Tyranny10.11.2016, Jörg Luibl
Tyranny

Im Test: Im Auftrag des Tyrannen

Shadowrun Dragonfall (2014), Wasteland 2 (2014), Divinity: Original Sin (2014), Pillars of Eternity (2015), The Age of Decadence (2015). Wer hätte gedacht, dass das isometrische Rollenspiel sechzehn Jahre (!) nach Baldur's Gate 2 nochmal so eine Renaissance erlebt? Und das im Zeitalter von Großprojekten à la The Witcher 3 oder Fallout 4? Einen wertvollen Beitrag dazu hat Obsidian Entertainment geleistet, die gerade an Pillars of Eternity 2 arbeiten, aber unter der Flagge von Paradox schon ein weiteres Rollenspiel veröffentlicht haben. Ist Tyranny (ab 7,50€ bei GP_logo_black_rgb kaufen) nur ein Lückenfüller oder steckt mehr dahinter?

Die frohe Botschaft...

...überbringt man als so genannter "Schicksalsbinder" nicht. Im Gegenteil: Es ist ein Todesurteil. Als Gesandter des Tyrannen Kyros hat man ein Ultimatum zu verkünden, das allen die Vernichtung bringen kann - sowohl Freund als auch Feind. Das sind zum einen die unterdrückten Stufenvölker, die sich gegen Kyros wehren. Und das sind zum anderen seine beiden Armeen, die diese Rebellen eigentlich unterwerfen sollen. Aber der chaotisch böse "Scharlachrote Chor" und die ehrenvoll elitären "Geschmähten" sind sich aufgrund unterschiedlicher militärischer Traditionen sowie Weltanschauungen selbst spinnefeind und werfen sich meist totales Versagen vor.

In der Charaktererschaffung kann man zwischen Mann und Frau, divsersen Gesichtern und Körpern sowie Klassen und Portraits wählen.
Um den Druck auf die Anwesenden zu erhöhen, wird das umkämpfte Tal auch noch magisch versiegelt. Es gibt kein Entkommen - alle sind bis zum Ablauf der Frist von acht Tagen gefangen. Das Edikt verlangt, dass der Aufstand der Stufenvölker bis dahin niedergeschlagen wird oder die Magie des Kyros' wird alle Beteiligten ohne Rücksicht auf Verluste vernichten. Man ist kein Held, sondern ein Todesbote. Wird man nicht von allen gehasst? Wie soll man da noch etwas beeinflussen? Gibt es überhaupt mehrere Wege? Oh ja. Obsidian Entertainment gelingt es, das Spiel und damit das Wesen des eigenen Charakters so offen zu gestalten, dass man vom brutalen Schlächter über den gnadenlosen Unterdrücker, den listigen Intriganten bis hin zum Retter der Rebellen alle Facetten ausleben kann. Es ist im besten Sinne ein Spiel mit der eigenen Rolle.

Entscheidungen im Stakkato

Tyranny lässt euch einen biografischen Einstieg selbst spielen oder einen von drei möglichen Ausgängen und damit die Beziehung zu den drei Fraktionen (die rebellischen Stufenvölker sowie die  beiden Armeen der Geschmähten und des Scharlachroter Chors) festlegen.
Tyranny verzichtet auf epische Gemütlichkeit à la Pillars of Eternity, redet gleich Tacheles und fordert Entscheidungen in hoher Frequenz. Nahezu jeder Dialog und jede Aktion wirkt sich innerhalb der stets aktualisierten Reputation gegenüber Gruppen, Gefährten sowie Anführern aus - und zwar parallel.

Sprich: Positive und negative Antworten sowie Aktionen auf dem Schlachtfeld werden nicht in einem Wert summiert, sondern sie lassen z.B. "Gunst" und "Zorn" gemeinsam wachsen. Erreicht man in einem Bereich einen bestimmten Wert, verhalten sich die Beteiligten nicht nur anders, man schaltet auch Gefährtenkombos frei, die einem im Kampf enorme Vorteile bringen. Es klingt zwar etwas paradox, dass man auch von einem wütenden Partner profitiert, aber dafür birgt die Antipathie andere Risikien abseits der Gefechte.

Hier erkennt man, wie sowohl positive als auch negative Reputation zusammen steigen und Fähigkeiten freischalten.
Es gibt nur wenige Rollenspiele, in denen die Reputation gegenüber Fraktionen sowie daraus resultierende Fähigkeiten sowie Änderungen in der Welt so stark das Spieldesign prägen - auch The Age of Decadence konnte vor allem mit Letzterem punkten. Der Vorteil dieser dramaturgischen Dichte: Man liest die Gespräche nicht nur sehr aufmerksam, sondern hat aufgrund des direkten Feedbacks nach einer Lüge, List oder Überzeugung sofort das angenehme Gefühl, den Verlauf der Geschichte aktiv beeinflussen zu können. Loyalität oder Furcht steigen auf allen Seiten so schnell, dass es immer spannender wird. Man fragt sich: Wer flippt wann aus? Wann fällt man von diesem schmalen Grat in die Tiefe? Hat man sich z.B. auf eine der beiden Armeen festgelegt, kann man sehr schnell sehen, wie die Lage bei den anderen kippt und man in deren Gunst sinkt. Will man alles ausbalancieren, entsteht ein köstliches Vabanque-Spiel.

Die Welt von Terratus

Der Nachteil dieses politischen Ränkespiels: Man wird so schnell hineingeworfen, dass es zunächst schwer fällt, sich in die Rolle hineinzuversetzen. Terratus ist ja eine unbekannte Fantasywelt, deren Völker, Eigenheiten und Geschichte man erst kennenlernen muss. Warum soll man sich für die eine oder andere Armee entscheiden? Und wer ist eigentlich dieser Kyros, für den man arbeitet? Auch wenn der Prolog eine erzählerische Grundlage anbietet und man eine Art Einstieg selbst spielen oder festlegen kann, der für eine eigene Vorgeschichte sorgt, fremdelt man zunächst in dieser politisch unvertrauten Gemengelage. Obsidian Entertainment gelingt es allerdings über geschickte Keyword-Verlinkung in allen Dialogen eine interaktive Enzyklopädie aufzubauen, so dass man jederzeit auf einen Namen oder Begriff zeigen kann, um eine Art Lexikoneintrag zu lesen.

In den gut geschriebenen Gesprächen hat man oftmals die Qual der Wahl.
Das ist genauso vorbildlich wie die Gespräche selbst: Sie sind gut geschrieben und ins Deutsche übersetzt, bieten neben szenischen Beschreibungen in kursiv eine Fülle von Alternativen sowie viele Fähigkeitenproben, die immer wieder die eigenen Werte in Athletik, Wissen & Co berücksichtigen. Jedesmal wenn man seine Fähigkeiten einsetzt, gewinnt man darin auch Erfahrungspunkte und steigt irgendwann im Rang auf. Wer also rhetorisch immer wieder auf die List setzt, wird sich dort verbessern.

Es wird nicht so viel Lektüre vorausgesetzt wie im kommenden Torment: Tides of Numenera, aber wer Klassiker wie Planescape Torment mag, wird sich hier pudelwohl fühlen. Die Spielwelt von Terrratus ist aber nicht derart exotisch fremd, sondern für meinen Geschmack zu klassisch und trotz der anfänglichen Hürden letztlich schnell durchschaubar, zumal es lediglich Menschen und keine anderen Rassen gibt. Auch die humanoiden "Parteien" und Interessen sind recht klar zu trennen.

Sichtbare Konsequenzen

Einer der möglichen Gefährten ist Barik von den Geschmähten - er steckt in seiner Rüstung fest. Ihr könnt eure Begleiter automatisch oder manuell aufsteigen lassen und sie individuell ausrüsten.
Sehr schön ist, dass sich die eigenen Entscheidungen sichtbar auswirken: Die bis zu drei Gefährten, die man in seine Vierergruppe aufnehmen kann, kommentieren z.B. lebhaft Gespräche und Aktionen. Außerdem gehören sie ja selbst einer der drei Fraktionen an und streiten untereinander, was zu köstlichem Trashtalk oder gar Duellen führen kann. Alle NSC haben komplett ausgearbeitete Biografien, die man in persönlichen Gesprächen entdecken kann. Das Schöne ist, dass auch in diesen Unterhaltungen die eigene Meinung gefragt ist, die sich auf die Loyalität auswirken kann. Zudem bekommt man nur hier Informationen über frühere Kriege oder Geschehnisse, die man wiederum nur dann in späteren Gesprächen für seine Zwecke einsetzen kann. Sprich: Das Drehbuch ist wunderbar verknüpft, aktives Lesen wird belohnt!

Auch gegenüber den beiden Anführern (Archonten) der verfeindeten Armeen baut man eine Reputation auf. Schlägt man sich auf eine Seite oder spielt man sie gegeneinander aus?
Was kann in Extremfällen passieren? Ein Gefährte kann seine Treue aufkündigen oder angreifen! Außerdem darf man die Fraktionen nicht vergessen: Gegen wen man in Schlüsselsituationen kämpft oder wer da plötzlich eine Mauer magisch einreißt, liegt an der Art, wie man vorherige Quests gelöst hat. Man schafft sich Feinde oder Verbündete, wird verraten oder unterstützt. Aufgrund der Dichte dieser Situationen lohnt es sich hier viel eher als in den sonst so langatamigen epischen Rollenspielen, nochmal von vorne zu beginnen, um sich z.B. komplett auf die Seite des chaotisch bösen Chors zu schlagen - der Wiederspielwert ist hoch.

Tyranny ist kein rasanter Lückenfüller: Zwar ist das Drehbuch spürbar auf Konflikt ausgelegt und die Story wächst nicht so harmonisch mit den eigenen Entscheidungen wie etwa in The Age of Decadence, aber dafür spitzt sich die Lage so zu, dass man nach etwa sechs bis acht Stunden schon fast glaubt, das Finale würde eingeläutet - nur um dann erfreut festzustellen, dass sich die Welt erneut öffnet, man Herr über ein Gebäude samt neuem anheuerbaren Personal wird und auch der außenpolitische Druck eine ganz andere Dimension einnimmt. All das ist erzählerisch lobenswert, aber dafür lässt das Spieldesign an anderen Stellen einiges an Potenzial liegen und bietet zu viel Überflüssiges im Sammel- und Erkundungsbereich.

Spektakuläre Gefechte

Wenn man einen Zauber wirkt, der die komplette Gruppe bei gleißendem Licht in die Luft befördert, von wo aus Mondlicht für die Heilung der eigenen und die Verwundung feindlicher Kämpfer sorgt, wirkt dieses von der Unity-Engine inszenierte Tyranny spektakulär. Es gibt viele ansehnliche magische Effekte und martialische Animationen. Sehr lobenswert sind auch die Reaktionen innerhalb der pausierbaren Echtzeitgefechte: bei Verbrennungen z.B. schreien die Opfer und fuchteln wild um sich. Trotzdem kann kunterbuntes Chaos sowie Blindheit an Ecken entstehen, zumal die Kamera zwar zoom-, aber nicht drehbar ist.

Die Echtzeitkämpfe lassen sich pausieren, um Befehle zu geben.
Das Kampfsystem ist taktischer, kombinationsfreudiger und magiefixierter als jenes von Pillars of Eternity. Steigt man einen Level auf, darf man eines der Attribute von Schnelligkeit bis Stärke erhöhen und ein Kampf-, Zauber- oder Heiltalent in einem der Bäume freischalten, die sich natürlich von Klasse zu Klasse unterscheiden. Im Mittelpunkt stehen vor allem die Gefährtenkombos. Dahinter verbirgt sich eine Art von arkanem Tag-Team: Der Held kann mit einem Partner immer mehr der freigeschalteten Kombos ausführen, die einen oder mehrere Feinde in teils akrobatischer Zusammenarbeit in arge Bedrängnis bringen. Es macht Spaß, mit diesen kooperativen Möglichkeiten zu experimentieren, zumal sich manches Gefecht ohne diese nur schwer meistern lässt.

Defizite und Schwierigkeitsgrad

Ups, wer greift denn da in den Kampf ein?
Allerdings gibt es im Kampf auch einige klare Defizite: Zum einen reagiert die KI schrecklich lethargisch, so dass man schonmal mit drei Feinden kämpft, während zwei ihrer Kollegen ein paar Meter weiter im selben Raum nur zusehen. Sprich: Die Radien für das Eingreifen bei Sichtkontakt oder Geräuschen sind viel zu klein.

Zum anderen kann man Deckungen oder Höhenvorteile im Gelände kaum effizient nutzen, zumal die Wegfindung auch immer wieder zicken kann. Schließlich lässt sich die Umgebung auch nicht interaktiv einbeziehen, etwa über zerstörbare Hindernisse, im Vorfeld gelegte Fallen oder etwa entflammbares Öl. Auch dass man in einem Raum mit Feinden für mehrere Stunden bis zu kompletten Heilung und Aufladung mächtiger Zauber rasten kann, wirkt befremdlich.

Es gibt viele ansehnliche arkane Effekte im Kampf.
Ich empfehle einigermaßen erfahrenen Rollenspielern auf jeden Fall den dritten von vier Schwierigkeitsgraden, sonst kommt man viel zu leicht voran. Wer es noch härter mag, hat zwei Möglichkeiten: Man kann den "Expertenmodus" aktivieren, der viele Hilfen deaktiviert - auch dazu würde ich raten, denn sonst sieht man Geheimnisse noch vor der Entdeckung (!) als Symbole auf der Minikarte; das ist für Rollenspieler natürlich ein Unding. Vom "Eisenmodus" würde ich eher abraten, denn dieser lässt euch nur einen Spielstand anlegen, was aufgrund der vielen Entscheidungen und Konsequenzen keine gute Idee ist: schließlich kann man sich ja mal mit einer Antwort vertun.

Bau dir einen Zauber

Findet man so genannte Sigils, darf man unabhängig von den freigeschalteten Talenten eigene Zauber aus drei Teilen bauen: Man wählt einen Kern wie z.B. Heilung, Blitz oder Frost, danach die Distanz von nah bis weit sowie die Intensität oder andere Verbindungen. Klingt interessant, macht zunächst auch Spaß, aber bietet mir auf lange Sicht zu wenig Möglichkeiten, was Konter oder Schutzmagie betrifft. Da war für einen arkanen Baukasten mehr drin!

Die Gefährtenkombos befördern zwei Helden schonmal in die Luft...
Tyranny wirkt auch nicht klar genug in seinem Spieldesign, denn der ganze Unterbau an typischen Rollenspielelementen wie Inventar und Gegenstände, Kauf und Ausrüstung, Schleichen und Fallen, wirkt stellenweise überflüssig. Oder anders: Warum soll sich der Gesandte des Tyrannen mit diesem schnöden Kram der Sammelei oder Erkundung beschäftigen, den man von gemeinen Helden kennt, die erst langsam in der Hierarchrie sowie Macht aufsteigen und sich über ein Langschwert+1 oder Umsatz beim Händler freuen dürfen?

Einige kleine Aktionen im Gelände erinnern in der Abfrage von Fähigkeiten auch an Pillars of Eternity: Wer irgendwo hinauf zu einem Schatz klettern will, muss z.B. eine Athletik von 35 vorweisen. Obwohl das lobenswert ist, wirken

Das Gelände kann man nur sehr selten taktisch nutzen; auch die Wegfindung zickt.
viele dieser Situationen eher wie Altlasten, denn dieses Spiel bietet deutlich weniger Erkundungsreize als das klassische Fantasy-Abenteuer, zumal nicht eine weitläufige Welt mit Dungeons und Orten, sondern die Politik sowie die Fraktionskonflikte im Vordergrund stehen. Vielleicht wäre Mut zur Lücke hier besser gewesen.

Fallen, Diebstahl & Co

Wenn man in den Schleichmodus wechselt, kann man zwar Fallen finden und entschärfen oder auch lila gefärbte Truhen bzw. Schätze entdecken. Aber das subtile Vorgehen wirkt alles andere als durchdacht und macht kaum Laune. Man kann auch ohne Tarnung in jedem Raum alles mitgehen lassen und selbst bei den mächtigen Archonten klaut man ohne Reaktion oder gar Konsequenzen. Was soll das? Außerdem vermisst man mehr interessante Geheimnisse wie verborgene Räume oder Wege - weder im Gelände noch in den Räumen gibt es viel zu entdecken. Wer

Zwar gibt es Fallen und kleine Geheimnisse, aber echtes Dungeongefühl will in den kleinen Arealen nicht aufkommen.
klassisches Labyrinth-Gefühl mit spannenden Erkundundungsphasen sucht, wird in den kleinen Arealen nicht auf seine Kosten kommen.

Die vorbildliche Verzahnung von Text und Keywords hatte ich erwähnt. Ganz so lobenswert ist die etwas verschachtelte Benutzeroberfläche auf den ersten Blick nicht, zumal es kleine Hindernisse beim Waffenvergleich gibt: Anstatt automatisch sofort dieselbe Gattung auszuwählen, muss man manchmal manuell die Slots wechseln, wenn man nicht Schwert mit Stab vergleichen will. Man häuft zudem viel Überflüssiges an und muss etwas zu lange mit Schnellzugriff, Sonderzaubern & Co hantieren, bevor es im Kampf flutscht. Erst wenn man das System verinnerlicht hat, weiß man auch die vielen Sortier- und Belegungsfunktionen zu schätzen.

Fazit

Ich mag diese klassischen Rollenspiele. Sie sind zwar visuell nicht so beeindruckend wie die großen Welten in Fallout 4 oder The Witcher 3, aber es entsteht eine angenehm gemütliche Art des Spielens. Und Tyranny zitiert nicht nur Altbekanntes à la Baldur's Gate, sondern ist angenehm kreativ. Es bereichert das Genre um einen politischen Fokus, bei dem sich die Reputation gegenüber Gruppen und Gefährten spürbar auswirkt. Es entsteht ein spannendes Vabanque-Spiel, in dem man trotz der scheinbar klaren Ausgangslage als Todesbote eines Tyrannen sehr viele Möglichkeiten hat, seinen Charakter und das Schicksal der Welt zu prägen. Obsidian Entertainment gelingt es, das Spiel und damit das Wesen des eigenen Charakters so offen zu gestalten, dass man vom brutalen Schlächter über den gnadenlosen Unterdrücker, den listigen Intriganten bis hin zum Retter der Rebellen alle Facetten ausleben kann. Es ist im besten Sinne ein Spiel mit der eigenen Rolle. Wer auf erzählerische Qualität Wert legt, kommt dank sehr guter Dialoge, lebendiger Gefährten und dichter Dramaturgie voll auf seine Kosten. Allerdings ist die Spielwelt von Terratus selbst weniger exotisch, die Erkundungsreize halten sich in Grenzen und trotz lobenswertem Magiebaukasten wirken das Sammeln, Schleichen und Entdecken manchmal überflüssig. Die Kämpfe sind fokussierter und aufgrund der Gefährtenkombos spektakulärer als in Pillars of Eternity, aber lassen einiges an taktischem Potenzial liegen. Der Kern der Faszination liegt hier nicht in den Gefechten, dem Auskundschaften im Gelände oder gefährlichen Dungeons, sondern im tollen politischen Ränkespiel. Das Drehbuch ist spürbar auf Konflikt ausgelegt und die Story wächst nicht so harmonisch mit den eigenen Entscheidungen wie etwa in The Age of Decadence, aber dafür spitzt sich die Lage so zu, dass man nach etwa sechs bis acht Stunden schon fast glaubt, das Finale würde eingeläutet - nur um dann erfreut festzustellen, dass sich die Welt erneut öffnet und der politische Druck eine ganz andere Dimension einnimmt. Wer Entscheidungen mit Konsequenzen und Abenteuer à la Planescape Torment mag, wird von Tyranny sehr gut unterhalten.

Pro

interessante politische Ausgangslage
sehr gutes Reputationssystem (Gruppen/Personen)
ausführliche Dialoge, gut geschriebene Texte
sehr gute Dramaturgie mit einigen Höhepunkten
Entscheidungen mit spürbaren Konsequenzen
manuelle Charaktererstellung
Party-Management mit vier Gefährten
lebendige Party-Interaktion und Konflikte
pausierbare Echtzeitkämpfe mit vielen Optionen
einige spektakuläre Gefährtenzauber
eigene Zauber bauen
Einsatz von Skills verbessert diese
optional Einstieg spielen oder drei Starts festlegen
KI-Automatismen für Kampf festlegen
vier Schwierigkeitsgrade plus zwei Optionen
hoher Wiederspielwert dank sich ändernder Welt
sehr gute deutsche Übersetzung
mehrere Enden
kaum Bugs

Kontra

zu Beginn fällt Identifikation mit Spielwelt schwer
nur recht kleine Areale, kaum Gebäude
zu wenig Geländetaktik/Interaktion möglich
Gegner-KI lethargisch, zu kurze Sichtlinien
manchmal zickige Wegfindung
Rast, obwohl Feinde in der Nähe
Diebstahl ohne Konsequenzen
viel überflüssiger Krimskrams
Kamera nicht drehbar
etwas überfrachtete Benutzeroberfläche
nur sporadische Sprachausgabe

Wertung

PC

Wer Entscheidungen mit Konsequenzen und Abenteuer à la Planescape Torment mag, wird von Tyranny sehr gut unterhalten.

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Kommentare

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oppenheimer

Das ist das Faszinierende an Tyranny. Nicht das platte, dumme Gut/Böse-Schema anderer Spiele, wo Moral nichts weiter ein Zeiger auf einer Skala ist. Sondern die Ambivalenz von Gut/Böse aufzeigen. Aufzeigen, dass böse Taten manchmal auch Gutes hervorbringen können und der Weg zur Hölle stets mit den besten Absichten gepflastert ist.

DAS wird Tyranny später groß machen. Endlich ein RPG, das sich aus dem primitiven Kindergarten-Schema von Gut und Böse lösen kann und Dir als Spieler die Komplexität der Wirklichkeit begreiflich machen kann, wo es eben KEINE einfachen Antworten gibt. NATÜRLICH ist es sinnvoll nicht die ganze Zeit als mordende Killermaschine durch die Gegend zu laufen, aber manchmal könnte es vielleicht sinnvoll sein Menschen zu ihrem Glück zu zwingen.
Sorry, dass ich mich auf diesen uralten Beitrag berufe, aber du triffst es einfach auf den Punkt.
Ich hole Tyranny gerade nach und finde es zutiefst bedauerlich, dass es vergleichsweise untergegangen ist.
Normalerweise spiele ich in solchen Titeln eher den 0815 chaotisch guten Dude von nebenan, aber hier setze ich Kyros' gottverdammtes Gesetz durch, teilweise sogar mit völliger Überzeugung und maximaler Inbrunst, denn irgendjemand muss diese starrsinnigen, von vermeintlicher Ehre besessenen Stufenbewohner ja vor der endgültigen Auslöschung bewahren.
Dass ich, um den Krieg zügig zu beenden, dabei mit noch starrsinnigeren, recht faschistoiden Fanatikern paktiere (und mir insgeheim die Option offen halte, dieses Bündnis bei Bedarf zu brechen), ist nur Mittel zum größeren Zweck.

Grandios! Mehr davon!

Da sind mir die recht lahmen Kämpfe und die Loot-Langeweile auch relativ wumpe. Man stelle sich nur vor, mehr Budget würde in Entscheidungsfreiheit bei Dialogen und daraus resultierende Konsequenzen gepumpt anstatt in raytracing und ähnlichen Klimbim...

vor 4 Jahren