Curious Expedition06.09.2016, Jörg Luibl
Curious Expedition

Im Test: Zwischen Tesla und Lovecraft

Lust auf ein historisch inspiriertes Independent-Abenteuer aus Deutschland? Mit The Curious Expedition stellt "Maschinen-Mensch" sein erstes Spiel vor, das thematisch sehr stark an Renowned Explorers aus dem Jahr 2015 erinnert. Im Mittelpunkt steht die Erkundung der Welt mit einem Team aus Prominenten wie Charles Darwin oder Nicola Tesla. Was der Trip ins fiktive 19. Jahrhundert zu bieten hat, klärt der Test.

Gnadenloses Pixelabenteuer

The Curious Expedition entführt euch als Anführer einer Expedition in Dschungel, Steppen und Wüsten rund um den Globus. Im Wettlauf mit anderen Entdeckern gilt es möglichst viel Ruhm zu ergattern. Zunächst wählt man eine von 18 freischaltbaren historischen Persönlichkeiten wie etwa Charles Darwin, Francis Burton oder H.P. Lovecraft. Zwar besitzen diese nicht so viele Rollenspielwerte wie ihre Kollegen in Renowned Explorers, aber sie bringen alle andere Begleiter, Eigenschaften sowie Ausrüstung mit. Marie Curie hat z.B. einen Jagdhund, Esel sowie Missionar dabei, darf nach einer erfolgreichen Expedition aus fünf statt drei Zusatzfähigkeiten wählen und im Rucksack hat sie Schokolade, Fackeln, Medizin, Munition sowie Kletterwerkzeug.

Kurios: Obwohl "The Curious Expedition" vom deutschen Team Maschinen-Mensch stammt und hierzulande gefördert wurde, ist es nur auf Englisch erhältlich.
Aber keine Bange: All das kann sich entwickeln, so dass man nach einigen Expeditionen vielleicht mit einem ganz anderen Team sowie Möglichkeiten unterwegs ist - falls man denn so oft hintereinander überlebt. Stirbt der Held, darf man sich in der Highscore verewigen, aber muss wie z.B. in FTL: Faster Than Light & Co komplett von vorne anfangen. Zwar sorgt die charmante Pixelkulisse zusammen mit der Musik für ebenso gemütliches wie nostagisches Flair, das an Klassiker wie Pirates! oder Monkey Island erinnert, und die erste Expedition meistert man noch ohne große Mühe, aber das Abenteuer ist schon auf dem zweiten von drei Schwierigkeitsgraden knallhart.

Wo ist bloß die goldene Pyramide?

Das Ziel ist immer gleich: Man muss nach der Landung mit seinem Segelschiff die irgendwo versteckte goldene Pyramide finden, um eine Mission erfolgreich

Auf der Hexfeldkarte wählt man seine Route per Mausklick. Je nach Gelände braucht man mehr Zeit oder Werzeuge bzw. Vorräte, um weiter zu kommen.
abzuschließen - danach wird man automatisch nach Hause gebeamt, um die Beute entweder für Ruhm oder Geld einzutauschen. Einen vagen Hinweis auf die Pyramide liefert der zu Beginn wild ausschlagende Kompass, der erst mit weiteren Schritten ins Inland genauer auf die Richtung deutet. Um zu erkunden, klickt man einfach auf ein sichtbares Zielfeld der Hexfeldkarte - vorher kann man erkennen, wie lange man braucht oder anhand von Symbolen, dass z.B. Wasser bei Wüstenfeldern verbraucht wird. Manchmal braucht man auch Werkzeug wie Seile oder gar Dynamit, um Zeit zu sparen oder den Weg frei zu machen

Schon ab der dritten Expedition muss

Ups, ein Portal? Gibt es Außerirdische?
man aufpassen, dass man nicht aufgrund von Verletzungen, Nahrungsmangel oder zu viel Gier das Zeitliche segnet. Das Managen von Nahrung, Wasser & Co ist je nach Region anspruchsvoll, hinzu kommen gefährliche Ereignisse wie Überfälle durch wilde Tiere oder fatale Konsequenzen, wenn man z.B. die einheimischen Tempel einfach plündert: Dann kann schonmal ein Vulkan ausbrechen und man muss fliehen. Was das Spieldesign gut transportiert, ist der materielle Aufwand sowie die Gefährlichkeit der Reise: Man muss stets kalkulieren, wie weit man kommen kann, ohne auf dem Weg zur goldenen Pyramide zu sterben. Und man hofft immer auf Lager oder Händler, wenn man keine Rationen mehr hat. So entsteht eher ständige Kosten-Nutzen-Rechnung als etwa episches Abenteuer-Flair am Stück wie in 80 Days.

Interessanter Einstieg, einschläfernde Routine

Gerade in den ersten Stunden macht das trotz der spartanischen Inszenierung Spaß, zumal es da noch einige Überraschungen gibt und auch negative Charaktereigenschaften wie in Darkest Dungeon: Man trifft auf Begleiter, die z.B. Alkoholiker, Kleptomanen oder Kannibalen sein können - da wacht man schonmal auf und der schottische Rassist mit den tollen Kampfwerten wurde vom heidnischen Scout gefressen; Mahlzeit! Schön sind auch die Entscheidungen in den Gesprächen, die Konsequenzen nach sich ziehen: Wer den Einheimischen etwas schenkt oder ihre Heiligtümer in Ruhe lässt, gewinnt an Ansehen, so dass man wiederum Begleiter rekrutieren kann. Wer geizt und plündert, verliert an Ansehen, aber kann vielleicht mehr Ausrüstung für die nächste Expedition kaufen.

Wer Reißzähne dabei hat, kann auch tierische Begleiter kaufen - die helfen im Kampf.
Das hört sich alles gut an, aber spätestens nach drei, vier Stunden wiederholen sich viele Orte, Aufgaben und Gespräche sowie Ereignisse. Schon wieder so ein Tempel, schon wieder eine Höhle oder ein Steinkreis. Auch die wenigen Dialoge sind weder so vielfältig noch verschachtelt wie etwa in Renowned Explorers oder gar im Storytelling-König 80 Days, zumal es zu selten Fähigkeitenproben gibt. Hinzu kommt, dass sich die Wahl eines anderen Entdeckers kaum auf die Möglichkeiten im Spiel auswirkt - hier hätte man markantere Unterschiede zwischen Lovecraft und Tesla anbieten müssen, denn der vielleicht über ein paar Perks entwickelte Liebling ist nach dem ersten Ableben wieder ein unbeschriebenes Blatt. Und nach ein paar Anläufen hat man einfach durchschaut, was man wo machen kann oder nicht - zwar sorgen noch ein paar ungewöhnliche Ereignisse über Teleporter & Co für etwas skurrile Fiktion, aber letztlich sinkt die Motivation auf lange Sicht merklich durch die nahezu einschläfernde Routine.

Keine deutschen Maschinen-Menschen

Die stellt sich auch in den rundenbasierten Kämpfen gegen Raubtiere,

Die Rundenkämpfe werden sehr fade inszeniert und bieten kaum taktische Möglichkeiten.
Sklavenhändler & Co ein: Wie in einem Brettspiel greift man je nach Teamzusammensetzung auf einen anderen Pool aus Würfeln zurück, um mit einzelnen oder Kombinationen aus den so erreichten Symbolen z.B. Tritte, Attacken, Riposten oder Ausweichmanöver zu aktivieren. Wer Krieger oder Ausrüstung wie Munition, Speer & Gewehr dabei hat, erhöht seine Chance auf Treffer. Das wird leider nicht nur schrecklich statisch inszeniert, sondern läuft ohne große taktische Eingriffsmöglichkeiten auf das immer gleiche Auswürfeln hinaus, bis alle Feinde besiegt sind.

Wie in allen Spielen mit Zufallsprinzip kann es auch zu unfairen Situationen

MManchmal gibt es fatale Konsequenzen...
kommen, wenn die Topographie der Karte z.B. so viel unpassierbares Gelände zeigt, dass man in dieser Mission einfach nicht zum Ziel kommen kann. Aber immerhin gibt es die Möglichkeit, die Expedition per Ballon abzubrechen und lebend nach Hause zu kommen. So verliert man zwar im Wettlauf mit den vier KI-Entdeckern wertvolle Punkte, aber muss nicht schon wieder neu starten. Was ich nicht vestehe: Warum gibt es keine deutschen Texte? Immerhin handelt es sich um ein deutsches Team, das vom Medienboard Berlin-Brandenburg gefördert wurde. Außerdem hat man im Early Access über 20 Monate Zeit gehabt, um die Lokalisierung zu stemmen...

Fazit

Ich mag das Zeitalter der Entdeckungen und komme selbst aus der digitalen Pionierzeit, als der Pixel auf dem C-64 und Amiga noch für Staunen sorgen konnte. Wenn ich in The Curious Expedition mit meinem Team irgendwo im Dschungel unterwegs bin, denke ich sofort an Pirates, Monkey Island & Co. Und in den ersten Stunden sorgt das Aufdecken der Terra incognita durchaus für Vergnügen. Aber selbst wenn die Kulisse zusammen mit der lieblichen Musik zunächst nostalgische Erinnerungen weckt, folgt recht bald die Routine der ewig gleichen Klicks. Das liegt nicht daran, dass das Abenteuer sehr spartanisch inszeniert wird, was Animationen & Co betrifft. Ach so: Warum gibt es eigentlich keine deutschen Texte zu einem Spiel aus Deutschland? Das liegt eher daran, dass sich das Prinzip aus Erkundung und Kampf früh abnutzt, weil zu schnell zu viele gleiche Orte, Aufgaben sowie Ereignisse stattfinden und neben den immer gleichen Dialogen vor allem die faden Würfelgefechte an Reiz verlieren. Außerdem ähnelt The Curious Expedition in seinem Ansatz frappierend Renowned Explorers - International Society aus dem Jahr 2015. Und das hat das Thema technisch und inhaltlich einfach besser umgesetzt. Es ist letztlich die Gnadenlosigkeit sowie das Wettrennen um Ruhm gegen die KI-Entdecker, das mich als Fan von FTL: Faster Than Light und Highscore-Fetischist noch solide unterhält. Wer ein wirklich kreatives Spiel sucht, das weniger Kosten-Nutzen-Mathematik, sondern deutlich mehr Abenteuerflair, dazu verschachtelte Dialoge und Freiheit in der Routenwahl vermittelt, sollte unbedingt 80 Days probieren.

Pro

charmantes Pixeldesign, nostalgisches Flair
interessantes Erkundungsprinzip auf Zufallskarten
anspruchsvolles Haushalten mit Ruhm/Geld
Entscheidungen mit Konsequenzen
Wettlauf um Ruhm mit vier KI-Rivalen
viele historische Persönlichkeiten freischalten
Rollenspiel light inkl. Begleiter, Macken & Aufstieg
drei Schwierigkeitsgrade; Tutorial
angenehme Musik

Kontra

spartanische Inszenierung
auf Dauer fades Würfel-Kampfsystem
zu schnell viele gleiche Orte, Aufgaben, Ereignisse
Dialoge ohne zweite Ebene oder Verschachtelung
Zufallsprinzip kann unfaire Situationen schaffen
keine deutsche Übersetzung (hallo, deutsches Team?)
andere Entdecker wirken sich nur marginal aus
nur lokale Highscore, keine Online-Rangliste

Wertung

PC

Gemütlich, charmant, tödlich - aber auf lange Sicht leider auch statisch und langweilig. Der Reiz der Terra incognita verfliegt nach ein paar Stunden aufgrund immer gleicher Abläufe und fader Kämpfe. Ehrgeizige Highscore-Jäger werden aber noch solide unterhalten.

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