Im Test: Shadwen? Schade!
"Gwen im Schatten"?
Shadwen ist nicht nur der Name des Spiels, es ist auch der Name seiner Protagonistin. Als Attentäterin schleicht sie sich an Wachen vorbei, um dem König das Leben zu nehmen, wobei sie seine Truppen entweder meuchelt oder an ihnen vorbei geht.
Ihre Wahl wirkt sich dabei nicht nur auf den direkten Spielverlauf aus, sondern auch auf die Geschichte. Denn Lily, ein junges Mädchen, begleitet sie. Und das blickt im Gegensatz zu seiner zynischen Beschützerin noch mit naiven Augen auf die schönen Dinge des Lebens. Welche Folgen das unterschiedliche Vorgehen irgendwann hat? Ich habe keine Ahnung! Und ich will es auch gar nicht wissen. Denn schon in der ersten Stunde wusste ich, dass ich Shadwen nicht
Papier und Wirklichkeit
Shadwen ist ein Musterbeispiel für ein Konzept, das auf dem Papier fantastisch klingt – in der Realität aber partout nicht aufgeht. "Fantastisch", weil man jederzeit die Zeit zurückdrehen kann. Weil die Zeit sogar stillsteht, so lange man die Attentäterin nicht bewegt, so dass man in Ruhe ihren nächsten Schritt planen kann. Weil man sie in Heuhaufen versteckt, Wachen mit Giftpfeilen außer Gefecht setzt, sie mit rumpelnden mechanischen "Riesenmäusen" ablenkt und mehr. Weil Shadwen der Stealth-Action kreative Impulse verleiht.
Das alles geht aber beinahe unter, weil man von so ärgerlichen Einschränkungen behindert, stellenweise auch von technischen Schwächen so gestört wird, dass diese Stealth-Action keinen Spaß macht. Das fängt bei der Hauptfigur an, die sich wie eine federleichte Jump&Run-Feder anfühlt. Da man sie per Schulterblick in nächster Nähe begleitet, wirkt es einfach befremdlich, wenn sie sich mit ihrem Greifhaken direkt nach dem Sprung auf ein Holzdach ohne jeden Übergang sofort wieder an einen Balken heran zieht.
Willkommen bei den Wundern der Physik!
Dabei erlaubt gerade der Greifhaken ein eigentlich cleveres Schleichen über z.B. höher gelegene Pfeiler. Oft genug baumelt Shadwen aber unter einer Kante, ohne sich hochzuziehen; gefühlt hat man nie die volle Kontrolle über ihre Bewegung in der Luft. Ich spiele gerade wieder Bionic Commando – so oder so ähnlich sollte das Schwingen funktionieren!
Interessant ist zudem das Greifen und Ziehen einer der zahlreichen Kisten, um Wachen abzulenken. Spätestens als eine von ihnen von einer langsam kippenden Kiste oder der von ihr fallenden Lampe tödlich getroffen wurde (ich habe keine Ahnung, welcher der beiden Gegenstände der brutale Todesbote war), verkam diese Stealth-Physik allerdings zur Zirkusnummer. Natürlich konnte ich die Zeit zurückdrehen und den "Fehler" beheben!
Aber genau da liegt ein großes Problem: Spannung kommt so doch nie auf. Stattdessen habe ich unterm Strich ein paar Stunden damit verbracht, das Hampeln am Seil, die teils störrische Kamera sowie physikalische "Besonderheiten" durch häufiges Vor, Zurück, Vor, Zurück, Vor... auszugleichen. Das Manipulieren der Zeit wirkt nicht wie eine coole Fähigkeit, sondern der Cheat-Code eines Programmierers zum schnellen Testen einzelner Mechaniken. Spaß hatte ich damit jedenfalls kaum.
Gestörtes Raum-Zeit-Gefüge
Und das ist nicht die einzige temporale Schwäche. Das automatische Anhalten der Zeit verursacht nämlich seine ganz eigene Form eines schlechten Zeitgefühls. Tatsächlich bleibt der Ablauf sofort stehen, wenn man keine Taste drückt: Das sieht schick aus und erlaubt das ruhige Bedenken des nächsten Schritts. Es wirkt aber auch ausgesprochen
Game Over statt Spannung
Die haben es sich ohnehin sehr einfach gemacht – mit einem Spiel, das sofort "Game Over!" ruft, sobald eine Wache Alarm auslöst oder Shadwen angreift. Sprich, es gibt weder den Kampf noch Alarmphasen, in denen die Soldaten nach mehr als einem Geräusch suchen. Das typische Katz-und-Maus-Spiel der Stealth-Action beschränkt sich also auf ein kurzzeitiges Ablenken der Gegner und das ist mir auf Dauer zu wenig.
Der Spaß hört spätestens dort auf, wo die Gegner nicht einmal in Heuhaufen nach Shadwen suchen, nachdem sie vor ihren Augen dort hineingekrochen ist. Wenn sich die Attentäterin buchstäblich an ihren Rücken schwingt, auf dass der Angerempelte die Aktion weder mit einer Animation noch einem Kommentar registriert, zeigt sich das Spiel sogar von seiner hässlichen Seite.
Das Ellie-Syndrom
Im Kern funktioniert das einfache Konzept des Schleichens und Schwingens ja. Zumal geräuschvolle Maschinen, Giftpfeile und andere Werkzeuge eine hilfreiche Ergänzung sind, für deren Herstellung die Attentäterin Gegenstände
Shadwen muss zudem nicht nur selbst ans Ziel gelangen, sondern die Wachen auch so ablenken oder beseitigen, dass ihr die kleine Lily unbehelligt folgen kann: Das Mädchen läuft immer dann zum nächsten Heuhaufen oder Busch, sobald der Weg dorthin frei scheint. Die zwei Damen reden zwar fast nur während der Ladepausen und reagieren beim Spielen nicht direkt aufeinander. Dennoch entsteht durch das indirekte Führen ein ganz eigener Rhythmus abseits dessen, an das man durch Metal Gear, Splinter Cell und Dishonored gewöhnt ist.
Doch dann springt Lily einem Gegner mal wieder direkt vor der Nase herum – was der "selbstverständlich" komplett übersieht. Und so reiht sich auch dieser Baustein in die Reihe der vielen guten Ideen ein, welche die Trine-Macher unter einem großen Berg konzeptioneller und technischer Probleme begraben.
Fazit
Auf dem Papier ist Shadwen ein interessantes Spiel: Die titelgebende Protagonistin muss nicht nur selbst zum Ziel finden, sondern einer Begleiterin den Weg freimachen, sie schwingt sich mit Seil und Greifhaken an hohen Balken entlang und lenkt Wachen mit umstürzenden Regalen ab. In Wirklichkeit spielt das alles aber kaum eine Rolle. Die Gründe dafür fangen beim mangelhaften Verhalten der Wachen an, reichen über Logikfehler im Zusammenspiel mit physikalisch beweglichen Objekten und gehen bis zur oft fummeligen Steuerung am Greifhaken. Noch schlimmer wiegen ganz grundlegende Probleme, allen voran der gebrochene Spielfluss, weil das Geschehen ständig automatisch angehalten wird. Durch das stets mögliche und unbegrenzt weite Zurückspulen der Zeit erzwingt man außerdem ein spaßfreies Weiterkommen – Voraussicht und clevere Ideen braucht man ja nicht. Und so wirkt Shadwen wie eine ebenso einfallsreiche wie völlig unfertige Konzeptstudie, deren fehlerhafte Bausteine nur so weit ineinandergreifen, dass das Spiel gerade so nicht auseinander fällt.
Pro
Kontra
Wertung
PC
Einfallsreiche Stealth-Action mit zahlreichen guten Ideen - die unter technischen und konzeptionellen Schwächen begraben sind.
Du musst mit einem 4Players-Account angemeldet sein, um an der Diskussion teilzunehmen.