Im Test: Kopie schlägt das Original?
Landlust als Pixelspiel
Im Vergleich zur von From Software verwöhnten Spielergemeinde hat Eric Barone als Harvest-Moon-Fan allerdings eine deutlich längere Durststrecke hinter sich: Zumindest die letzten in den Westen gebrachten Titel der Serie konnten ganz und gar nicht mehr die typische entspannende Landlust-Idylle älterer Serienableger erzeugen. Also entwickelte Barone unter seinem Pseudonym ConcernedApe einfach sein eigenes Idealbild des Prinzips, welches nach vier Jahren Arbeit unter dem Namen Stardew Valley für den PC veröffentlicht wurde. Nicht nur der Himmelskörper im Namen erinnert ans Vorbild. Fast jedes noch so kleine Detail der Spielmechanik kam mir auf Anhieb vertraut vor: Die Position der Versandbox für die Ernte, das Ackern auf den Feld-Quadraten per Knöpfchendruck, das Freundschaftenschließen mit individuellen Geschenken, die Einteilung in vier Jahreszeiten-Monate, und und und... Kenner der Serie erleben hier ein Dejà-vu nach dem anderen.
Erst ackern, dann erforschen
Doch davor stehen erst einmal einige relativ fade Stunden auf dem Feld. Schade, dass sich der Entwickler bei der Grundmechanik so nah ans Vorbild klammert, statt mit eigenen Ideen für frischen Wind zu sorgen. Neulinge könnten allerdings mehr Spaß am Einstieg haben, denn die behutsame Herangehensweise sorgt dafür, dass man nicht überfordert wird und frisch gebackene Landwirte erst einmal Werkzeuge und Orte kennenlernen können.
Auszeit vom hektischen Alltag
Solche Auszeiten eignen sich prima zum Totschlagen der Zeit, denn passend zum Landleben hat manch ein Laden- oder Farmbesitzer nur ungefähre Öffnungszeiten – den Rest der Zeit wandert er andernorts durchs Dorf. Auch Ausflüge in tiefe Minen sind wieder dabei, wo sich Metall zum Schmieden besserer Werkzeuge findet. Dort kommt es auch zu kleinen Monsterkämpfen mit dem Schwert oder schnelleren Klingenwaffen. Der Schlagabtausch bleibt mit seinen wenigen Attacken zwar simpel, ist aber trotzdem eine willkommene Abwechslung zur Feldarbeit – zumal man sich mit den schleimigen Trophäen zusätzliches Geld oder die Anerkennung einer Abenteurer-Gilde verdient. Ein entsprechendes Gebäude bei der Zimmerin verrät, dass sich die Biester sogar domestizieren lassen. Mit der Länge eines virtuellen Tages hat der Entwickler exakt die goldene Mitte gefunden – sie sorgt nicht für unnötige Hektik, ist aber bei weitem nicht so elendig lang wie in Innocent Life: A Futuristic Harvest Moon. Gespeichert wird nur beim Zubettgehen. An Regentagen oder nach getaner Feldarbeit bleibt oft genügend Zeit, um bei der Erkundung der liebevoll gestalteten Umgebung die Seele baumeln zu lassen. Mal erforscht man das verfallene Gemeinschafts-Zentrum, schaltet mit Gefälligkeiten versperrte Bereiche frei oder streift einfach durch die lebendige Natur, in der es jede Menge Geheimnisse zu entdecken gibt. Historische Helme, Artefakte, edle Materialien und Anderes lässt sich im Museum aufreihen.
Bunter Bauernhof
Als ich nach einigen Stunden genügend Geld und Ressourcen angehäuft hatte, wurde auch der Alltag auf dem Feld komplexer und erschien mir nicht mehr so monoton, weil ich gedanklich schon meine nächsten Anschaffungen, Erledigungen und Wanderungen plante. Zudem sorgen natürlich auch die fröhlich durch den Garten wuselnden Pixel-Tiere für gute Laune. Neben pflegeleichten Hühnern gibt es z.B. Kühe, Pferde, Schafe, Schweine, Ziegen und sogar eine exotische Spezies, die ich hier noch nicht verrate.
Rückkehr von Altlasten
Schade, dass Barone sich nicht ein größeres Entwickler-Team organisiert hat, um die zwischenmenschlichen Beziehungen endlich etwas interessanter zu gestalten. Nach wie vor muss man sich mit belanglosem Smalltalk und dem nicht gerade romantischen Aufleveln einer Zuneigungsleiste mit Hilfe von Geschenken begnügen. Allgemein bleiben die Dialoge der kurz angebundenen Nachbarn eine Schwachstelle. Die Geschichte bettet die Landidylle zwar gelungen in eine Rahmenhandlung über Großstadt-Burnout, Umweltverschmutzung und Marktmacht großer Handelsketten ein, bleibt im Alltag aber nur im Hintergrund. Als die Hauptfigur genug vom grauen Alltag vorm Computer hat, zieht sie kurzerhand in ein vererbtes Landgut – doch auch dort stößt sie ab und zu auf unschöne Auswüchse industrieller Zivilisation.
Fazit
Wer hätte das gedacht: Während Natsume seine Marke Harvest Moon in den vergangenen Jahren nur noch lustlos gemolken hat, schafft die Kopie Stardew Valley es viel besser, die entspannte Bauernhof-Stimmung der beliebten Oldies einzufangen. Eigentlich ist es schwer zu glauben, dass nur ein einzelner Entwickler daran gearbeitet hat. An förmlich jeder Ecke entdeckt man Eric Barones Liebe für urige Details - ob nun die putzigen kleinen Animationen, die atmosphärische Umsetzung von Tageszeiten und Wetterkapriolen oder die zahllosen Geheimnisse und Aktivitäten, mit denen sich das Landleben sehr individuell gestalten lässt. Manchmal hätte ich mir allerdings gewünscht, dass Concerned Ape und Publisher Chucklefish sich etwas mehr vom Original lösen, um Altlasten wie das simple Beziehungs-System, die minimalistische Geschichte oder fade Smalltalk-Dialoge zu modernisieren. Gerade als Kenner der Vorbilder kann man angesichts des langsamen Fortschritts schon mal die Lust am kleinteiligen Ackern verlieren. Meist haben mich die üppigen Erkundungsmöglichkeiten aber schnell wieder in ihren Bann gezogen, so dass ich auch nach der Arbeit noch weiter spielen wollte. Nur noch eine Höhle erkunden, ein paar Bäume fällen, den Wald erforschen, die Versteinerung öffnen, einen Stall in Auftrag geben...und schon ist es nicht nur in der Spielwelt Mitternacht geworden.
Pro
Kontra
Wertung
PC
Liebevolle und sehr umfangreiche Hommage an Harvest Moon.
Du musst mit einem 4Players-Account angemeldet sein, um an der Diskussion teilzunehmen.