Stardew Valley18.03.2016, Jan Wöbbeking

Im Test: Kopie schlägt das Original?

Wird 2016 zum Jahr der Einzelkämpfer? Nach der überraschend guten Dark-Souls-Hommage DarkMaus bekommt auch Harvest Moon eine Neuinterpretation von einem einzelnen Entwickler. Mangels Lizenz heißt das Spiel natürlich anders, doch der idyllische Ablauf erinnert sofort an gute alte Tage auf dem Land. Ein Highlight für darbende Fans? Das klären wir im Test von Stardew Valley (ab 13,99€ bei kaufen).

Landlust als Pixelspiel

Im Vergleich zur von From Software verwöhnten Spielergemeinde hat Eric Barone als Harvest-Moon-Fan allerdings eine deutlich längere Durststrecke hinter sich: Zumindest die letzten in den Westen gebrachten Titel der Serie konnten ganz und gar nicht mehr die typische entspannende Landlust-Idylle älterer Serienableger erzeugen. Also entwickelte Barone unter seinem Pseudonym ConcernedApe einfach sein eigenes Idealbild des Prinzips, welches nach vier Jahren Arbeit unter dem Namen Stardew Valley für den PC veröffentlicht wurde. Nicht nur der Himmelskörper im Namen erinnert ans Vorbild. Fast jedes noch so kleine Detail der Spielmechanik kam mir auf Anhieb vertraut vor: Die Position der Versandbox für die Ernte, das Ackern auf den Feld-Quadraten per Knöpfchendruck, das Freundschaftenschließen mit individuellen Geschenken, die Einteilung in vier Jahreszeiten-Monate, und und und... Kenner der Serie erleben hier ein Dejà-vu nach dem anderen.

Willkommen auf dem Land!
Das ist natürlich nicht gerade von Vorteil, wenn man sich bereits durch die letzten mediokren bis grottigen Harvest Moons gequält hat: Bei den schon tausendfach ausgeführten Handgriffen auf dem Feld fielen mir in den ersten Stunden beinahe die Augen zu. Auf dem vorindustriellen Bauernhof von Stardew Valley arbeitet man schließlich persönlich auf dem Feld und beackert jedes kleine Quadrat einzeln. Mit Sichel, Axt, Spitzhacke und Hacke wird die verfallene Brache vorbereitet, danach besorge ich mir Saatgut im benachbarten Krämerladen und gieße die sprießenden Pflänzchen schließlich täglich, damit ich sie ein paar Tage später ernten kann. Getreide und Rüben sind sich schon nach wenigen Tagen reif. Andere Feldfrüchte wie Pfefferschoten oder Erdbeeren lassen sich gleich mehrmals pro Jahreszeit pflücken – frühes Anpflanzen kann also nicht schaden. Zu guter Letzt werden die Erzeugnisse bequem per eigener Versandbox verkauft, dazu zählen auch Eier, Milch und andere tierische Produkte, die man später anzubieten hat.

Erst ackern, dann erforschen

Doch davor stehen erst einmal einige relativ fade Stunden auf dem Feld. Schade, dass sich der Entwickler bei der Grundmechanik so nah ans Vorbild klammert, statt mit eigenen Ideen für frischen Wind zu sorgen. Neulinge könnten allerdings mehr Spaß am Einstieg haben, denn die behutsame Herangehensweise sorgt dafür, dass man nicht überfordert wird und frisch gebackene Landwirte erst einmal Werkzeuge und Orte kennenlernen können.

Eine Ausdaueranzeige begrenzt allzu große Verausgabung an einem Tag. Ab den Monsterkämpfen kommt zusätzlich Lebensenergie hinzu.
Als ich damit begann, ausführlicher auf Entdeckungsreise zu gehen, hat mich der Charme von Stardew Valley aber schnell für sich gewonnen. Man merkt wirklich an jedem Pixel, wie sehr Barone das Prinzip liebt – und wie sorgfältig er es diesmal umsetzen wollte: Jedes noch so unwichtige Detail wurde mit charmanten Animationen versehen. Beim Gießen der Pflanzen wippt mein Figürchen liebenswert mit den Knien, ein Gewitter rumpelt und blitzt gewaltig. Und in der fein abgestuften Sommerdämmerung verändern sich die Farben immer weiter, bis plötzlich kleine Glühwürmchen durch die Luft schwirren – einfach magisch! Überall gibt es seltene Wildfrüchte, verschlüsselte Hieroglyphen und andere Geheimnisse zu entdecken: Am Rande des Dorfes, neben dem umrankten Turm des Magiers oder an den zahlreichen Ufern von Meer und Flüssen mit ihren sehr unterschiedlichen Fischen. Letztere lassen sich in einem simplen aber gelungenen Minispiel angeln, in den die Leine ganz bleiben muss.

Auszeit vom hektischen Alltag

Solche Auszeiten eignen sich prima zum Totschlagen der Zeit, denn passend zum Landleben hat manch ein Laden- oder Farmbesitzer nur ungefähre Öffnungszeiten – den Rest der Zeit wandert er andernorts durchs Dorf. Auch Ausflüge in tiefe Minen sind wieder dabei, wo sich Metall zum Schmieden besserer Werkzeuge findet. Dort kommt es auch zu kleinen Monsterkämpfen mit dem Schwert oder schnelleren Klingenwaffen. Der Schlagabtausch bleibt mit seinen wenigen Attacken zwar simpel, ist aber trotzdem eine willkommene Abwechslung zur Feldarbeit – zumal man sich mit den schleimigen Trophäen zusätzliches Geld oder die Anerkennung einer Abenteurer-Gilde verdient. Ein entsprechendes Gebäude bei der Zimmerin verrät, dass sich die Biester sogar domestizieren lassen. Mit der Länge eines virtuellen Tages hat der Entwickler exakt die goldene Mitte gefunden – sie sorgt nicht für unnötige Hektik, ist aber bei weitem nicht so elendig lang wie in Innocent Life: A Futuristic Harvest Moon. Gespeichert wird nur beim Zubettgehen. An Regentagen oder nach getaner Feldarbeit bleibt oft genügend Zeit, um bei der Erkundung der liebevoll gestalteten Umgebung die Seele baumeln zu lassen. Mal erforscht man das verfallene Gemeinschafts-Zentrum, schaltet mit Gefälligkeiten versperrte Bereiche frei oder streift einfach durch die lebendige Natur, in der es jede Menge Geheimnisse zu entdecken gibt. Historische Helme, Artefakte, edle Materialien und Anderes lässt sich im Museum aufreihen.

Der Soundtrack unterstützt die Stimmung von Wetter und Jahreszeiten mit entspannten Chiptune-Melodien.
Mit der Zeit wird es im Dorf immer belebter. Schön, dass viele Dinge nur behutsam erklärt werden oder gar komplett vom Spieler erkundet werden müssen. In den Menüs finden sich zwar jede Menge Kästchen für Sammelobjekte, dort sieht man zunächst allerdings nur ausgegraute Silhouetten. Auch der Rest des Abenteuers ermuntert den Spieler zu Entdeckungstouren auf eigene Faust. Die unkomplizierte Steuerung per Maus und Tastatur sorgt ebenfalls für entspanntes Ackern und Erforschen. Wer möchte, kann stattdessen auf den Controller umsteigen oder die Belegung nach eigenen Vorlieben gestalten.

Bunter Bauernhof

Als ich nach einigen Stunden genügend Geld und Ressourcen angehäuft hatte, wurde auch der Alltag auf dem Feld komplexer und erschien mir nicht mehr so monoton, weil ich gedanklich schon meine nächsten Anschaffungen, Erledigungen und Wanderungen plante. Zudem sorgen natürlich auch die fröhlich durch den Garten wuselnden Pixel-Tiere für gute Laune. Neben pflegeleichten Hühnern gibt es z.B. Kühe, Pferde, Schafe, Schweine, Ziegen und sogar eine exotische Spezies, die ich hier noch nicht verrate.

Mal sehen, wer oder was anbeißt.
Von Monstern und Fischen abgesehen spielt die Schlachtung offenbar keine Rolle – Schweine suchen z.B. stattdessen nach gewinnbringenden Trüffeln. Ab und zu kommt es in der Gemeinde auch zu den bekannten kleinen Festivals. Bevor sich die jungen Damen (oder Herren) des Dorfes dazu herablassen, mit dem Neuling zu tanzen (oder später eine Familie mit Kindern zu gründen), muss aber erst einmal mit passenden Geschenken die Freundschaft geschmiert werden.

Rückkehr von Altlasten

Schade, dass Barone sich nicht ein größeres Entwickler-Team organisiert hat, um die zwischenmenschlichen Beziehungen endlich etwas interessanter zu gestalten. Nach wie vor muss man sich mit belanglosem Smalltalk und dem nicht gerade romantischen Aufleveln einer Zuneigungsleiste mit Hilfe von Geschenken begnügen. Allgemein bleiben die Dialoge der kurz angebundenen Nachbarn eine Schwachstelle. Die Geschichte bettet die Landidylle zwar gelungen in eine Rahmenhandlung über Großstadt-Burnout, Umweltverschmutzung und Marktmacht großer Handelsketten ein, bleibt im Alltag aber nur im Hintergrund. Als die Hauptfigur genug vom grauen Alltag vorm Computer hat, zieht sie kurzerhand in ein vererbtes Landgut – doch auch dort stößt sie ab und zu auf unschöne Auswüchse industrieller Zivilisation.

Partytime!
Im kleinerem Rahmen ist die Veredelung von Rohstoffen trotzdem erneut nützlich: Mit einem entsprechend ausgebautem Haus lassen sich allerlei köstliche Gerichte kochen, die zusätzliches Geld oder die Zuneigung eines entsprechenden Feinschmeckers einbringen. Ein schwarzes Brett und allerlei spezifische, zeitlich begrenzte Quests bringen noch mehr Bares ein. Mal braucht ein junger Abnehmer Pfefferschoten für einen Streich, später bittet der Zauberer im Turm mich, die Monster-Plage in der Mine einzudämmen. Auf die Anerkennung anderer Spieler muss man dagegen vorerst verzichten. Entgegen früherer Planungen ist Stardew Valley ein reiner Einzelspieler-Titel. Mit späteren Updates soll aber ein Koop-Part für vier Spieler nachgepatcht werden . Schade, dass man nicht die Gärten anderer Spieler besuchen kann, wie es bereits in Ablegern von Animal Crossing oder Farmville möglich war. Auch in der Harvest-Moon-Serie gab es bereits soziale Features wie Online-Tauschbörsen.

Fazit

Wer hätte das gedacht: Während Natsume seine Marke Harvest Moon in den vergangenen Jahren nur noch lustlos gemolken hat, schafft die Kopie Stardew Valley es viel besser, die entspannte Bauernhof-Stimmung der beliebten Oldies einzufangen. Eigentlich ist es schwer zu glauben, dass nur ein einzelner Entwickler daran gearbeitet hat. An förmlich jeder Ecke entdeckt man Eric Barones Liebe für urige Details - ob nun die putzigen kleinen Animationen, die atmosphärische Umsetzung von Tageszeiten und Wetterkapriolen oder die zahllosen Geheimnisse und Aktivitäten, mit denen sich das Landleben sehr individuell gestalten lässt. Manchmal hätte ich mir allerdings gewünscht, dass Concerned Ape und Publisher Chucklefish sich etwas mehr vom Original lösen, um Altlasten wie das simple Beziehungs-System, die minimalistische Geschichte oder fade Smalltalk-Dialoge zu modernisieren. Gerade als Kenner der Vorbilder kann man angesichts des langsamen Fortschritts schon mal die Lust am kleinteiligen Ackern verlieren. Meist haben mich die üppigen Erkundungsmöglichkeiten aber schnell wieder in ihren Bann gezogen, so dass ich auch nach der Arbeit noch weiter spielen wollte. Nur noch eine Höhle erkunden, ein paar Bäume fällen, den Wald erforschen, die Versteinerung öffnen, einen Stall in Auftrag geben...und schon ist es nicht nur in der Spielwelt Mitternacht geworden.

Pro

liebevolle Hommage ans Harvest-Moon-Prinzip
schlichtes aber charmantes Pixel-Design
viele lebendige kleine Animationen und Wetter-Feinheiten
üppiger Umfang mit motivierenden Wahlmöglichkeiten
Unmengen an Materialien, Pflanzen und Tieren für Verkauf und Verarbeitung
ideale Tageslänge macht Arbeit und Erkundung entspannend
viel mysteriöser Kleinkram zu entdecken
relaxte Melodien spiegeln Stimmung der Jahreszeiten wider
nette Rahmenhandlung rund um Zivilisation und Natur
intuitive Steuerung

Kontra

langsamer Fortschritt geht vor allem zu Beginn auf die Nerven
spielmechanische Nähe zu den zahlreichen Originaltiteln macht die Feldarbeit mitunter monoton
(noch) keine Online
oder Mehrspieler-Features
meist nur simple Smalltalk-Dialoge
kurze Story-Elemente bleiben zu marginal
keine deutsche Lokalisation

Wertung

PC

Liebevolle und sehr umfangreiche Hommage an Harvest Moon.

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