Shadow Warrior 214.10.2016, Marcel Kleffmann

Im Test: Duke Nukem wäre stolz auf Lo Wang

Rasante Action, überzeichnete Gewalt und bescheuerte Sprüche. Lo Wang macht in Shadow Warrior 2 genauso weiter wie im gelungenen Comeback aus dem Jahr 2013. Nur diesmal legt er noch eine Schippe drauf, darf seine Waffen mit Beute à la Borderlands erweitern und das Hackfleisch schnittgenau produzieren. Außerdem können bis zu vier Spieler teilnehmen. Doch reicht das aus, um sich vor Doom und aktuelle Shooter zu setzen?

Fuck it!

"Today is a good day to die for you", frotzelt Lo Wang nachdem ich mit den Zwillingsklingen das Yakuza-Mitglied in mehrere handliche Brocken zerschlagen habe. Als dann Kreaturen, die problemlos bei den Zerg mitmachen könnten, am Horizont auftauchen m, und ich die messerscharfen Nahkampfklingen wegstecke, um zu dem mit Totenköpfen übersäten Maschinengewehr zu greifen, jage ich Dutzende Projektile in die Viecher rein, während ich rasant nach links und rechts ausweiche. Und was sagt Lo Wang mitten im Gemetzel zu den zerschossenen Gegnern: "Look, you are full of holes". Ja, Lo Wang reißt auch im zweiten Teil von Shadow Warrior wieder reichlich saublöde, beleidigende und urkomische Sprüche inklusive Peniswitze, sowohl in den Gefechten als auch in den Gesprächen. Doch abseits von Lo Wangs spitzer Zunge bleibt die wichtigste Frage: Wie schlägt sich Shadow Warrior 2 als Shooter?

Old-School aber mit Tempo

Nahkampf oder Fernkampf? Lo Wang hat stets die Wahl.

Im Eifer des Gefechts spielt sich Shadow Warrior 2 prinzipiell wie Doom - also wie ein klassischer Ego-Shooter ohne automatische Lebensregeneration oder irgendwelchen Deckungsmanöver. Regeneriert wird mit Healthpacks, Gesundheitsschrein oder per Chi-Heilung. Dank Lo Wangs reichhaltiger Bewegungsmöglichkeiten geht es oftmals wirklich rasant zu. Der Schnetzelmeister kann nicht nur Doppelsprünge vollführen, sondern auch nach vorne, hinten oder zur Seite preschen - entweder um auszuweichen, die Angriffsrichtung zu verändern oder sich einfach fortzubewegen. Und nein, eine Stamina-Leiste oder so etwas, die das Voranpreschen unterbindet, gibt es nicht. Fallschaden kennt Lo Wang als Badass-Ninja übrigens nicht, was gut ist, denn im Gegensatz zum Vorgänger sind die Levels nicht nur viel weitläufiger und offener gestaltet, nein, es geht öfters in die Höhe oder die Tiefe. Dass die Levels dabei teilweise prozedural generiert werden, fällt kaum auf, da vorgefertigte Levelpassagen bzw. Muster neu zusammengewürfelt werden und sich die Positionen der Gegner verändern - also nichts mit No Wang’s Sky! Handgemachte Geheimnisse gilt es ebenfalls zu entdecken. Gelegentlich fallen jedoch einige längere gegnerlose Passagen auf.

Nahkampf oder Fernkampf? Beides!

Zwischendurch dürfen Glückskekse mit stets 'weisen Sprüchen' geöffnet werden.

Das diesmal deutlich umfangreichere Gegnerarsenal von dämonischen Fleischbergen über Cyber-Soldaten, Drohnen und Yakuza darf im Nahkampf oder Fernkampf ausgeschaltet werden. Dabei ist es völlig egal, welchen Stil ihr bevorzugt - beide Varianten haben ihre Berechtigung und sind gut integriert. Shadow Warrior 2 funktioniert als klassischer Shooter und Nahkampf-Actionspiel. Und da man Waffen sowie Fähigkeiten individuell an den gewünschten Stil anpassen kann, bleibt es dem Spieler überlassen, für welchen Killermaschinentyp man sich entscheidet - oder man kombiniert einfach Nah- und Fernkampf, was sich bei manchen Gefechten empfiehlt.

Nahkämpfer dürfen mit Katana, Doppelklingen, Cyberschwertern, Kettensäge und Co. auf den Gegner zustürzen, 360°-Grad-Attacken ausführen oder mit der Klinge parieren. Ist man von Feinden umringt, hilft ein Chi-Schubser oder man flieht mit hektischem Preschen und Doppelsprüngen. Dennoch hätte das Nahkampfsystem etwas mehr Tiefe oder zusätzliche Fähigkeiten vertragen können. Aber wenn man die Schatten-Furie (Berserker-Modus) zuschaltet und später den niedergemetzelten Fleischsalat erblickt, fällt es oft schwer, sich ein Grinsen zu verkneifen. Apropos Fleischsalat: Im Gegensatz zum Vorgänger, bei dem die Gegner über Sollbruchstellen verfügten, werden die Feinde diesmal akkurater in ihre Einzelteile zerlegt.

Im Berserker-Modus ist Lo Wang eine noch unaufhaltbarere Killermaschine.

Selbst große Einschusslöcher von der Schrotflinte sind aus der Ferne noch gut zu erkennen. Alles in allem ist die Gewaltdarstellung so dermaßen überzeichnet, dass sie nicht ernst genommen werden kann - genauso wie der Hauptcharakter.

Auch in Sachen Fernkampfwaffen und Shooter-Dynamik überzeugt der zweite Auftritt von Lo Wang. Mit Pistolen, Granatwerfer, Nagelknarre, Maschinengewehr und weiteren bizarren Vertreten darf man die Gegner eindecken. Jede Waffe verfügt über individuelle Werte (Feuer- und Streurate), die sie in Handhabung und Effektivität voneinander unterscheiden. Das Trefferfeedback ist aufgrund der Blutdarstellung und der Schadenszahlen, die alternativ abgeschaltet werden können, hervorragend.

Verbesserbare Waffen und Beute à la Borderlands

Insgesamt gibt es mehr als 70 Waffen, die jeweils über Sockelplätze verfügen, die eine Verbesserung bzw. Individualisierung erlauben. Hierfür sind Gegenstände erforderlich, die Gegner als Beute hinterlassen oder in Kistengefunden werden können. Nein, Shadow Warrior 2 wird dadurch nicht zum Shooter-Looter wie Borderlands. Durch das Aufsammeln von Waffen (selten), Siegeln (häufig) oder Geld wird zwar das Spieltempo kurzfristig unterbrochen, jedoch sind die dadurch entstehenden Waffenoptionen ziemlich gelungen. Die Siegel kann man dazu verwenden, um den Schaden, die kritische Trefferchance, Lebensabzug, Chi-Regeneration etc. zu erhöhen. Zusätzliche Elementareffekte wie Feuer-, Gift-, Elektro- oder Eisschaden lassen sich hinzufügen. Aus manchen Waffen können autarke Standgeschütze gemacht werden oder man stellt die Munition auf durchschlagend um. Manche dieser gesammelten Gegenstände kann Lo Wang auch in seiner Rüstung tragen, wobei man dies hätte besser visualisieren können. In Sachen Beute und Ausrüstung artet es längst nicht so stark wie bei Borderlands aus - nur ein bisschen.

Ah, Beute! Geld, ein Upgrade-Gegenstand und ein Kopf ...

Ansonsten darf Lo Wang seine mannigfaltigen Fähigkeiten, die in Form von Sammelkarten dargestellt werden, mit Skillpunkten ausbauen. Skillpunkte bekommt er durch Karma, das er durch getötete Gegner erhält. So lassen sich Geschwindigkeit, Gesundheitspunkte, Chi-Regeneration (Ressource für die meisten Fähigkeiten), Elementarschadenstypen, die Schleichfähigkeit, Attacken oder die Munitionstaschengröße verbessern. Es reicht aus, wenn man sich zwischen den Missionen im „zentralen Hub“ um die Ausrüstung und die Verbesserung der Fähigkeiten kümmert.

Zwischen Dämonen, Kamiko und der Kampagne

Upgrades! Diesmal Splittergeschosse.

Wenn ich schon beim „zentralen Hub“ bin: Die Story-Kampagne ist nicht völlig linear. Abseits der Hauptgeschichte gibt es optionale Nebenmissionen. Diese können auf einer Karte ausgewählt werden und wenn man die Einsätze abgeschlossen hat, darf man sie im Free-Roam-Modus erneut besuchen. Dort findet man dann unter Umständen rare Gegner, besondere Beute usw.

Die Geschichte dreht sich um Dämonen, alte Bekannte und die Seele einer Frau, die in Lo Wangs Kopf eingeschlossen wurde. Mit der Frau liefert er sich immer wieder zotige Gespräche, von denen es ruhig mehr hätte geben können. Ansonsten überrascht die Kampagne in der Mitte mit einem Wendepunkt. Inszeniert wird das Ganze eher konservativ mit Ingame-Zwischensequenzen und Dialogen, in denen zu erkennen ist, dass die Darstellung von Gesichtern und Mimik keine Stärke der selbst entwickelten Engine ist.

Die nächsten Missionen können auf der Karte ausgewählt werden.

Dafür werden stellenweise malerische und abwechslungsreiche Landschaften auf die Monitore gezaubert - sei es in friedlich anmutenden Städtchen, in einer Neo-Cyber-Tokyo-Metropole oder im finsteren Hoch- bzw. Hinterland. Positiv ist auch, dass die Engine diesmal performanter ausfällt und keine astronomischen Hardwareansprüche stellt.

Wiederholungen und Koop

Shadow Warrior 2 gibt sich in vielen Belangen um Vielfalt bemüht, was sich ebenfalls im Gegnerdesign widerspiegelt. Diese Vielfalt ist lobenswert, aber wirklich clever sind die meisten Feinde nicht, obgleich sie Lo Wang an sich heranziehen oder ihn sogar über mehrere Leitern folgen können. Meistens sind die Feinde nur Kanonenfutter und im halben Dutzend aufwärts gefährlich. Ab und an tauchen stärkere Varianten der normalen Schergen auf, die womöglich gegen bestimmte Schadensarten immun sind und Wang aggressiv verfolgen. Zwischenbosse funktionieren leider meist nach dem gleichen Schema (Schild bei 50%), dafür entschädigen die richtigen Bosskämpfe mit langen und teils intensiven Gefechten, von denen ich gerne mehr gehabt hätte!Insgesamt dürfte je nach Erkundungsdrang und Free-Roaming-Ambitionen die Kampagne zwischen elf und 13 Stunden Spielzeit bieten.

Oh, nein! Die brennende Version des Bunny Lords!!!

Trotz des Schnetzelspaßes, der Vielfalt und des reichhaltigen Waffenarsenals stellt sich zwischendurch immer wieder eine gewisse Sättigung ein, denn viele Standard-Gefechte sind nicht allzu herausfordernd, vor allem wenn man Lo Wang gezielt spezialisiert.

Last but not least gibt es einen optionalen kooperativen Multiplayer-Modus, in dem die Kampagne mit bis zu vier Leuten gespielt werden kann. Gemeinsam geht die Schnetzeljagd weitaus irrwitziger von der Hand, jedoch sind die meisten Gegner noch einfacher zu besiegen. Andere Mehrspieler-Modi wie Deathmatches gibt es überraschenderweise nicht.

Fazit

Shadow Warrior 2 möchte nicht mehr als ein klassisches Baller- bzw. Schnetzelspiel mit einem vorlauten Helden, dummen Sprüchen und übertriebener Gewalt sein. Und: Fuck it, ich habe schon lange nicht mehr einen so guten Shooter nach alter Bauart gespielt. Gerade in den wichtigen Belangen macht es vieles richtig und so manch ein Konkurrent kann sich in Sachen Tempo, Vielfalt und Leichtigkeit eine große Scheibe von Shadow Warrior 2 abscheiden. Es sind vor allem die Vielfalt (Waffen, Gegner, Upgrades) und völlig abgedrehte Ideen, warum ich das Abenteuer von Lo Wang gegenüber Doom bevorzuge. Ich hatte zunächst befürchtet, das Upgrade- und Beutesystem könnte der Action schaden, aber es gibt mehr Möglichkeiten, seinen eigenen Spielstil umzusetzen. Hinzu kommen weitläufigere Levels, weitaus bessere Performance als im ersten Teil, schickere Landschaften, reichlich Fleischsalat und eine (optionale) kooperative Multiplayer-Schnetzelei. Das Vergnügen hätte gerne länger als ca. zwölf Stunden ausfallen dürfen und mehr Bosskämpfe abseits der sich wiederholenden Standard-Gefechte bieten können. Dennoch und trotz gewisser Inszenierungsmacken ist das Spiel von Flying Wild Hog und Devolver Digital erstaunlich gut gelungen.

Pro

rasante und schnörkellose Action alter Schule
keine automatische Gesundheitsregeneration
Nahkampf und Fernkampf gehen Hand-in-Hand
viele Upgrades für Waffen, Fähigkeiten und Lo Wang
Elementarschäden und Widerstände bereichern das Kampfsystem
Stealth, Schattenfurie und Ninjalandungen
kooperativ spielbare Einzelspieler-Kampagne (optional)
völlig übertriebene Gewaltdarstellung
durchaus ordentliche Hintergrundgeschichte
vielfältiges Waffenarsenal
scharfzüngiger Held mit oftmals tollen Onelinern
weitläufigere und komplexere Levels
Schauplätze können erneut besucht werden
Bunnylords und Glückskekse
treibender Soundtrack
weitgehend schöne Außenlevels und schicke Waffeneffekte
erfreulich viele Einstellungsmöglichkeiten

Kontra

Wiederholungserscheinungen bei Standard-Gefechten
Nahkämpfe hätten mehr Optionen verdient
Kampagne könnte etwas länger sein
Gegner meist nicht clever; Minibosse funktionieren zu ähnlich
leichte Macken bei der Inszenierung und schwache Charakter-Modelle
nicht alle Witze zünden

Wertung

PC

Blöde Sprüche, übertriebene Gewalt und viel Action. Shadow Warrior 2 ist ein richtig guter Shooter alter Bauart, dem zu schnell die Puste ausgeht.

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