Battlefield Vietnam11.03.2004, Paul Kautz
Battlefield Vietnam

Im Test:

Donnernde Rotoren, tödliches Napalm, eine ganze gegen den Krieg demonstrierende Generation - mit Vietnam verbindet man nicht direkt Spaß. Da das aber mit dem Zweiten Weltkrieg auch nicht anders ist, und die Schweden von Digital Illusions aus dem Thema einen der spannendsten Team-Shooter getrickt haben, verbannen wir etwaige Moralfragen in den Kartoffelkeller, und sehen nach, ob uns im Dschungel noch mehr außer kreischenden Brillenträgern erwartet.

Ich bin so allein!

Von 1968 bis 1973 erlebten die USA eine ihrer bislang größten Kriegspleiten in Vietnam. Dieses Szenario verpacken Digital Illusions, die Macher von Battlefield 1942, in 14 handliche Karten, auf denen ihr dem klassischen BF1942-Spielprinzip frönt: Zwei Teams kämpfen gegeneinander um die Vorherrschaft von Flaggen. Wird eine besetzt, verliert 

Im Kampf mit der KI: Eure Computerkumpels sind bestensfalls zum Üben zu gebrauchen.
der Gegner so genannte »Tickets«. Das sind einfach Punkte, die umso schneller heruntergezählt werden, je weniger Flaggen man besetzt hält. Ist der Zähler bei Null angekommen, hat das Team verloren - so einfach gewinnt man einen Krieg.

Obgleich das Spielprinzip nach Mehrspielergefechten mit bis zu 63 Mitspielern schreit, könnt ihr zuerst auch im Einzelspielermodus üben. Allerrdings gibt es momentan nur einen Modus, den »Instant Battle«, in dem ihr eine Karte auswählt, Zahl und Stärke der Bots bestimmt und loslegt. Die anderen Modi, die noch in unserer Preview-Version enthalten waren, sollen irgendwann per Patch nachgeschoben werden - offenbar bekommt Digital Illusions den Story-Modus und die Herausforderungen nicht mehr fristgerecht ins Spiel.

Dumpfbacken im Dschungel

Da man als Einzelspieler auf das Können seiner KI-Kumpels angewiesen ist, wird man mit Freude feststellen, dass die Bots nicht nur mehr oder weniger zuverlässig auf Befehle reagieren, sondern tatsächlich in Sachen »Flagge holen« dazugelernt haben. Allerdings wurden die Lektionen zum Thema »Flagge halten« wohl verschlafen, jedenfalls halten sich eure Kameraden lieber mit sinnlosen Scharmützeln auf, als nach den Basen zu sehen, während der Gegner eine Flagge nach der anderen abgrast. Gelegentlich rennen eure Einheiten auch wie aufgescheuchte Hühner zwischen zwei Punkten hin und her, so dass letzten Endes das Punkteholen - wie schon im Vorgänger - hauptsächlich auf euren Schultern lastet.

Alle Mann an Bord - sämtliche Fahrzeuge haben Platz für mindestens zwei Passagiere.
Auch in anderer Hinsicht versagt die KI kläglich: Der Benutzung der reichlich vorhandenen Fortbewegungsmittel. Wie gehabt könnt ihr alle herumstehenden Fahr- und Flugzeuge verwenden, seien es Panzer, Jeeps, Motorroller oder Amphibienmobile. Darüber hinaus beherrscht ihr auch den Luftraum mit Flugzeugen, und neuerdings auch Helikoptern: Schnelle MIG21-Jäger und brummelige Huey-Helis bringen Abwechslung in die Lauferei. Allerdings erfordern gerade die Hubschrauber dank Desert Combat-ähnlicher Steuerung allerhand Einarbeitung, wenn nicht jeder Start schon kurz darauf im dichten Dschungel enden soll. __NEWCOL__

Und genau mit diesem Problem hat auch die KI zu kämpfen: Die Bots können zwar starten, aber viel mehr auch nicht – aus der Entfernung könnt ihr immer wieder zusehen, wie die künstlichen 

Mit speziellen Helikoptern könnt Ihr Panzer oder auch mobile Spawn-Points durch die Luft schmuggeln.
Bruchpiloten durch die Luft trudeln, nichts anderes als Kreise drehen, vor und zurück schaukeln, und kurz gesagt einfach versagen.

Gutes Pausenprogramm

Zu Beginn müsst ihr wie gewohnt euren Spielercharakter wählen. Im Gegensatz zu BF1942 habt ihr jetzt nur noch die Wahl unter vier statt fünf Klassen – der Medic ist der Balancing-Schere zum Opfer gefallen. Bleiben noch MG-Soldat, Scharfschütze, Ingenieur und der mit einem dicken MG und Raketenwerfer bewaffnete Panzerknacker. Pro Klasse gibt es nicht nur zwei Hauptwaffen, sondern auch je zwei Körper- und Gesichtsformen. Bevor es ins Gefecht geht, müsst ihr euch allerdings noch ein anderes Hobby suchen: Die Ladezeiten sind wie gewohnt exorbitant lang, unter einem Gigabyte RAM dürft ihr teilweise mehrere (!) Minuten warten, bis ihr endlich das Schlachtfeld zu Gesicht bekommt.

Dieser Tatsache waren sich die Entwickler wohl schmerzlich bewusst, deswegen wird euch das Warten so süß wie möglich gemacht: Ihr bekommt nicht nur interessante Fakten über Kriegsschauplätze, -gerät und –parteien zu lesen, sondern auch ordentlich was auf die Ohren.  Ein Dutzend lizenzierter 70s-Songs von Jefferson Airplane über Deep Purple bis zu Edwin Starr

Die Sichtweite ist weit genug, um auch mit den schnelleren Maschinen stets ausreichend Übersicht zu haben.
schallen euch entgegen, und bringen euch in die richtige Schlachtstimmung.

Das dreckige Dutzend

Das Herz von Battlefield Vietnam (ab 23,10€ bei kaufen) ist natürlich wieder der Mehrspielermodus via LAN oder Internet. Maximal 64 Spielern stehen drei Modi zur Verfügung: »Conquest« ist das bekannte Ticket-Sammeln ohne Wenn und Aber, »Custom Battle« dasselbe mit mehr Optionen. In »Evolution« schließlich habt ihr zehn Karten zur Verfügung, die ihr zwei Mal hintereinander spielt, jeweils aus der Sicht einer anderen Kriegspartei. Das hat auch Einfluss auf das Aussehen der Karte. Während sie beispielsweise in der ersten Runde noch unbeschädigt ist, agiert ihr beim zweiten Mal in zerbombten Ruinen.

 

Anders als in gängigen Jeder-gegen-jeden-Shootern ist das Teamplay in der Battlefield-Serie sehr wichtig: Einzelkämpfer sind Kanonenfutter, Koordination des Teams der Schlüssel zum Sieg. In diesem Zusammenhang ist es natürlich sehr hilfreich, dass alle Vehikel mit zwei oder mehr Personen besetzbar sind – selbst auf dem spritzigem Roller der Vietnamesen haben zwei Krieger Platz: Einer fährt, der andere ballert nach hinten. Als Passagier an Bord eines großen Hubschraubers seid ihr jetzt auch nicht mehr hilflos. Entweder greift ihr zur bordeigenen Waffe oder ballert mit eurer üblichen Kanone.

Die Hubschrauber erfordern die meiste Einarbeitung, allerdings machen Luftkämpfe mit den schweren Brummern mächtig Spaß.
Und zu guter Letzt könnt ihr mit größeren Hubschraubern jetzt auch Lasten transportieren. Entweder schleppt ihr so einen Panzer unbemerkt hinter feindliche Linien, oder schmuggelt einen der neuen mobilen Spawn-Points an eine strategisch günstige Position. Einmal abgesetzt, können eure Truppen ab dem Zeitpunkt an dieser Stelle wieder von den Toten auferstehen.

Hört die Walküren!

Grafisch hat sich einiges getan: Zwar sieht die Optik auf den ersten Blick vertraut aus, aber die 3D-Engine wurde dem neuen Szenario angepasst und liefert glaubhaftes Dschungel-Flair. Ihr trabt durch hügelige Landschaften voller Bäume, Palmen und Büsche, watet durch dicht bewucherte Reisfelder, die hervorragende Deckung bieten, und kämpft euch durch bemerkenswerte Höhenunterschiede. Um den schnellen Flugzeugen Rechnung zu tragen wurde auch die Sichtweite enorm erhöht, allerdings sind die Karten insgesamt kleiner als gehabt, so dass ihr schnell von einem Ende zum anderen düst – verlasst ihr das Spielfeld, habt ihr einige Sekunden Zeit zurückzukehren, bevor ihr wegen Fahnenflucht exekutiert werdet.

Zurück auf dem Boden erwarten euch angenehm detaillierte, aber dennoch etwas grob geschnitzte Figuren, die sich gut animiert durch die Szenarien bewegen. Allerdings gibt es auch Schattenseiten: Neben den bereits erwähnten Hardwareanforderungen gibt es auf GeForce-Karten des Öfteren Grafikfehler in Form von Verzerrungen und Polygonhopsern – ein Sprung ins Hauptmenü und zurück beseitigt den Fehler zwar, aber gerade in heißen Online-Matches kann so etwas schnell nerven und gehört dringend ausgebügelt. Außerdem sind die Cockpits fast durch die Bank grob und recht hässlich, bei Personen vermisst man außerdem Schatten.

Akustisch trumpft das Spiel auf: Neben den tollen Lade-Songs gibt es im Hauptmenü einen groovigen Remix von Jefferson Airplanes »White Rabbit« zu hören.

Die Spielermodelle sind detaillierter als zuvor, allerdings keine wirklichen Schönheiten.
Im Spiel gibt es die üblichen Soundeffekte und sehr viel Propaganda-Sprachausgabe bzw.  Radio-Durchsagen, wenn ihr an Lautsprechern vorbeilauft. Im schönen amerikanischen Kaugummi-Slang erfahrt ihr beispielsweise etwas über die Bedeutung von Socken im vietnamesischen Dschungel, auf einer anderen Karte hört ihr eine mit starkem Akzent sprechende Frauenstimme Sprüche wie »GIs! Your government has abandoned you!« zischen. Das coolste Feature erwartet euch allerdings an Bord eines Fahr- oder Flugzeugs: Ihr könnt Eure Umgebung entweder mit der im Spiel integrierten oder eurer eigenen Musik beschallen. Kenner von Kriegsfilmen wie »Apocalypse Now« dürften erschaudern, wenn ein Hubschrauber mit Wagners »Ritt der Walküren« vorbeidonnert..

 

Fazit

Gleich das Gemecker vorweg: Battlefield Vietnam ist kein neues Spiel, es verlagert lediglich das Battlefield-Prinzip in ein neues Szenario. Der Singleplayermodus ist auch dieses mal bestenfalls eine Dreingabe, die KI ist zum größten Teil immer noch strunzdoof. Außerdem ist das Einspielervergnügen momentan noch sehr eingeschränkt; ob und wann die versprochenen Zusatzmodi kommen, steht noch in den Sternen. Nun zu den guten Seiten: Habt ihr ein paar Freunde zur Hand, gibt es momentan einfach keinen gelungeneren Team-Shooter als Battlefield Vietnam. Die neuen Karten sind kleiner, aber detaillierter, ihr habt mehr Möglichkeiten das Gelände zu nutzen, außerdem ist die Besetzung der Fahnen jetzt dank Team-Unterstützung jedes Mal eine Gratwanderung: Alleine dauert’s sehr lang, wenn allerdings zu viele Leute um eine Fahne stehen, könnte das vom Gegner ausgenutzt werden. Außerdem habe ich mittlerweile ein persönliches Lieblings-Subgame: Helikopter-Dogfights. Hat man erstmal die nicht ganz einfache Steuerung intus, kann man sich mit gegnerischen Piloten herrliche Luftschlachten liefern. In aller Kürze: Im Osten nichts Neues, dafür altbekannte Klasse!

Pro

grandiose Mehrspieler-Gefechte
tolle Grafik
großartiger Soundtrack
eigene Musik verwendbar
Beschallung der Umgebung aus Vehikeln möglich
abwechslungsreiche Karten
vier Spielerklassen
KI reagiert auf Befehle
tolles Renderintro
beiliegende Mod-Tools

Kontra

mäßige KI
hohe Hardwareanforderungen
horrende Ladezeiten
gewöhnungsbedürftige Flugzeug-Steuerung
maue Spielermodelle
dünner Singleplayermodus
Grafikfehler auf GeForce-Karten

Wertung

PC

DICE lässt es wieder gewaltig krachen: Auch in Vietnam entfaltet die Zerstörungsorgie mit Teamplay-Fokus enormes Suchtpotential.

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