Planet Coaster25.11.2016, Marcel Kleffmann

Im Test: Ein Paradies für Schönbauer

Mit Planet Coaster (ab 28,99€ bei kaufen) will Frontier Developments in die Fußstapfen der RollerCoaster-Tycoon-Reihe treten und wieder für Jubelstimmung zwischen Achterbahnen und Fahrgeschäften im virtuellen Freizeitpark sorgen. Nach langer Durststrecke in diesem Genre und der Baustelle RollerCoaster Tycoon World ist diese Aufgabe jedoch nicht allzu schwer. Aber auch Planet Coaster macht nicht alles richtig, doch viele Unzulänglichkeiten werden von dem grandiosen Parkaufbau fast kaschiert - mehr dazu im Test.

Das Erbe von Theme Park

Vor über zehn Jahren erschien RollerCoaster Tycoon 3. Seitdem herrscht weitgehend Flaute bei den Freizeitpark-Aufbauspielen, die seit Theme Park populär sind. Diese Lücke versucht Frontier Developments (RollerCoaster Tycoon 3,  Elite: Dangerous, ScreamRide) mit Planet Coaster zu schließen. Alleine sind sie mit dieser Idee nicht, da Atari mit RollerCoaster Tycoon World und Texel Raptor mit Parkitect ähnliche Pläne verfolgen. Während sich RollerCoaster Tycoon World mit einem katastrophalen Early-Access-Start als Großbaustelle einen Namen machte, die sich mittlerweile gebessert hat, versucht Parkitect (Early Access) eher den Management-Teil zu betonen. Bei Planet Coaster hingegen steht der Parkaufbau mit aufwändigen Szenerie-Dekorationen im Vordergrund und macht das Spiel zu einem Traum für Schönbauer - verpackt in einer kunterbunten, lebendig wirkenden und charmanten Cartoon-Welt, in der es im eigenen Park nur so wuselt.

Nach einer kleinen Werbekampagne wird der Park förmlich überrannt. Jeder Besucher verfügt über unterschiedliche Vorlieben und Bedürfnisse. Fast 3.000 Personen sind unterwegs.

Viel Aufbau, wenig Wirtschaft

Nein, Planet Coaster ist keine Wirtschaftssimulation. Es ist ein großer "LEGO-Sandkasten", der zum ungestörten und fast schon meditativ entspannenden Bau des eigenen Traumparks einlädt. Ergänzt wird der Parkaufbau mit leichten Wirtschaftselementen, womit die Entwickler der Linie von RollerCoaster Tycoon 3 folgen. Schwere Herausforderungen sollte man nicht erwarten und deswegen darf man im Sandkasten-Modus gleich mit unendlich viel Geld loslegen. Bei den Szenarien (Missionen) und den Herausforderungen spielt Geld glücklicherweise wieder eine Rolle.

Eine freie Fläche und viele Ideen

Der Freizeitpark der Träume beginnt mit einer weitläufigen, freien Baufläche. Dort darf man nach Herzenslust Läden, Fressbuden, Schienenfahrgeschäfte, moderate bis nervenkitzelnde Attraktionen und natürlich Achterbahnen hochziehen. Wie gewohnt werden erst das Gebäude und dann Eingang, Ausgang und Warteschlange platziert. Danach wird die Attraktion mit den Parkwegen verbunden. Das Wegbausystem ist sehr gelungen, da sich natürlich anmutende Strecken mit Kurven, Steigungen, Gefällen und Co. genauso leicht wie akkurat rechtwinklig verlegte Laufwege realisieren lassen. Winkel- und Rasterausrichtung stehen als weitere Optionen bereit. Zudem lässt sich das Gelände anheben, absenken oder automatisch begradigen. Auch die Breite des Weges lässt sich festlegen, um die Besuchermassen an kritischen Stellen bewältigen zu können. Die Parkbesucher aus den Kategorien Erwachsene, Teenager und Familien sind zudem "physische Objekte" und

Zusätzlich zu den Fahrgeschäften lassen sich mit Fleiß und Klickaufwand aufwändige Szenerien gestalten. Die Besucher sind dann bereit, höhere Preise für die Attraktionen zu zahlen.
schieben bzw. drängeln sich wirklich durch die Engstellen - nur ganz selten laufen sie durcheinander durch.

Die Fahrgeschäfte

Bei den Fahrgeschäften darf man aus 16 Nervenkitzel-Exemplaren und zwölf ruhigen Geschäften wählen. Hierzu zählen Karussell, Riesenrad, Schiffschaukeln und sich ziemlich schnell drehende Attraktionen mit Loopings und Co. Jedes Fahrgeschäft kann angepasst werden: Farbe, Musik, Preis, Besetzungsregeln, Premiumpass-Warteschlange, Inspektionsintervall und (manchmal) die Fahrtsequenz lassen sich modifizieren.

Die besagten Fahrgeschäfte sind im Sandbox-Modus komplett verfügbar, müssen bei den Herausforderungen und im Szenario-Modus allerdings erst erforscht werden. Dazu investiert man ein wenig Geld und nach einiger Zeit wird es freigeschaltet. Schade - die Forschung hätte etwas umfangreicher ausfallen können. Auch Upgrades oder Anbauten für bestehende Attraktionen wären eine schöne Sache gewesen. Auffällig ist, dass Attraktionen mit Wasser derzeit Mangelware sind, was förmlich nach einer Erweiterung schreit, wobei sich Wildwasserbahnen als Schienenfahrgeschäfte mit dem mächtigen "Strecken -Editor" eigenhändig erstellen lassen.

Ein XL-Burger mit extra viel Ketchup!

Die Parkbesucher wollen abseits des Spaßes noch mit Essen, Trinken und Toiletten versorgt werden. Hierzu darf man diverse Läden und Servicegebäude errichten - von Erste-Hilfe-Stationen zur Übelkeitssenkung über Hutläden bis hin zu Info-Stationen. Dabei wird auf die Kreativität der Spieler gebaut, da eigene Gebäude mit funktionalen Modulen erstellt werden können. Man kann z. B. das Modul "Pommes-Bude" mit einem "Milchshake-Stand" als Grundlage nehmen und drumherum ein Gebäude mit dem gewollten Ambiente (Piraten, Märchen oder Sci-Fi) stückweise gestalten. Einmal abgespeichert kann diese Pommes-Milchshake-Bude im Steam Workshop geteilt werden. Eine tolle Sache, aber für meinen Geschmack hätte Frontier Developments zum Start mehr Baupläne bereitstellen können. Der erste Patch schafft etwas Abhilfe.

Traumjob: Achterbahn-Designer

Bei den Achterbahnen darf man sich richtig austoben und aus fast 30 Typen allerlei Eigenkreationen erstellen - obgleich es auch hier zu wenige Vorlagen gibt. Die Gestaltung einer Achterbahn beginnt mit dem Start/Ziel-Element und dann darf man schrittweise

Mit dem Achterbahn-Editor können komplexe Strecken gestaltet werden.
Schienen (Neigung, Winkel und Skalierung sind anpassbar), Kettenlifte, Bremsen, Halteabschnitte oder vorgefertigte Passagen wie Loopings, Überkopfschleifen oder Korkenzieher platzieren. Im Anschluss ist eine Testfahrt unumgänglich, um zu sehen, ob sich die Bahn so verhält, wie es sich der Streckendesigner überlegt hat. Praktisch ist, dass man die Strecke automatisch abschließen und glätten bzw. überarbeiten kann. Beim Eigenbau muss man besonders auf die drei wichtigsten Eigenschaften der Attraktion achten: Spaß, Nervenkitzel und Übelkeit. Die richtige Balance ist entscheidend, damit das Fahrgeschäft Spaß macht und aufregend ist - auf diesen drei Werten beruhen übrigens alle Fahrgeschäfte.

Schön, schöner, mein Park

Noch mehr Möglichkeiten hat man bei der Gestaltung der Szenerie. Man darf z.B. fertige Szenenobjekte wie Gruselbäume, mittelalterliche Dörfchen, Drachen oder Piraten-Szenen platzieren, oder man stellt auf "Angepasst" und kann Steine, Bäume, Sträucher, Animatronik-Figuren, Statuen, Bänke, Mülleimer, Scheinwerfer, Pyrotechnik,

Man kann bei den Achterbahnen auch mitfahren, u. a. aus der Ego-Perspektive.
Lautsprecher, Flammenwerfer, Raumschiffteile, Wasserfontänen etc. selbst aufstellen. Diese Bausteine sind in mehrere Kategorien unterteilt und aufgrund des Umfangs etwas unübersichtlich - eine Suchfunktion ist vorhanden, aber Favoriten lassen sich nicht festlegen. Die Szenerie ist nicht nur Deko, sie beeinflusst auch die Besucher, obgleich das Feedback unzureichend ist. So gibt es die Szenerie-Bewertung des gesamten Parks und die Warteschlangen-Szenerie pro Attraktion. Letztere sorgt dafür, dass die Besucher einen höheren Preis für das Fahrgeschäft zahlen würden, wenn die Warte-Szenerie "schön" ist. "Schön gestaltet" ist jedoch relativ. Prinzipiell reicht es aus, "teure" Bauteile aufzustellen. Man kann sich also die Mühe machen, unterschiedlichste Piraten-Elemente zu verbinden, die einen schönen Eindruck hinterlassen, oder man baut 30 Wasserfontänen nebeneinander. Beides sorgt dafür, dass die Bewertung der Warteschlangenszenerie auf 100 steigt. Die hintergründige Berechnungsroutine hätte zumindest Abwechslung honorieren können.

Szenarien

Neben dem Sandbox-Modus gibt es die Karriere, die im Prinzip eine Folge aus mehreren Missionen ist, in denen man Aufgaben erfüllen muss. Dadurch sammelt man Sterne, steigt im Level auf und schaltet weitere Missionen frei.

Erfüllte Aufgaben in der Karriere werden mit Sternen honoriert.
Hat man genug Sterne bei den Piraten gesammelt, darf man bei "Prinzessin Amelie Märchen" (Mittelalter), "Dex-Rs Wissenschaftlicher Wahnsinn" (Sci-Fi) und "King Coasters Königliches Dekret" weitermachen. Generell müssen bestimmte Ziele in vorgefertigten und teilweise nicht gut funktionierenden Parks erreicht werden, z. B. ein gewisses monatliches Einkommen (stellenweise nur aus Läden), eine Anzahl an Gästen oder eine Achterbahn mit gewissen Eigenschaften. In diesem Modus spielt Geld eine entscheidende Rolle und neue Attraktionen müssen erforscht werden. Wirklich schwer oder herausfordernd sind die Aufgaben aber nicht, sie erfordern meist eher Zeit als planerisches bzw. ökonomisches Können.

Herausforderungen

Zu guter Letzt kann man sich an Herausforderungen versuchen, denen man sich in jeder der fünf Umgebungen (Tropen, Wüste, Graslandschaft, Alpin und Laubwald) stellen kann. Nach der Wahl eines Schwierigkeitsgrades beginnt der bekannte Aufbau und währenddessen bekommt man immer wieder neue Aufgaben gestellt, die es für eine kleine Finanzspritze zu lösen gilt. Die größte Herausforderung besteht zumeist darin, den Start mit nur wenig Geld zu meistern und trotzdem die ersten Besucher zufriedenzustellen - manchmal hilft da ein Kredit.

Glaubhaftes und weniger glaubhaftes Verhalten

Die computergesteuerten Besucher verhalten sich durchaus glaubwürdig, da sie sich in kleineren Grüppchen bewegen und nur auf den Wegen laufen, an denen es Fahrgeschäfte gibt. Seltsam ist hingegen, dass sie der Tag-/Nachtwechsel so gar nicht stört. Großartig sind die Animationen der Besucher und des Parkpersonals. Man kann den virtuellen Menschen bereits aus der Entfernung ansehen, wie ihnen der Park bzw. der Arbeitsplatz gefällt. Ausgelassene Jubelschreie nach Achterbahnbesuchen oder Kurzstreckensprints hin zu attraktiven Attraktionen sind keine Seltenheit. Gleiches gilt beim Personal:

Tolle Animationen und Darstellung: Einem unzufriedenen Hausmeister kann man seinen Unmut direkt ansehen. Eine Gehaltserhöhung und/oder eine Fortbildung können helfen.
Ein zufriedener Hausmeister spielt beispielsweise mit seinem Besen herum, während sich ein unzufriedener Hausmeister langsamer fortbewegt und den Besen hängen lässt. Vieles lässt sich auf einen Blick erkennen und man muss nicht erst den Verwaltungsbildschirm konsultieren. Gehalt und Ausbildungsgrad bestimmen die Zufriedenheit des Personals. Es gibt leider keine Option, ein globales Gehalt für alle Arbeiter eines Berufs bzw. einer Ausbildungsstufe oder bei Preisen von gleichen Läden festzulegen - das hätte Klickarbeit gespart.

Während das Fortbewegungsverhalten der Besucher überzeugt, sind andere Verhaltensweisen nicht so stimmig. So zahlen die Leute oft horrend hohe Preise für Eintritte bei den Fahrgeschäften oder beim Essen. Apropos Essen: Es ist egal, womit die Besucher ihre kulinarischen Bedürfnisse stillen. Alle Leute essen Burger oder was auch immer ihnen vorgesetzt wird. Hier hätten mehr individuelle Bedürfnisse für mehr Tiefe gesorgt. Manche Gäste könnten zum Beispiel vegetarisches Essen vorziehen oder lieber nur Pommes wollen.

Erster Patchtag

Was gefällt den Besuchern und was nicht? Hier hilft die Parkverwaltung.
Mittlerweile wurde das erste Update veröffentlicht, das einige der bereits erwähnten Macken aus der Welt schafft. Mit dem Patch kommen ein vierter Schwierigkeitsgrad für die Herausforderungen und zahlreiche Baupläne für Achterbahnen, Geschäfte und vor allem Szenerien ins Spiel. So kommen auf dem höchsten Schwierigkeitsgrad "Schwerer" wesentlich weniger Besucher in den Park und diese Gäste achten mehr auf ihr Geld. Außerdem stehen anfänglich nur zwei Fahrgeschäfte zur Verfügung und das Personal wird schneller mit seiner Situation unzufrieden. Das Update ist auf jeden Fall ein Schritt in die richtige Richtung.

Fazit

Als Aufbau-Baukasten ist Planet Coaster eine Wucht - quasi ein Paradies für Schönbauer. Es gibt nicht nur eine beachtenswerte Anzahl an Fahrgeschäften und Achterbahntypen, nein, man kann seinen Park mit sehr vielen und vielfältigen Dekorationsgegenständen ausstaffieren - und dazu noch eigene Gebäude mit grundlegenden Funktionen sowie Achterbahnkurse aufwändig gestalten und via Steam Workshop teilen. Mit den Gelände-Deformierungsoptionen und dem einfachen Wegbau lässt sich der eigene Traumfreizeitpark Schritt für Schritt zusammensetzen. Großartig sind der lebendige, verspielte Cartoon-Stil und die Simulation der wild durch den Park wuselnden Besucher. Das Manko, dass es zu wenige Blaupläne gab, haben die Entwickler mit dem ersten Patch bereits entschärft. Schwächen tun sich im Wirtschaftsbereich auf, da es wenig tatsächlich relevante Einstellungsmöglichkeiten gibt und das Verhalten der KI-Besucher grundlegend viel zu spendabel ist, so dass man nur selten Geldnöte hat. Einzig im Herausforderungsmodus auf dem höchsten Schwierigkeitsgrad wird es etwas härter. Kann man sich damit abfinden, dass der Wirtschaftsteil wie schon in RollerCoaster Tycoon 3 eher rudimentär ist und vieles eher leicht als herausfordernd ist, wird man mit Planet Coaster sehr viel Spaß haben.

Pro

hervorragende Animationen und stimmiger Cartoon-Stil
tolle Freizeitpark-Atmosphäre
allerlei Läden, Fahrgeschäfte und Achterbahnen
vielfältige Gestaltungsmöglichkeiten (Szenerie)
komplexer Achterbahn-Editor
komfortabler Wegbau und gute Terrain-Anpassung
unbekümmerter und unbegrenzter Sandbox-Modus
diverse Einstellungsmöglichkeiten bei den Fahrgeschäften
viel Leben im Park und große wuselnde Menschenmassen
realistisch anmutende Attraktionen (auch Größenverhältnisse)
weitgehend glaubwürdiges Fortbewegungsverhalten der Figuren
eigens erstellbare Gebäude (Läden und Co.)
Steam-Workshop-Integration

Kontra

Wirtschaftsteil bzw. Park-Management fällt spärlich aus
zu wenig vorgefertigte Attraktionen, vor allem bei Achterbahnen
Forschung und Marketing eher oberflächlich
Simulation der Bedürfnisse der Besucher könnte tiefer gehen
manchmal seltsames KI-Verhalten; Geld sitzt oft sehr locker
Mitarbeiter-Management könnte einfacher gehen
kaum Herausforderung (im Sinne von Schwierigkeit)
Tutorial nur in Videoform

Wertung

PC

Planet Coaster ist ein Traum für Schönbauer und Achterbahn-Gestalter mit wuseliger Cartoon-Optik. Die Wirtschaftselemente kommen jedoch zu kurz.

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