Port Royale 207.05.2004, Marcel Kleffmann
Port Royale 2

Im Test:

Wer erinnert sich noch an Port Royale? Genau: die bugverseuchte Wirtschaftssimulation! Zwei Jahre sind vergangen und Ascaron möchte im zweiten Anlauf alles besser machen. Ob es den Entwicklern diesmal gelungen ist, die Wirtschaftssimulation spielbar auf die heimischen PC-Monitore zu zaubern, und was wirklich neu ist, erfahrt ihr im Test!

Karibik Trek

Der Seeraum, unendliche Weiten! Wir schreiben das Jahr 1700 und Kapitän Bretzelwürfel ist unterwegs eine Schiffsladung voller Hanf - na ja, einige Kilo fehlen, aber dafür ist die Crew in Stimmung – nach Port-au-Prince zu bringen. Während er mit voller Geschwindigkeit auf das Ziel zusteuert, meldet sich Matrose Zulu aus der Beobachtungskanzel und schreit: Klingonen - ähhm - Piraten auf 2 Uhr! Bretzelwürfel lässt das Schiff kampfbereit machen und lässt den Piraten rankommen. Das Gefecht verläuft gut: Die ein oder andere Breitseite muss die "Hanfcarrier" einstecken, aber eine finale Salve mit dem Mastkiller und die Schlacht ist gewonnen! Das Piratenschiff wird geentert und anschließend geht es ab in Richtung Zielhafen. Dort wird der ganze Plunder verkauft und geboren war der erste Drogen-Baron der Karibik!

Solche Szenen gibt es in Port Royale 2 (ab 0,89€ bei GP_logo_black_rgb kaufen) am laufenden Band, denn in der Karibik ist die Hölle los. Dank der frisch besiedelten Neuen Welt tummeln sich vier Nationen in der idyllischen Inselwelt und wetteifern um die besten Rohstoffe. Begleitet von stimmungsvollen Südseeklängen, aber leider ohne pompösen Surround-Sound, macht ihr euch auf den Weg zu Ruhm und Macht!

Die große Karibik-Karte kennen Port Royale- oder Piraten-Spieler schon fast auswendig.
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Am Anfang war das Nichts!

Allerdings beginnt ihr als armer Schlucker mit einer kleinen Nussschale. Aber wie kommt man überhaupt an Geld? Drogenhandel? Nein, viel zu früh, aber Handel ist ein gutes Stichwort! Es gibt rund 60 Städte, die für die Produktion bzw. den Verbrauch der 19 Waren verantwortlich sind. Also schippert ihr zwischen den Städten herum und versucht herauszufinden, in welchen Siedlungen es welche Produkte am günstigsten gibt, und wo man die Waren am teuersten wieder verscherbeln kann.

Damit das ganze Handelssystem den richtigen Pfeffer bekommt, sind die Preise nicht festgelegt (wie bei Freelancer ), sondern komplett variabel: Die Gesetze von Angebot und Nachfrage bestimmen die Preise. Wenn ihr also viel Weizen von Stadt A zu Dorf B bringt, sinkt so langsam der Preis, da der Markt gesättigt ist.

Folglich müsst ihr euch immer wieder nach einer gescheiten Handelsroute umschauen. Hilfreich bei der Planung sind kleine Icons mit benötigten Gütern bei den Stadtnamen sowie weitere übersichtliche Menüs, die euch über Engpässe, Handelskurse und Durchschnittspreise informieren.

Wer würde hier nicht gerne Urlaub machen?
 

Geld bringt Macht!

Mit dem gescheffelten Geld könnt ihr nicht nur mehr Waren kaufen, sondern ebenfalls euer Schiff ausstatten, austauschen oder gar eine ganze Flotte erwerben. Insgesamt 16 verschiedene Typen stehen zur Verfügung, die sich in Bewaffnung, Geschwindigkeit und Laderaumgröße unterscheiden. Aber welch mächtiger Großhändler hat nur ein Schiff in seinem Hafen? Eigentlich niemand, und so könnt ihr bis zu zehn verschiedene Schiffe in einem Konvoi befehligen.

Viele Computergegner und nur ein Schiff von unserer Seite, so sieht das neue Seekampf-System aus.
Sobald ihr einige Ränge aufgestiegen seid, dürft ihr übrigens computergesteuerte Kapitäne anheuern, die unter eurer Flagge durch die Karibik schippern und selbstständig handeln. Mit Hilfe eines einfachen und dennoch äußerst leistungsstarken Routenplaners könnt ihr die KI-Kapitäne durch die Seewelt dirigieren und warten, bis die Kasse klingelt.

Technisch bleibt der Titel allerdings selbst hinter der veralteten Konkurrenz Anno 1503 zurück:  Die Weltkarte sowie die Städteansicht überzeugen zwar mit detaillierter 2D-Umgebung und teilweise idyllischer Landschaft, aber erstens war Anno 1503 komplett dreidimensional und zweitens sah die Welt hier einen Tick schöner aus. Die Menüs sind wiederum sauber aufgebaut und auf Zugänglichkeit getrimmt.

Zielen! Volle Breitseite! Feuer!
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Piraten, Schlachten & Kanonen!

Doch was wäre die Karibik ohne Piraten, die eure Konvois bedrohen oder andere feindlich gesonnene Nationen, die euch auf dem Wasser erwarten? Richtig: ziemlich öde. Daher müsst ihr die wertvolle Fracht mit entsprechendem Geleitschutz versehen. Kommt es zur Schlacht, werdet ihr genau wie bei Port Royale  oder bei Piraten - Herrscher der Karibik in eine spartanische 3D-Ansicht katapultiert, die sich angesichts heutiger Grafik-Standards schwachbrüstig zeigt. Zwar reflektiert das Wasser die Lichteffekte dank Pixel Shader recht schön, aber was bringt das schönste H2O, wenn sich die Schiffe sehr detailarm zeigen und die wässrige Umgebung inkl. Meeresgrund eher spartanisch als prächtig gestaltet ist?

Hin und wieder kommt es zu spaßigen Fechtduellen.
Dafür hat Ascaron im Vergleich zum Port Royale ordentlich am Kampfsystem gefeilt: Diesmal schickt ihr nicht eure gesamte Flotte auf einmal, sondern jedes Schiff hintereinander in den Kampf: Süppelt euer erstes Schiff schließlich ab, darf die nächste Nussschale ins Gefecht eingreifen. Auch taktische Rückzüge sind möglich, solange das Schiff schnell genug das Schlachtfeld verlassen kann. Während ihr also ein Schiff nach dem anderen ins Duell schicken könnt, darf der Computer unfairer Weise mit fünf Schiffen gleichzeitig attackieren. Dieses System behebt zwar die unübersichtlichen Schlachten des Vorgängers, schafft aber ein neues Problem: einen knackigen Schwierigkeitsgrad.

Schwere Schlachten

Schon allein das komplexe Handelssystem macht es Anfängern nicht gerade leicht in die Spielwelt einzutauchen und dazu kommen noch die knüppelharten Seeschlachten! Da helfen selbst die drei Schwierigkeitsgrade nicht viel weiter. Löblich sind jedoch die gute Steuerung, die Speicherung vor jeder Schlacht sowie der taktische Anspruch, denn mit einem kleinen wendigen Schiff könnt ihr durch geschicktes Ausmanövrieren die dicksten Pötte versenken.

In den Seeschlachten kommt es sporadisch zu Fechtduellen mit den gegnerischen Kapitänen. Diese Duelle sind als launige Mini-Games ins Kampfkonzept eingebunden. Der Gewinner eines solchen Fechtkampfes ist sofort der Sieger im gesamten Gefecht und bekommt die ganze feindliche Flotte als Belohnung. Diese Intermezzi bereichern das komplexe Handelsspiel um einen Schuss Action und Geschicklichkeit.

Die Stadtansicht ist übersichtlich und informativ.

Sehr viel Abwechslung

Port Royale 2 bietet neben dem großen Handelssystem und dem im direkten Vergleich eher selten auftretenden Seeschlachten noch zahlreiche weitere Herausforderungen, die das Spielerlebnis deutlich individueller gestalten: So könnt ihr euch beim Glücksspiel betätigen oder selbst in den Städten eigene Produktionsanlagen in die Höhe ziehen - natürlich abgestimmt auf die schon produzierten Ressourcen. Auch hier lässt sich wieder einekomfortable Automatisierung aktivieren.

Wollt ihr noch mehr Abwechslung? Dann könnt ihr in den Kneipen, von den Gouverneuren oder direkt vom Vize-König kleine Missionen annehmen. Mal rettet ihr Schiffsbrüchige, sucht Schätze, geht auf Kopfgeldjagd oder nehmt Personentransporte vor. Als Belohnung winken meist Geld oder Schiffe; ganz selten dürft ihr euch über ein Stück Land freuen.

Besonders in der Nahansicht überzeugen die Schiffe nicht gerade mit toller Optik.
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Landgang ohne Tiefgang

Manchmal sollt ihr ganze Städte für eine der Nationen annektieren. Folglich schippert ihr mit einem Schiff zum Zielort, ballert die Verteidigungstürme kaputt und landet mit den Fußtruppen. Sensationelle zwei verschiedene Truppentypen dürft ihr im Landeinsatz der Marke "Echtzeit-Strategie light lite" befehligen und zum Sieg klicken. Meistens führt ein Massenangriff zum ersehnten Erfolg – taktischer Anspruch ist bei den Invasionen nicht nötig.

Allerdings solltet ihr beachten, dass ein Angriff auf eine Stadt gewisse diplomatische Konsequenzen nach sich zieht: Wenn ihr beispielsweise eine spanische Siedlung angreift, seid ihr anschießend ein beliebtes Angriffsziel für die gesamte Kriegsflotte und dürft nicht mehr in spanische Häfen einlaufen. Die gleiche Ungnade blüht euch, wenn ihr andauernd unschuldige Handelskonvois auf´s Korn nehmt.

Nette Details und ein hoher Wuselfaktor zeichnen die Stadt-Grafik aus.
Epische Kampagne? Fehlanzeige!

Je erfolgreicher ihr im Handel seid, und je mehr Einsätze ihr erfolgreich erfüllt, desto weiter steigt ihr im Rangsystem auf. Ab Rang 5 dürft ihr in den Gouverneurshäusern die hübsche Tochter des Regenten anbaggern, die euch mit ein bisschen Glück über profitable Routen informiert oder sonstige hilfreiche Tipps gibt. Irgendwann im späteren Spielverlauf könnt ihr der schnittigen Frau sogar den Hof machen. Aber dieser Endlosmodus ist der Kern des gesamten Spiels. Ansonsten stehen euch magere vier Szenarien zur Verfügung, bei denen ihr bestimmte Aufgaben erfüllen sollt. So müsst ihr beispielsweise das Piraten-Loch Tortuga in eine blühende Wirtschaftsmetropole verwandeln oder Jagd auf den berüchtigten Piraten Blackbeard machen. Bis auf vier Tutorials war es das an Spielmodi! Eine zusammenhängende Kampagne mit fortlaufender Story gibt es nicht.

Fazit

Port Royale 2 könnte auch locker Port Royale 2004 genannt werden. Die Wirtschaftssimulation aus dem Hause Ascaron lässt vor allem eines vermissen: neue Ideen! Die Karibik sah schon in Piraten - Herrscher der Karibik genauso aus, das Wirtschaftssystem offenbart dicke Parallelen zu Port Royale, die Seeschlachten stammen ebenfalls aus dem Vorgänger und die Fechtduelle erinnern an Pirates! von Sid Meier. Trotzdem ist Port Royale 2 mehr als die Summe seiner Einzelteile, denn das Gameplay ist dank des hervorragend dynamischen Handelssystems ein wahrer Komplexitätskönig - verpackt in eine edle und funktionale Menühülle. Außerdem gibt es viele Möglichkeiten, wie ihr euch in der großen Welt austoben könnt: Missionen, Fechten, Glücksspiel, Invasionen, Gebäudebau. Schade ist nur, dass es keine Kampagne gibt und der Schwierigkeitsgrad für Anfänger deftig ist. Außerdem wurden die Seeschlachten optisch recht dürftig und spielerisch happig inszeniert, obwohl sie immer noch motivierender sind als die taktisch armseligen Landkämpfe. Unterm Strich ist Port Royale 2 eine wirklich gute Wirtschaftssimulation, besser als ANNO 1503 und zumindest auf Augenhöhe mit Genre-Meister Der Patrizier 2.

Pro

sehr gutes & komplexes Wirtschaftssystem
sehr viele Handlungsmöglichkeiten
motivierendes Rangsystem
nettes Missionssystem
Gebäude können errichtet werden
viele automatisierbare Funktionen
19 Waren und 16 Schiffstypen
gutes Handbuch inkl. Karte
hoher Wiederspielwert
packende Seeschlachten
spaßiger Fechtkampf
einfache Bedienung
große Spielwelt
kaum Bugs

Kontra

keine interessanten Neuerungen
hoher Schwierigkeitsgrad bei See-Kämpfen
Start-Szenario der Karibik immer gleich
relativ altbackene Optik
Seeschlachten unspektakulär
keine epische Kampagne
taktisch anspruchsloser Landkampf

Wertung

PC

Tolles Spiel für lange Abende: Mit Geschick, Verstand und Glück erntet ihr hier karibischen Ruhm!

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