren schnell selbst zur Mahlzeit wird und seine Ausrüstung verliert. Insgesamt wirkt der Abenteuerausflug auf den prähistorischen Planeten aber zu rudimentär: Die nur fünf Dinosaurier-Arten bieten mit ihren nicht sonderlich komplexen KI-Routinen auf Dauer zu wenig Abwechlung - gerade im Vergleich zu Umfang-Riesen wie Monster Hunter. Auch das Terrain wirkt im Vergleich zu Evolve zu einförmig: Das hübsch inszenierte Inselpanorama bietet zwar dichtes Unterholz und schöne Wetterkapriolen, aber kaum interessante Erdverwerfungen, steile Vorsprünge, Höhlen oder dergleichen. Wer sich mit der minimalistischen und etwas sperrigen Aufmachung anfreundet, kann aber durchaus einige entspannte Abende auf dem Dino-Planeten verbringen – vor allem, wenn man sich gemeinsam auf die Jagd begibt.
Pro
Kontra
Wertung
PC
Der idyllische Mix aus Dino-Jagd und Überlebenskampf entfaltet durchaus seine Faszination - Umfang und Präsentation wirken aber minimalistisch.
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