Cornerstone: The Song of Tyrim11.05.2016, Mathias Oertel
Cornerstone: The Song of Tyrim

Im Test: Wikinger auf Links Spuren

Es gibt wahrlich schlechtere Vorbilder, denen man nacheifern kann als The Legend of Zelda. Allerdings wandelt das Team von Overflow die Formel für Cornerstone: The Song of Tyrim ab. Ob das Wikinger-Abenteuer eine ähnliche Faszination entfachen kann wie die legendären Ausflüge mit Link nach Hyrule, klären wir im Test.

Wickie trifft auf Link

Ob die Entwickler die Zeichentrickserie "Wickie und die starken Männer" kennen? Zwar reibt sich Tyrim, der heldenhafte Knirps, nicht die Nase, um eine Lösung für seine Probleme zu finden. Doch viel von der Leichtigkeit, die den Jungen aus Flake auszeichnet, findet man auch in seinem Verhalten: Er hat auf alles eine Antwort, die mal schnippisch, mal überraschend weise ausfällt. Und er gibt nie auf - auch wenn er wie hier eine Mammutaufgabe vor sich hat. Alle Männer seines Heimatdorfes sind verschwunden und Tyrim hat es sich zum Ziel gesetzt, sie wiederzufinden. Gerüchten zufolge scheinen sie auf einer Insel im Norden festzusitzen. Um dorthin zu kommen, braucht er ein Boot sowie ein paar Hilfsmittel, die auf weiteren Eilanden verstreut sind. Doch wie soll er durch die von Haien verseuchten Gewässer zu den anderen Landmassen gelangen, um z.B. den Bootsbauer zu befreien? Na klar, mit einem kleinen Schaufelradfloß, dessen Bauplan jedoch erst einmal gefunden werden muss.

Hat man erst einmal die "Mad Goat" als Schiff zur Verfügung, nimmt das Abenteuer Fahrt auf.
So beginnt das Action-Adventure ganz beschaulich. Man lernt Kampfgrundlagen und vor allem wie man den Werkzeugkasten bedient, mit dem Tyrim aus vier Rohstoffen (Wolle, Holz, Stein und ein Feuerelement) über 20 Gegenstände herstellen kann - mitunter in verschiedenen Aufrüstungsstufen. Darunter befinden sich zwar auch einige Hilfsmittel wie das Floß, eine Art Gleitschirm, Verbandsmaterial sowie eine Standardkiste, mit der man höher gelegene Areale erreichen kann, für die der normale Sprung nicht reicht. Doch ein Großteil der Gegenstände ist martialischer Natur, sprich: es handelt sich um Waffen, Rüstung oder Schilde. Dementsprechend bleibt das „Crafting“ bei den ohnehin sehr schwachen Rätseleinlagen meist außen vor. Schade, die Puzzles hätten von erweiterter Gegenstandsmanipulation stark profitiert.

Irgendwie Zelda-esk?

Vieles in Cornerstone erinnert an Abenteuer der Zelda-Serie oder ähnliche Spiele.
Denn auch Gebiete, die man nur mit einem bestimmten Gegenstand betreten kann, sucht man meist vergebens. Einzig das Spinnennetz, das sich nur mit einer brennenden Fackel auflösen lässt (wieso eigentlich nicht mit dem ebenfalls zur Verfügung stehenden Explosionsfass?) oder die Felsen, die mit dem erwähnten Fass gesprengt werden müssen, erinnern rudimentär an Gebiete, die man sowohl bei Legend of Zelda als auch bei Darksiders erst später betreten kann, wenn man das richtige Werkzeug dabei hat. Um das für die vier weiter entfernten Inseln benötigte Boot mit in diese Kategorie zu ziehen, reicht meine Fantasie jedoch nicht aus. Überhaupt macht es sich Overflow mechanisch recht leicht: Man spult ein Standardprogramm ab. Die Kämpfe funktionieren und erinnern mit ihrer Ausweichrolle und dem Ausdauersystem rudimentär an eine große Serie von From Software, die Sprungmechaniken sind ebenfalls solide (auch wenn die Kollisionsabfrage mitunter sehr penibel reagiert), man kann sogar schleichen. Und doch will mit wenigen Ausnahmen wie den späten Inseln, wo bestimmte Fähigkeiten gefragt sind, keine richtige Spannung oder Atmosphäre aufkommen. Alles wirkt zwar harmonisch, aber auch schrecklich belanglos.

Einzig die sich abnutzenden Gegenstände sorgen in Ansätzen für knifflige Momente. Denn wer sich nicht um seine Ausrüstung kümmert und wem daher mitten im Kampf das Schwert zerbricht, hat ein Problem. Zwar kann man sich (genug Ressourcen vorausgesetzt) im Handumdrehen ein neues herstellen. Doch das Spiel schaltet dafür nicht in eine Pause. Man muss sich also zurückziehen, Abstand zwischen sich und die bar  jeglicher Intelligenz angreifenden Gegner bringen und dann das Crafting-Menü öffnen, zur entsprechenden Waffe navigieren und hoffen, dass die Zeit reicht. Alternativ kann man auch Bewaffnung von getöteten Feinden aufnehmen.  Auch die Tempoänderungen, die zwischen ruhiger Entdeckung, leichten Scharmützeln und (zu seltenen) Bosskämpfen variieren, können sich sehen lassen. Leider wird aus der ruhigen Entdeckung immer wieder Leerlauf, wenn man ein ums andere Mal dank unnötigen Backtrackings durch Gebiete wandert, die man schon erforscht bzw. von Gegnern und Rohstoffen befreit hat. Sprich: Es fehlt eine vernünftige Regie des Spielflusses. 

Irgendwie Zelda-esk!

Natürlich muss ein Wikinger auch kämpfen.
Hat Cornerstone bis hierhin nur in Ansätzen geschafft, Dynamik, Forscherdrang und Spielfluss von Spielen wie der Zelda-Serie zu emulieren, ist man mit der Kulisse dichter dran. Auf den ersten Blick könnte die Welt, in der Tyrim seine Abenteuer erlebt, eine Modifikation der Wind-Waker-Engine sein. Alles ist in comichaften Farben gehalten, die Welt besticht mit klaren Formen und nur wenigen Texturdetails. Und ist man mit dem Schiff unterwegs und pflügt durch das azurne Wasser, scheint die Illusion fast perfekt. Doch wo The Legend of Zelda trotz allen Minimalismus Charme und Atmosphäre versprüht, bleibt Cornerstone auch hier einiges schuldig. Denn viel zu häufig wirkt die Kulisse nicht charmant, sondern spröde. Nicht atmosphärisch, sondern detailarm und karg.

Immerhin: Die musikalische Untermalung, die mal nach Sims klingt, dann wieder Elemente aus Kingdom Hearts zu vearbeiten scheint, bietet mit ihren Loops einen passablen Hintergrund, der nur vom gelegentlichen Kampflärm unterbrochen wird. Sprachausgabe sucht man vergeblich. Dafür jedoch findet man Bugs, die sich nicht nur auf die KI, sondern auch gelegentlich auf die visuelle Darstellung (Clipping) und ab und an sogar auf das Spiel auswirken können – und im schlimmsten Fall dafür sorgen, dass man bestimmte Nebenmissionen nicht erledigen kann oder nach einem Ableben vollkommen ohne einen (oder mehrere) Rohstoffe wieder am letzten Kontrollpunkt aufwacht. Oder am vermeintlich letzten, denn mitunter wird man weiter zurückversetzt als man eigentlich war.

Fazit

Ein Grafikdesign, das an Legend of Zelda Wind Waker erinnert, reicht nicht aus, um aus einem Action-Adventure ein interessantes Spiel zu machen. Vor allem, wenn man es nicht schafft, dem minimalistischen Stil durchgängig Charakter einzuhauchen. Hier wandelt man ständig zwischen den Extremen "Charmant" auf der einen und "Langweilig" auf der anderen Seite. Es gibt zwar ein interessantes, aber viel zu eingeschränktes und meist auf Kampfgegenstände fokussiertes Crafting. Das Kampfsystem ist simpel, die Dungeons sind einigermaßen verschachtelt. Doch die Mischung bleibt fade, weil das Potenzial der vertraut wirkenden Versatzstücke nicht ausgereizt wird. Davon bleibt kein Bereich verschont: In Ansätzen erkennt man beim Rätseldesign und in der Spielwelt die Ambition. Doch es reicht nur für sehr wenige Höhepunkte, die meist von Standard-Design, Redundanz, Backtracking sowie dem einen oder anderen Bug abgelöst werden. Schade, hier war mehr drin.

Pro

minimalistische Kulisse, die zwischen charmant...
angenehme Musikuntermalung
im Ansatz interessantes Crafting-System
angenehme Tempo-Variationen
simples Kampfsystem

Kontra

... und spröde-steril schwankt
Bugs
keinerlei Sprachausgabe
fantasielose Rätsel
Crafting auf Kampfgegenstände fokussiert
mitunter Leerlauf und unnützes Backtracking
größtenteils bekannte Versatzstücke uninspiriert zusammengefügt

Wertung

PC

Das Potenzial kann man Cornerstone nicht absprechen. Doch das in seiner Qualität stark schwankende Action-Adventure spult viele Standards à la Zelda ab, ohne markante Höhepunkte zu setzen.

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