Mini Metro12.11.2015, Benjamin Schmädig

Im Test: Unterirdischer Nahverkehr

Alter Käse, die Umkleide im Sportclub, ein warmer Döner und vielleicht eine Prise "Sorry, mein Enkel hat es nicht mehr bis zur öffentlichen Toilette geschafft": Als ich den Berufsverkehr in Londons U-Bahn erleben durfte, ist mir womöglich das eine oder andere Schimpfwort durch den Kopf gegangen. Gerammelt voll sind die Linien auf ihrer Fahrt durchs Stadtzentrum und auf den Bahnsteigen warten schon die nächsten Mitfahrer. Kann man das denn nicht besser bauen? 'Nein, kann man nicht!', denke ich mir heute. Denn wenn mich der Test zu Mini Metro (ab 3,74€ bei kaufen) eins gelehrt hat, dann das: Es gibt nie genug U-Bahn-Züge!

Lange Linie, voller Zug

Es ist so einfach: Ich male eine Verbindung zwischen zwei Stationen – fertig ist die U-Bahn-Linie! Auf diese Weise reihe ich beliebig viele Haltestellen aneinander. Ziehe ich den Strich zwischen zwei Punkten auf eine weitere Station, füge ich der Linie eine Haltestelle hinzu. Das muss ich tun, weil die Stadt ständig wächst. Müssen meine Züge zunächst nur drei Punkte ansteuern, kommen alle paar Minuten, manchmal alle paar Sekunden neue hinzu. Meine Aufgabe ist das Erstellen effektiver Linien, fast alles andere geschieht von selbst.

"Effektiv" bedeutet, dass Passagiere an Haltestellen mit großem Fahrgastaufkommen nicht auf dem Bahnhof stehen bleiben, weil ankommende Züge bereits voll sind. Das zu erreichen ist die große Kunst. Immerhin werden die Linien sehr schnell sehr lang, während die Anzahl der Züge begrenzt ist. Ich muss also Streckennetze gestalten, auf denen

Die ersten Linien sind kurze Verbindungen.
z.B. viel gefahrene Strecken von zwei Linien bedient werden und andere Linien so kreuzen, dass an belebten Stationen wartende Menschen auf verschiedenen Wegen unterschiedliche Ziele erreichen. Denn Passagiere, die viele Stationen lang unterwegs sind, nehmen anderen die Plätze weg. Und ist eine Station überfüllt, heißt es "Game Over".

Tunnel oder Zug?

Das gilt jedenfalls im normalen Spiel, im Endlosmodus gibt es diese Einschränkung nicht. Trotzdem müssen auch die dort erstellten Streckennetze möglichst viele Menschen transportieren, um größer zu werden. Und das heißt in allen Spielvarianten, dass man mit dem Erreichen bestimmter Meilensteine einen neuen Zug erhält. Man kann dann außerdem zwischen zwei Erweiterungen wählen: Will man mehr Tunnel bauen oder benötigt man größere Stationen? Soll es ein weiterer Waggon sein oder möchte man eine neue Linie einrichten? Die unscheinbare Wahl beeinflusst entscheidend den weiteren Verlauf!

Neue Züge und Waggons platziert man dabei per Hand auf den gewünschten Linien. Man kann bereits fahrende

Spätere Streckenpläne sind meist komplexe Gebilde.
Bahnen außerdem umsetzen, was gelegentlich notwendig ist, um Passagiere einer fast überfüllten Station doch noch abzuholen. Diese Kleinarbeit ist ein seltenes, aber ärgerliches Mikromanagement. Fehlendes Mikromanagement ist hingegen, wenn man den Verlauf einer Linie nicht ändern kann, um z.B. den Bau eines in manchen Fällen unnützen, oft anderswo gebrauchten Tunnels zu verhindern.

Bedauerlich ist außerdem das Fehlen einer Speichermöglichkeit. Eine Partie Mini Metro kann trotz der grundsätzlich kurzen Spielzeit länger dauern, als man vor dem Bildschirm zubringen möchte – man sollte deshalb mindestens den aktuellen Streckenplan jeder Spielvariante festhalten oder gar dauerhaft speichern dürfen.

Fazit

Der fesselnde U-Bahn-Bau ist kein Dauerbrenner – zwei schnelle Partien lang ist Mini Metro allerdings ein hervorragendes Intermezzo! Im Handumdrehen entsteht auf einer der zwölf an reale Topografien angelehnten Karten ein komplexes Liniennetz und ehe man es sich versieht, grübelt man noch in der Nacht über effiziente Streckenpläne für Berlin, New York oder Hongkong. Mich hatte Mini Metro jedenfalls beim Ins-Bett-Gehen erstmals überrascht und bis zum Wegnicken nicht mehr losgelassen; tägliche Herausforderungen samt Rangliste motivieren zusätzlich. Dass manchmal die präzise Kontrolle über den Verlauf der Strecken fehlt, während an anderer Stelle eine Idee zu viel Feinarbeit das flotte Klicken stört, ist ebenso ärgerlich wie die angekündigte, aber noch nicht vorhandene Möglichkeit des Speicherns. Dennoch kann ich Mini Metro nur jedem ans Herz legen, der sich hin und wieder über den öffentlichen Nahverkehr echauffiert: Ihr habt ja keine Ahnung...!

Pro

kinderleichtes Zeichnen komplexer U-Bahn-Netze
forderndes und trotzdem entspanntes Managen
übersichtliche Anzeige der Bedürfnisse der Passagiere
zahlreiche Städte und tägliche Herausforderungen
knifflige Entscheidungen über Art des Netzausbaus

Kontra

kein manuelles Verlegen von Strecken, um z.B. sinnlose Tunnel zu vermeiden
bestehende Streckennetze können nicht gespeichert werden
gelegentlich notwendiges Versetzen einzelner Züge als störendes Mikromanagement

Wertung

PC

Fesselnder Ausbau eines Streckennetzes für kurze Sitzungen.

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