Im Test: Retro-Trip zum Lachen und Fluchen
Vom Kneipengänger zum Weltenretter
Pixel Heroes entführt den Spieler ins verschlafene Abenteurerstädtchen Mannhei..., pardon Pixton, wo eine Bande namens "Die Söhne des MorgenGRAUENS" mit dem Weltuntergang droht. Zumindest in der ersten der drei nacheinander absolvierbaren Kampagnen mit dem Dungeons-&-Dragons-Veteranen zuzwinkernden Titel "Fools of Radiance". Parodistische Anspielungen und Seitenhiebe findet man rund um Pixton, wo selbst Miyamoto und Sakaguchi als Quest-Ausrufezeichen-Verkäufer herhalten müssen, immer wieder. Und das nicht nur im Bezug auf Rollen- und Computerspiele.
Besonders sympathisch ist dabei, dass die deutschen Entwickler auch vor sich selbst nicht Halt machen und ihre Figuren grafische Unzulänglichkeiten, fehlende Optionen oder nicht programmierte Features anprangern lassen. Auch einen Charaktereditor gibt es nicht. Seine dreiköpfige Pixelheldentruppe sucht man sich in klassischer Bard's-Tale-Tradition in der örtlichen Taverne aus Menschen, Zwergen, Halblingen oder elfenähnlichen Himmelskindern aus.
Der Zufallsgenerator wird sogar sprachlich eingesetzt, wo er mit seinen Stilblüten für herrlich verrückte Charakter- und Item-Beschreibungen sorgt. Einem Wolfsreiter, der sich von entstellten Enten sexuell angezogen fühlt, begegnet man zwar noch mit Vorsicht, aber wie kann man einen Aspiranten abweisen, der berühmt dafür ist, eine niedliche Katze im Duell besiegt zu haben oder gegen dessen scharfes Schweinefilet ein richterliches Verbot vorliegt? Darüber hinaus verfügen die Kandidaten natürlich auch über individuelle Charakterwerte und Fähigkeiten, die von ihrer Ausrüstung und Klassenzugehörigkeit abhängen.
Bis zu 30 Professionen, die sich nach und nach freischalten lassen, stehen zur Auswahl. Vom klassischen Barden, Barbaren oder Priester bis hin zu Kuriositäten wie Tüftler, Plagenbringer oder Psionikerin. Hat man sein Trio beisammen, geht's raus aus der Kneipe und rein ins Abenteuer. In punkto Erzählung und Inszenierung sollte man allerdings keine allzu hohen Ansprüche setzen, denn auch beim questbasierten Spielverlauf regiert König Zufall. Jede Kampagne besteht aus acht erfolgreich abzuschließenden Einsätzen, die in gut ein Dutzend unterschiedliche Dungeons führen, von denen immer zwei via Quest zur Auswahl stehen. Nur der jeweils letzte Einsatz ist vorgegeben.
Der Weg ist das Ziel
Nennenswerte Story-Passagen gibt es aber ohnehin nicht. Ein paar erklärende Worte zum Auftakt und Finale sind quasi alles, was einem dramaturgisch serviert wird. Bis dahin ist es allerdings ein langer, steiniger Weg, auf dem man viel Lehrgeld zahlen muss.
Im Prinzip schickt man Heldentrupp für Heldentrupp in den Tod, um immer mehr über die Stärken und Schwächen der Gegner sämtlicher Dungeons zu erfahren. Denn nur wer genau weiß, welche elementaren Kräfte und Statusabnormalitäten wo walten, hat Aussicht auf Erfolg. Wobei selbst mit allem Wissen manches einfach Glückssache bleibt. Schließlich kann man sich nur adäquat schützen, wenn man auch die dafür nötigen Mittel zur Verfügung hat. Und neben dem begrenzten Inventar hat man halt vor allem auf das, was man von Gegnern erbeutet oder vom Ladenbesitzer angeboten bekommt einfach keinerlei Einfluss.
Wenn man im finalen Dungeon nur draufgeht, weil man einfach nicht die notwendige Ausrüstung ergattern konnte, ist Frust durchaus vorprogrammiert. Denn die Pixelhelden gewähren keine zweite Chance oder andere Milde. Stirbt die Gruppe, ist und bleibt sie tot. Es gibt keinerlei Sicherheitsnetz, weder in Form von Continues, Rücksetzpunkten, noch Spielstandssicherungen. Man stirbt, landet auf dem örtlichen Friedhof und muss mit neuer Heldentruppe wieder bei null anfangen. Für Roguelike-Fans nichts Neues. Choleriker oder andere, denen die Nerven dafür fehlen, sollten trotz eigentlich recht kurzer Kampagnen jedoch lieber Abstand halten.
Auch ein Aufleveln abseits der Hauptaufgabe ist nicht möglich, da es neben den acht Pflichteinsätzen keine weiteren Erfahrungspunktequellen gibt. Man wählt eine von zwei zufällig angebotenen Quests bzw. Dungeons, rüstet sich bestmöglich aus und verlässt die Stadt Richtung Zielort. Die Reise dorthin verläuft automatisch, hält allerdings eine Reihe zufälliger Ereignisse bereit, auf deren Ausgang man in Multiple-Choice-Manier Einfluss nehmen kann. Man erfüllt den skurrilsten Typen Gefälligkeiten, löst Rätselfragen, spielt Versuchskaninchen, gerät in Hinterhalte oder tut einfach nur seine Meinung kund.
Gefangene des Zufalls
Die Dungeons selbst bestehen alle aus einer Reihe von acht zufällig aneinandergereihten Räumen, in denen sich entweder Gegner oder Schätze befinden können. Letztere sind stets mit Fallen gesichert, deren erfolgreiche Entschärfung von einem zufälligen Charakterwert abhängt. Je höher dieser ist, um so geringer das Verletzungsrisiko.
Immerhin darf man beim strikt rundenbasierten Kampfsystem stets als Erster agieren und einen seiner drei Gruppenmitglieder eine von je zwei klassen- oder ausrüstungsbezogenen Fertigkeiten ausführen lassen. Danach kommt einer der bis zu drei Gegner zum Zug und so weiter, bis eine Seite aufgerieben ist. Es gibt ein simples Formations- und Elementarsystem, Reichweitenbeschränkungen sowie zahlreiche Statuseffekte, die den Kampfverlauf maßgeblich beeinflussen. Ein von Verwirrung heimgesuchter Angriffsmagier kann mit nur einer Aktion die gesamte Party auslöschen, ein gegen die richtigen Elemente und Beeinträchtigungen resistenter Heiler einen kompletten Dungeon im Alleingang bewältigen.
Während Ausrüstungsfähigkeiten beliebig oft eingesetzt werden können, haben Klassenfähigkeiten individuelle Reaktivierungszeiten. Mana, Aktionspunkte oder ähnliches gibt es nicht. Allerdings muss jedes Gruppenmitglied nach seinem Einsatz eine Runde pausieren, so lange die anderen beiden nicht tot sind. So lange mindestens ein Gruppenmitglied am Leben ist, besteht aber auch für die Gefallenen noch Hoffnung. Schafft es nur ein Überlebender zurück nach Pixton, kann der seine verstorbenen Kameraden nämlich in der Kirche gegen einen Obolus wiederbeleben lassen. Zuvor muss man allerdings den letzten Raum des aktuellen Dungeons erreichen, den dortigen Boss bezwingen und sich auf dem Rückweg zur Stadt nochmals heil durch die zufälligen Reiseereignisse schlängeln.
Steigt ein Held eine Stufe auf, darf man selbst Punkte auf die fünf Grundwerte Leben, Stärke, Geschick, Intelligenz und Glaube verteilen, die sich zusammen mit der angelegten Ausrüstung wiederum auf die Höhe der physischen und magischen Angriffskraft, der Präzision, der Heilfähigkeit sowie der physischen und magischen Verteidigung auswirken.
Die deutsche Lokalisierung liest sich dank heimischer Entwickler sehr angenehm und bietet gelungene Wortwitze und Dialekte. Alternativ kann man das Abenteuer aber auch auf Englisch genießen. Sprachausgabe gibt es in beiden Fällen keine. Die Benutzerführung ist hier und da unnötig umständlich. Neben der Zielauswahl hätte man vor allem das ständige Hin- und Herschalten zwischen Kampf-Log und Statusanzeige eleganter lösen können. Gravierende Mankos bestehen jedoch nicht.
Fazit
Pixel Heroes kann ebenso witzig wie frustrierend sein. Da schmunzelt man noch über den letzten parodistischen Seitenhieb auf den Herrn der Ringe, die Matrix oder Super Mario und im nächsten Moment sorgt eine einzige geglückte Gegneraktion für die Auslöschung der kompletten Party und deren permanenten Tod. Kein Continue, kein Rücksetzpunkt, kein Spielstandladen - man landet, egal wie weit man gekommen ist, auf dem Pixel-Friedhof neben all den anderen gescheiterten Abenteurergruppen. Und trotzdem kehrt man, nachdem man die Entwickler, den Zufallsgenerator, Gott, die Welt und sich selbst mehrfach verflucht hat, immer wieder mit neuer Truppe und Strategie zurück, bis zwischen den ganzen Grabsteinen endlich ein Denkmal steht. Dabei sind die Tode in der Regel nicht einmal taktischem Versagen, sondern schnöden Trial-&-Error-Tretmühlen oder dem Zufall geschuldet: Wenn einen weder Shop noch Gegner mit passender Ausrüstung versorgen, ist man einfach chancenlos. Zudem setzen die auch inhaltlich zufällig zusammengesetzten Pixelabenteuer für meinen Geschmack etwas zu sehr auf Recycling. Die drei Kampagnen unterscheiden sich nur in punkto Schwierigkeit und Finale. Auch die Benutzerführung hätte man teils noch deutlich optimieren können. Dank großer Charaktervielfalt und sympathischer Selbstironie wurde ich unterm Strich dennoch knapp gut unterhalten.
Pro
Kontra
Wertung
PC
Humorvolles Roguelike-Rollenspiel für nervenstarke Pixelfans.
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