Kingdom22.10.2015, Jörg Luibl
Kingdom

Im Test: Märchenhafter Aufbauterror

Wer ist der erfolgreichste König im seitwärts scrollenden Land? Vermutlich der, der sein Reich am besten vor Räubern schützt, der eine Burg baut und Händler anlockt, der nicht nur Jäger, sondern auch Baumeister oder Bauern ausbildet. Aber hält all das, wenn aus den Tiefen des Waldes die Monster heranstürmen? Kingdom ist ein kleines, charmantes und verdammt kniffliges Aufbauspiel in märchenhafter Pixelkulisse. Mehr dazu im Test.

Verdammte Monstersch*%§&*!

Entschuldigung. Aber ich habe gerade schon wieder meine Krone verloren. Game Over - oder wie es hier in goldenen Lettern heißt: No Crown, no King! Wie wahr, denn die Monster haben mich überrannt und das goldene Ding stibitzt. Tief im Wald glimmt ihr Portal und spuckt sie meist aus, wenn die Nacht herein bricht. Es war eine ganze Kolonne dieser zum Teil maskierten Unholde. Drei, vier Wellen konnte ich bisher aufhalten, aber jetzt gab es kein Halten mehr. Während ich ganz weit rechts im Wald den Bau einer Palisade im Fackelschein überwachte, stürmten sie von links in mein Reich. Als ich hoch zu Ross nach dem Rechten sehen wollte, war es schon zu spät, denn die dämonische Stampede hinterließ eine Spur der Verwüstung.

Game Over: Bis Kapitel XI hat es dieser König geschafft...
Dabei lief es gerade so gut! Ich hatte schon eine prächtige Halle mit schöner Standarte, sogar eine Wassermühle und zwei Katapulte! Wieso können die Idioten sie nicht besser einsetzen? Und warum darf ich nix selbst regeln? Egal. Alles weg. Jammern hilft natürlich auch nicht. Ich muss von vorne anfangen und es als König in diesem kniffligen Sidescrolling-Aufbauspiel besser machen. Learning by doing heißt die Devise - immer wieder. Obwohl die Niederlage gerade noch unheimlich frustrierte, zieht mich diese charmante Kulisse magisch an. Sie erinnert an das gemütliche Mittelalter-Flair von BlueBytes ersten Siedlern, wenn da im Sonnnenlicht auf freier Wiese gehämmert und gezimmert wird. Der ansehnliche Pixelstil sorgt zusammen mit den lieblichen Klängen für märchenhaft ritterliche Atmosphäre, zumal es sogar Spiegelungen und Morgennebel, Wolken, Wetter und Blutmonde gibt. Ich fühl mich fast wie zu goldenen Amiga-Zeiten, hier wirken die Bildpunkte wie mit DeluxePaint gemalt.

Der König hat das Gold

Das sieht noch mehr nach Lager als Burg aus, aber man kann Hämmer und Bögen kaufen, damit Arbeiter und Jäger ihrem Tagwerk nachgehen.
Man startet als König oder Königin auf einem Pferd mitten im Wald und kann lediglich eines machen: Nach links oder rechts reiten und Gold ausgeben. Und zwar an jenen Stellen, an denen offene Münzplätze eine mögliche Bau-, Rodungs- oder Kaufaktion markieren. Oder dort, wo herrenlose Bewohner und Händler spazieren, die dann ins eigene Lager wandern. Hat man dort bereits einen Bogen gekauft, schnappen sie den und werden Jäger, so dass sie selbständig Hasen schießen oder Türme bemannen. Hat man dort einen Hammer gekauft, werden sie Arbeiter und ziehen die Palisaden, Mühlen & Co in die Höhe. All das wird sehr minimalistisch, aber putzig animiert und ist bei aller Einfachheit dennoch angenehm rätselhaft.

Es gibt kein Tutorial oder lange

Hurra, eine Herrenhalle! Aber der Blutmond deutet auf Ärger...und links stürmen die Monster rein.
Erklärungen, keine aufpoppenden Hinweise oder Listen mit Freischaltungen - man muss die kleinen Geheimnisse dieses Aufbauspiels in der Praxis lüfte und dabei viele Fehlschläge in Kauf nehmen. Was hat es z.B. mit dieser steinernen Statue auf sich, die ich zum Leuchten bringen kann? Was passiert, wenn ich diesen hölzernen Tempel ausbaue? Lohnt es sich, diesem fahrenden Händler vier Gold zu geben? Das sind zu Beginn eher die Fragen, die das Gelände tief im Wald betreffen, während man mit dem Aufbau im Zentrum genug zu tun hat. Der ähnelt sich auf Dauer viel mehr als etwa in FTL & Co, weil das Zufallsprinzip zwar das Geschlecht des Königs, die Farben von Standarten und Platzierungen, aber nichts Grundlegendes ändert.

Arbeiter, Jäger oder Bauer?

Der König kann lediglich von links nach rechts reiten und per Gold Aktionen wie Bau, Kauf und Anwerbung einleiten. Oben links ist aber nicht mehr viel im Beutel zu sehen...
Die taktische Unterhaltung entsteht zum einen auf der wirtschaftlichen Seite: Wann gibt man das wenige Gold wofür aus? Wann riskiert man es den Bauern mit der teuren Sense auszustatten? Man muss sehr gut überlegen, wie viele Jäger und Arbeiter aktiv sein sollen, denn beide bringen durch Hasen oder gefällte Bäume zwar Geld, aber nur Erstere bekämpfen auch die Monster und nur Letztere ziehen die Gebäude hoch. Heuert man zu viele an, hat man vielleicht zu wenig Wälle und Türme oder vergisst, sein Lager im Allgemeinen erst zu einer kleinen Halle, dann zu einer Festung mit Palisade auszubauen - all diese strukturellen Maßnahmen kosten viel Gold. Jeden Morgen kann man zwar einen bestimmten Betrag aus der Kiste nehmen, aber der reicht hinten und vorne nicht!

Also muss man Prioritäten setzen und darauf achten, nicht zu früh das Falsche zu befehlen - denn Obacht: Der König kann einmal erteilte Befehle nicht rückgängig machen, kann bei Angriffen auf die linke Flanke keine Schützen von rechts dorthin schicken, kann nicht mal die Stellungen von Katapulten oder Feldern bestimmen - diese Statik kann extrem nerven, weil man hilflos zusehen muss und als König in Extremsituationen nicht manuell eingreifen kann, aber sie ist auch Teil eines Spieldesigns, das die totale Vorausplanung zelebriert. Alle Plätze sind vorgegeben und die Reihenfolge ihrer Fertigstellung hängt erstens von der Reihenfolge der Baumarkierung und bei vielen parallelen Projekten von der Wertigkeit der Bauaktion ab. Hat ein Arbeiter die Wahl zwischen Bäume fällen oder Palisade bauen, wird er Letztere zuerst hochziehen. All diese statischen spielmechanischen Ursachen und Wirkungen muss man sich selbst erschließen - und sie sind sehr wichtig.

Nur indirekter Einfluss, kein aktiver Kampf

Was hat man davon, wenn man diese hölzerne Gedenkstätte im Wald ausbaut? Ist verflixt teuer...
Im Gegensatz zu gewöhnlichen Aufbauspielen klickt man hier auch nicht einfach etwas in Baumenüs an - der König muss alles selbst abreiten und ansagen. Sprich: Wenn Leute fehlen, muss er weit in den Wald reiten und die Wegelagerer mit einer Münze anwerben, worauf diese erst die Farbe wechseln und langsam gen Burg losziehen. Wenn irgendwo Holz geschlagen oder Wälle errichtet werden sollen, muss der König die Bäume oder den Boden dort auch markieren. Aber diese Erkundungen können sich lohnen und erhöhen den Spaß, denn man kann auch mal eine Kiste mit Gold oder einen lukrativen Händler finden, der billige Bögen in petto hat. Man ist also ständig im Sattel unterwegs, wobei man sein Pferd nicht endlos galoppieren lassen kann - irgendwann prustet es und muss verschnaufen. Hoffentlich nicht dann, wenn die nächste Monsterwelle heranrauscht! Auch sollte man seine Arbeiter nicht nachts in den Wald schicken, so dass man auch den Tag- und Nachtwechsel beim Timing seiner Befehle beachten muss.

Kann man das dämonische Portal nicht schließen?
Kommen die Monster, muss sich die Burg wie in einer Tower Defense beweisen: Hat man die linke und die rechte Seite gut geschützt? Die Monster rennen wie wild gegen Palisaden, die langsam zermürbt werden, während die Jäger sie beschießen und hoffentlich treffen. Sind die meisten zu Beginn noch mit einem Schuss zu besiegen, werden sie bald immer stärker und frecher - irgendwann fliegen sie sogar! Schaffen sie es in die Burg, verjagen sie nicht nur die eigenen Leute, sondern rauben alles, was nicht niet- und nagelfest ist. Die Verluste an Arbeitern, Bögen und Hämmern können enorm sein, denn all das muss man am nächsten Morgen wieder aufbauen, falls man denn als König nicht selbst erwischt wurde. Ach so: Wie gewinnt man eigentlich? Was ist das Ziel? Kingdom läuft nicht endlos, findet es heraus.

Fazit

Kingdom ist ein kleines, überaus charmantes und knifflig böses Aufbauspiel. Auch wenn ich nicht aus dem Fluchen rauskomme, wenn mich eine Monsterwelle erwischt hat und die Krone mal wieder in den Dreck purzelt: Ich versuche es zig mal! Und ich bemerke, dass mir jedes Scheitern eine neue Einsicht in die angenehm rätselhafte Spielmechanik bringt, die mich zum Erkunden und Experimentieren animiert. Auch wenn sich der Aufbau trotz Zufallsprinzip zu stark gleicht und die totale Statik des Königs nervt, der in der Krise nahezu wehrlos ist, motiviert Kingdom immer wieder zu einem neuen Start. Das liegt nicht nur daran, dass ich die perfekte Balance aus Jägern und Arbeitern, Wällen und Gebäuden finden will, sondern vor allem an dieser gemütlichen Präsentation. Man fühlt sich fast an das beschauliche Mittelalter von BlueBytes ersten Siedlern erinnert, wenn es da im Wald hämmert und die Gebäude knarzend hochgezogen werden. Das ist wunderschöne Pixelkunst! Aber Vorsicht: Kaum steht der Blutmond am Himmel, droht die nächste dämonische Stampede...

Pro

wunderschönes Pixeldesign
einfacher, aber süchtig machender Aufbau
Tower-Defense-Taktik gegen böse Überfälle
angenehm geheimnisvoll (Tempel, Statuen...)
Siedlerflair lädt zum Zuschauen ein
Wetterer sowie Tag & Nachtwechsel
netter Game-Over-Effekt mit dem Kronenverlust

Kontra

viel Trial & Error
ständig gleicher Aufbau
zu wenig taktische Möglichkeiten
keine direkten Eingriffe in Kampf oder Bau

Wertung

PC

Kingdom ist ein kleines, überaus charmantes und knifflig böses Aufbauspiel in märchenhafter Pixelkulisse.

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Kommentare

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vor 8 Jahren
Marobod

Babelfisch hat geschrieben:Mit dem Wirtschaftsaspekt habe ich nie Probleme, wie gesagt, die Kohle sprudelt nur so. Ich starte genau so wie du, nach rechts baue ich selten. Meistens habe ich links meine Bauernhöfe, und 80% meiner Leute werden zu Schützen gemacht.

Aber wie besiegt man die roten Tore? Reparieren die sich mit der Zeit? Ich krieg die einfach nicht kaputt.

Also baue Dich etwas naeher an die portale aber nicht zu nah

vorzugsweise sollte zumindest Mauer und Ackerflaeche ziemlich nah beieinander sein, da baut man dann das Farmhaus hin, damit die Handwerker das Katapult dort hinbewegen und bedienen koennen. Es sollte halt recht nah sein also so daß man 3 Bildschirme ca weit weg ist.

Die Ritter schickst Du erst nach einem Blutmond los, auch solltest Du mindestens beim 3ten Portal die Bogenschuetzenstatuen mit Geld behaengen. Dann schießen Deine Bogenschuetzen besser und genauer vielleicht auch staerker (silberne Pfeile)

Die Portale gehen recht einfach drauf, nach Tag 24 jedoch werden sie langsam stabiler, was aber auch nicht ewig haelt, keine Ahnung ob die regenerieren, beim 4ten Portal hab ich 4 Wellen hingeschickt :D

Zu viele Bauern braucht man auch nicht, hab immernoch zu viel Geld bei 6 Bauern, da meine Bogenschuetzen in meinen Waeldern (habe meist nach den Lichtungen , welche oft auch erst hinter dem ersten portal auftauchen, eine Mauer hochgezogen um die Camps mit Rekruten zu sichern) Hirsche abknallen als gaebs kein morgen.

Wie gesagt ich finde das Spiel ist recht schnell sehr einfach wenn man es durchschaut hat.


Nur aus Interesse, brechen sie beim ersten Blutmond noch bei Dir durch? Ging mir bei den ersten Durchlaeufen noch so, aber mittlerweile habe ich an Tag 3 schon die staerksten Mauern am Camp, baue die Burg erst immer nach dem Blutmond aus, auch als Tip, sobald Du den Sichelhaendler hast, hol Dir besser keinen haendler mehr in die Bude, da der auch die Sicheln ab und an auffuellt, was einem irgendwann Probleme mit zuvielen Bauern bringt XD

vor 9 Jahren