Im Test: Rebellion der Technik
Bunte Parade der Bugs und Glitches
Eigentlich wollte Red Thread Games nach dem technischen Debakel im Debüt theoretisch ganz besonders gründlich nach Fehlern suchen - in der Praxis hat das aber nicht sonderlich gut funktioniert: Schon der Start der zweiten Episode scheitert bei mir daran, dass kein entsprechender Punkt im Menü auftaucht. Offenbar wurde nach dem Beenden von Buch 1 mein Spielstand nicht vernünftig gespeichert, so dass ich den finalen Abschnitt ein zweites Mal durchspielen musste - dann konnte ich endlich in die neue Episode starten. Auch danach liefert das Spiel ein unerschöpfliches Repertoire teils lustiger, teils ärgerlicher technischer Fehler. Bevor ich ins Detail gehe, beschreibe ich aber erstmal, worum es geht, wenn das Spiel mal ordnungsgemäß funktioniert. Das mit einer Kickstarter-Kampagne ermöglichte Dreamfall Chapters knüpft an die Adventure-Oldies The Longest Journey und Dreamfall: The Longest Journey an.
Schweigsamer Überläufer
Zuerst ist Kian an der Reihe: Eigentlich gehört er zum Volk der Azadi, das die Hauptstadt der Nordlande besetzt hat und die dort heimischen „magischen“ Völker mit Massakern und Deportationen terrorisiert. Mittlerweile ist Kian allerdings zum Widerstand übergelaufen und soll das Vertrauen anderer Mitglieder gewinnen. Fast jeder von ihnen hat ganz eigene Erfahrungen mit den Gräueltaten der Azadi gemacht, so dass Kian nicht all zu herzlich aufgenommen wird. Vor allem von seinem neuen Erzrivalen Likho bekommt er ordentlich Kontra. Ganz anders verhält es sich mit der knuffigen kleinen Enu. Sie erweist sich beim ersten Smalltalk mit Kian als schrecklich ungeschickt: „Toll! Hallo! Azadi, was? Das ist … ja toll. Bin nie bei ihnen gewesen. Ist es nett dort? Ich hab gehört, es soll nett sein. Wenn sie nicht, ihr wisst schon, Krieg führen und Magische ermorden.“
Einschneidende Entscheidungen
Liebenswert wirkt auch der Junge „Bip“, der auf dem Marktplatz versucht, meine Brieftasche zu stibitzen. Darin ist er zwar nicht besonders geschickt, allerdings deckt er mit seiner messerscharfen Kombinationsgabe in Sekundenschnelle Kians Identität als verdeckter Krieger des Widerstands auf. Als er mich über seine ins Arbeitslager verschleppten Eltern ausfragt, bringe ich es allerdings nicht übers Herz, ihm die Wahrheit zu verraten. Glücklicherweise weist er mir auch den Weg zu einer rassistischen Vereinigung, die ich infiltrieren soll. Meine Aufgaben und das Rätsel-Design wirken allerdings noch banaler als im Vorgänger. Meist muss ich einfach nur einige Orte abklappern oder eine Hand voll Gegenstände aus dem hakelig bedienbaren Inventar miteinander kombinieren. Mit Maus und Tastatur geht das immerhin etwas flüssiger von der Hand als mit dem 360-Controller. Gelegentlich haben mich dabei sogar Bugs in die Irre geführt.
Ein Wust an Fehlern
Eigentlich soll die Episode nur sechs Stunden dauern; durch den allgegenwärtigen Fehlerwust dauerte es bei mir deutlich länger. Mal leidet ein Azadi-Kurier unter bizarren Stotter-Anfällen, während er wie Michael Jackson den Moonwalk tanzt, später schweben meine Kameraden reglos in der Luft oder teleportieren sich wild durch die Kulisse. Oft kann ich dank massiver Clipping-Fehler sogar komplett mit ihnen verschmelzen oder ihre Innereien betrachten. Eine Sammlung der "schönsten" Glitches findet ihr hier im Bug-Video. Auch in Zoes Teil der Geschichte reißen die Fehler nicht ab und das Rätsel-Design wird sogar noch profaner: Oft muss ich einfach nur diverse Schlüssel finden, um sie mit den passenden Halterungen zu kombinieren und in die Kanalisation einzusteigen. Die dort hausenden Jugendlichen schicken mich danach auf Hol- und Bringdienste – unheimlich spannend!
Alte Bekannte, neue Jobs
Erzählerisch läuft das Spiel dabei wieder zur Höchstform auf. Wenn ich alte Bekannte treffen, die dank meiner Entscheidungen mittlerweile ein ganz anderes Leben führen, sorgt das für rührende Momente. Da ich Zoes hinterlistigen Ex-Kollegen den Rücken gekehrt habe, treffe ich z.B. an meinem neuen Arbeitsplatz den durchgeknallten „Shitbot“ wieder. In der ersten Episode habe ich ihm dazu verholfen, seine wahre Bestimmung als Schweißender Roboter zu entdecken, welche er jetzt in vollen Zügen genießt. Leider blockiert er mir durch seine Schweißarbeiten vorübergehend einen wichtigen Durchgang. Doch das ist schon okay: Immerhin warnt er mich pflichtbewusst davor, nicht in die Hochleistungs-Stichflamme zu treten und erklärt mir sehr anschaulich, welche meiner Körperteile sonst gegrillt würden. Reizend!
Fazit
Auch in der zweiten Episode ist mein Eindruck vom neuen Dreamfall Chapters zwiegespalten. Erzählerisch präsentiert sich das Adventure wieder ausgesprochen stark: Viele Entscheidungen aus der ersten Episode haben sich bereits einschneidend auf die Welt ausgewirkt. Auch die Gespräche wirken wieder tiefgründig: Wenn ich nur lange genug nachbohre, wird mir langsam aber sicher klar, warum z.B. Kian so gebrochen und traumatisiert wirkt. Auch die politischen Verwicklungen in Zoes Teil der Geschichte sind interessant. Im krassen Gegensatz dazu stehen die Spielmechanik und die katastrophale technische Umsetzung: Die schrecklich banalen Rätsel wirken bestenfalls wie eine Beschäftigungstherapie und werden durch den Wust an Bugs manchmal sogar richtig nervig. Oft bin ich ratlos durch die Welt geirrt, nur weil irgendein Gegenstand nicht wie vorgesehen reagierte oder andere Fehler dazwischenfunkten. Daher reicht es auch leider nicht mehr für eine ausreichende Wertung - so sehr es mir für die gelungenen Story-Ansätze leid tut.
Pro
Kontra
Wertung
PC
Eine unterhaltsame Geschichte und vielschichtige Entscheidungen machen die Fantasy-Welt interessant, werden aber durch banale Rätsel und Unmengen von Bugs gestört.
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