Dead Rising 424.03.2017, Mathias Oertel
Dead Rising 4

Im Test: Mit Kettensägen und Haudrauf-Humor

Es ist kaum zu glauben: Ein Titel der Dead-Rising-Serie darf offiziell in Deutschland erworben werden. Während die Vorgänger allesamt aus dem Verkehr gezogen wurden und Dead Rising 4 (ab 5,80€ bei GP_logo_black_rgb kaufen) im letzten Jahr ebenfalls zuerst als Import erschien, gibt es mittlerweile nicht nur eine von der USK freigegebene Version. Mittlerweile hat Capcom auch eine nicht an Windows 10 gebundene Steam-Version veröffentlicht. Grund genug, für einen Test erneut nach Willamette zurückzukehren.

Neuer alter Held

Er ist ein Held wider Willen. Ein Held, den man hierzulande eigentlich gar nicht kennen dürfte. Der Fotojournalist Frank West eckte in seinem ersten Auftritt auf der Xbox 360 mit dem deutschen Jugendschutz an - die seinerzeit noch von Keiji Inafuna produzierte Zombie-Action wurde staatsanwaltschaftlich beschlagnahmt. Das war jedoch nicht der Grund, weswegen sich Blue Castle Games (mittlerweile Capcom Vancouver) für die Fortsetzung auf einen neuen Helden stürzte – den Motorrad-Champion Chuck Greene. Der konnte jedoch auch nichts an der folgenden Indizierung ändern. Genauso wenig wie der Protagonist aus Teil 3, Nick Ramos, der in der fiktiven Stadt Los Perdidos versuchte, einer Verschwörung auf die Spur zu kommen. Dass die Entwickler einen Narren am Ur-Helden gefressen hatten, wurde spätestens dann deutlich, als ein Wii-Ableger sowie eine alternative Version des zweiten Teils mit Frank West als Hauptdarsteller erschienen - natürlich sind beide hierzulande ebenfalls indiziert.

Frank West muss erneut in einer offenen Welt gegen hunderte Zombies antreten. Doch noch nie war es so anspruchslos wie hier...
Dass Dead Rising 4 dieses Schicksal erspart blieb und der Veröffentlichung im europäischen Ausland im Dezember 2016 nur ein paar Wochen später die offizielle deutsche Fassung mit USK-Freigabe folgte, war eine Überraschung. Andererseits schlägt die Zombie-Action mittlerweile andere Töne an: Zwar setzt auch diese Untotenhatz abermals auf den Reporter Frank West, seine Kamera und seine flappsigen Sprüche, die sich alledings mittlerweile grob an Bruce Campbells Figur Ash Williams aus Evil Dead orientieren. Damit wiederum hat man hinsichtlich der Grundstimmung im Vergleich zum ersten Ausflug nach Willamette eine 180-Grad-Kehrtwende vollzogen. War Teil 1 noch düster, bedrohlich und mitunter verstörend (diese Elemente wurden in allen Teilen in unterschiedlichen Portionen angewendet), ist hier davon kaum noch etwas übrig geblieben. Und das, obwohl man nahezu alles integriert hat, mit dem auch die Vorgänger motivieren konnten, angefangen von Zombiehorden, Bossen und Psychopathen, über die Möglichkeit, Waffen zu kombinieren und damit besonders potente Todbringer herzustellen, visuelle Gewalt, bis hin zum Fotografieren und dem Pflügen durch Massen an Untoten mit Fahrzeugen. Die neu gewonnene Leichtigkeit, die man nach der "Play-Anywhere"-Fassung für Xbox One und Windows-10-PCs jetzt auch über Steam und damit losgelöst von betriebssystematischen Einschränkung erleben darf, gab bei der Prüfkommission vermutlich den Ausschlag.

Fehlzündung

Das Potenzial des Fotografierens bleibt wie einige andere Elemente auf der Strecke.
Doch der Funke will innerhalb dieser Leichtigkeit trotz des merkwürdig passenden Humors nicht immer überspringen. Ja: Teil 2 hatte mit einem neuen Helden zu kämpfen. Teil 3 mit anfänglichen technischen Macken sowie einer nochmals weiter geöffneten Spielwelt. Dennoch ist es ihnen mit nur geringen Abstrichen gelungen, an wesentlichen Kernmerkmalen der Serie festzuhalten. Und dazu gehört nun mal auch ein gehobener Schwierigkeitsgrad. Selbst heute habe ich bei Teil 1 und 2 immer noch massive Probleme mit einigen Gegnern. Davon kann in Dead Rising 4 nicht die Rede sein. Das Kampfsystem wurde einerseits massiv vereinfacht und könnte mittlerweile auch als eine Variante der Musou-Prügler von Omega Force durchgehen, während gleichzeitig vor allem die Kombowaffen an Durchschlagskraft und Lebensdauer gewonnen haben. Und dadurch hat man weder mit den Zombiehorden Probleme – es sei denn, man bringt sich unabsichtlich in eine Sackgasse – noch mit den menschlichen Kontrahenten und nur selten mit den Psychopathen bzw. Bossen. Sehr schade ist in dem Zusammenhang übrigens, dass die Psychos außerhalb der auf sieben Kapitel verteilten Story liegen und damit quasi als optionale Gegner verheizt werden. Andererseits sind sie auch nie so packend inszeniert wie in allen Vorgängern, so dass sie mitunter beiläufig und als Lückenfüller wirken.

Da man sowohl für Wurfgeschosse, Nahkampf- und Fernkampfwaffen genug Slots zur Verfügung hat und diese Plätze sogar noch komfortabel aufstocken darf, kommt man nur in absoluten Extremsituationen in die Gefahr, den Feinden unbewaffnet  gegenüber treten zu müssen. Zudem kann man mittlerweile überall Kombowaffen zusammenschrauben, insofern man die beiden erforderlichen Zutaten vorweisen kann oder eine davon auf der Straße findet. Sprich: Für Spannung sorgende Wege zur Werkbank, wie sie Chuck Greene mit einem äußerst knappen Inventar noch auf sich nehmen musste, gehören der Vergangenheit an. Überhaupt wirkt hier vieles zu sehr auf „Wohlgefallen“ und belangloses Zombie-Metzeln optimiert: Der Kombozähler schießt hier beinahe ebenso schnell nach oben schießt wie bei Dynasty Warriors & Co. Und obwohl mit den „frischen“ Zombies ein neuer Typ angreift, der rasend schnell auf einen zu läuft, sind auch diese Untoten wenig mehr als Kanonenfutter. Der sich auf vier Bereiche ausdehnende und relativ schnell füllende Entwicklungsbaum von Frank sorgt ebenfalls dafür, dass das Anforderungsprofil für einen Titel dieser Serie exorbitant niedrig angesetzt ist.

Der primitive Metzel-Spaß

Die Kämpfe gegen die Untoten-Horden erinnern zu häufig an die Dynasty-Warriors-Serie.
Und dennoch bin ich nach etwa einer Stunde an den Punkt gekommen, an den mich diese primitiv gestaltete sowie schnell durchschaute Welt gefangen nehmen konnte. Großen Anteil daran hat die klar strukturierte Geschichte, die Frank mit Hilfe seiner Kamera auch in Form von an Batman angelehnten Beweis-Sammlungen zusammenträgt: Hier muss man Beweise fotografieren, dazu mitunter die Tatorte penibel durchkämmen und von den Sichtfiltern der Kamera (unter anderem Infrarot) Gebrauch machen, um alles zu entschlüsseln. Das ist zwar weder innovativ noch besonders anspruchsvoll, aber dennoch eine willkommene Tempo-Änderung. Hangelt man sich nur an den Zielen entlang, die für den Hauptstrang nötig sind, entgehen einem zwar die Psychopathen und die einer oder andere durchaus interessante Nebenaufgabe. Allerdings fällt einem bei dieser Schleuse dann nicht auf, dass das Potenzial der offenen Welt abseits von irgendwelchen Audiologs, bestimmten Fotos, die man schießen sollte oder neuen Blaupausen für Waffen (sprich: der übliche Sammelkram) hier weitaus weniger genutzt wird als noch im Vorgänger. Neben der Story hat auch die zur Schau gestellte und mittlerweile vollkommen überhöhte Gewalt ihren Anteil daran, dass ich mich durch die knapp acht bis zehn Stunden gemetzelt habe. Obwohl es mitunter hektisch werden kann, ist es für mich beinahe wie Zen Gaming: Man kann wunderbar entspannen und den Kopf komplett abschalten, während man die Untoten nach allen Regeln der Kunst zerlegt und zinnoberrote Pixelpfützen auf der Straße zurück lässt.

Kaum zu glauben: Trotz relativ expliziter Gewalt hat Dead Rising 4 die Freigabe für eine Veröffentlichung in Deutschland bekommen.
Leider ist das Fotografieren samt Selfie-Funktion, für das man Frank sogar verschiedene Gesichtsausdrücke zuweisen kann, fernab der Beweisaufnahme nur ein beiläufiges Element. Hier bleibt mindestens so viel Potenzial ungenutzt wie bei der Struktur der offenen Welt oder der Technik im Allgemeinen. Obwohl nominell der gleiche Entwickler wie beim Vorgänger verantwortlich ist und die Welt kleiner scheint, wirkt die Kulisse auch auf dem PC, als ob sie einen Schritt zurück gemacht hat. Sie läuft zwar runder als auf der One und gibt einem auch zahlreiche Standard-Optionen an die Hand, um die Kulisse an seiner Hardware anzupassen, ohne auf mittleren Konfigurationen großartig an Qualität einzubüßen. Doch hält man Willamette neben das San Francisco eines Watch Dogs 2, sind die Unterschiede frappierend. Und wieso die HUD-Elemente merkwürdige Aliasing-Kanten zeigen, die es auf der One nicht gab, kann ich mir nicht erklären. Übrigens auch nicht, wieso der vor drei Jahren erschienene Vorgänger gefühlt einen visuell besseren Eindruck hinterlässt, selbst wenn die Straßen hier mitunter zum Bersten mit Untoten gefüllt sind, die in zig Teile zerlegt werden können. Schade: Aus einem Open-World-Pionier auf der 360, der gekonnt japanisches Bosskampf-Design mit westlichen Elemente vermengen konnte, ist mittlerweile nur noch ein Mitläufer geworden. Anstatt auch nur in irgendeinem Bereich neue Standards setzen zu können, bietet man zwar kompromiss-, aber auch gehalt-, hirn- sowie anforderungslose Action von der Stange.

Fazit

Ach Frank, was ist nur mit dir passiert? Du warst ein Pionier der offenen Welten sowie anspruchsvollen Bosskampf-Designs auf der Xbox 360. Und mittlerweile bist du nur wenig mehr als ein Zombies zerlegender Dialog-Clown, der vorgibt, ein Foto-Journalist zu sein. Wenn die Story nicht wäre, die du bei deinem erneuten Besuch von Willamette aufdeckst, hätte ich definitiv nicht durchgehalten. Denn auch, wenn du mit deinen Waffen enormen Schaden austeilst und nicht nur rotes Pixelblut, sondern auch Körperteile in alle Richtungen fliegen – diese exzessive Gewalt ist kein Ersatz für die situative Spannung oder die verstörenden Momente, die ich mit deinen Kollegen in den Vorgängern erleben durfte und die du 2006 mit geprägt hast. Hier fehlen sowohl Anspruch als auch Herausforderung, so dass du zu häufig zu einer belanglosen Figur wirst, die erst Grimassen schneidend ein Selfie schießt und dann wie Liu Bei aus Dynasty Warriors eine Schneise durch Zombies schlägt, als ob es das Einfachste auf der Welt wäre. Das Potenzial der offenen Welt bleibt größtenteils ebenso unangetastet wie das der Fotografie - von den wie üblicher Sammelkram verteilten und außerhalb der Story agierenden Psychopathen ganz zu schweigen. Dennoch habe ich mit dir auch auf dem PC einige interessante Stunden solider Zombie-Action erlebt, die immerhin gelungen mit dem Weihnachtsthema verbunden wurde. Doch ich hatte mir mehr von unserem erneuten Zusammentreffen versprochen.

Pro

dutzende Kombowaffen und Fahrzeuge
hunderte Zombies füllen die Straßen
hektoliterweise Zinnoberpixel
passabel erzählte Story
Charakterentwicklung in vier Bereichen
Beweisaufnahme ähnlich wie in Rocksteadys Batman
ungemein passender Weihnachts-Soundtrack

Kontra

niedriges Anforderungsprofil
trotz zahlreicher Grafikoptionen technisch bieder
Fotografieren nur wenig mehr als schmückendes Beiwerk
bis auf wenige Ausnahmen schwache Bosskämpfe
Potenzial der offenen Welt wird kaum genutzt

Wertung

PC

Die auf dem PC optimierte Kulisse macht das neue Abenteuer von Frank West nur unwesentlich besser. Der erste offiziell in Deutschland veröffentlichte Teil der Serie ist nach wie vor auch der bislang schlechteste...

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