Runaway 2: The Dream of the Turtle29.11.2006, Bodo Naser
Runaway 2: The Dream of the Turtle

Im Test:

Auf Runaway 2 ruhen viele Hoffnungen: Der Vorgänger war schließlich eines der erfolgreichsten Adventures des Jahres 2002. Mit den Tugenden einer mysteriösen Story, witzigen Figuren und Comic-Look servierte man klasse Unterhaltung und weckte ein Genre aus dem Dornröschenschlaf. Mittlerweile gibt es jedoch Adentures wie Sand am Meer. Kann Runaway 2 erneut Akzente setzen?

Ärger im Paradies

Brian und Gina sind zurück, doch ihr trautes Glück währt nicht lang: Das flotte Liebespaar aus dem ersten Teil hat es dieses Mal auf eine einsame Insel verschlagen, die bei näherer Betrachtung eigentlich gar nicht so verlassen ist. Als die beiden sich verlieren, stößt der Held auf der Suche nach

Die Insel ist eigentlich ein Ferienidyll, wenn da die ganzen Soldaten, Panzer und Hubschrauber nicht wären.
seiner Liebsten auf allerhand Militärs, die ihr auf dem unbedeutenden Eiland vor Hawaii nicht vermuten würdet. Was tun die Soldaten an diesem abgelegenen Ort? Wieso machen sie so ein Geheimnis um ihren Auftrag? Was hat es mit dem Zivilisten hassenden Colonel auf sich? Um das herauszufinden, müsst ihr euch ins schwer bewachte Camp schleichen...

Das sind nicht die einzigen seltsamen Typen, die sich auf der Südseeinsel herumtreiben: Da ist Lokelani, die kurvenreiche Bedienung der Strandbar, die anscheinend jeden Mann auf der Welt ihren Ex-Freund nennt. Ob sie euch dabei helfen kann, ins Lager zu gelangen? Oder die zwei braungebrannten Surfer in der Bucht, die recht wasserscheu zu sein scheinen. Im Meer sind sie kaum anzutreffen. Aber der eine von ihnen weiß etwas über die Wiederbelebung von Hühnern. Fällt das nicht unter den Begriff unnutzes Wissen? Was hat es mit dem steinalten Piloten auf sich, der euch in seiner aus dem Zweiten Weltkrieg stammenden Maschine auf die Insel geschaukelt hat? Wo ist er nach der unsanften Landung hin?

Rätsel bis zum Exzess

Genretypisch gibt es zu Beginn mehr Fragen als Antworten. Damit es am Schluss nach sechs anstrengenden Kapiteln, die lange Ladezeiten trennen, die sich nur durch die Vollinstallation umgehen lassen, umgekehrt ist, müsst ihr schon etwas tun. Das Adventure im Hawaii-Look mag zwar ganz easy aussehen, aber die vielen Rätsel haben es in sich. In der Mehrzahl sind es bockschwere Inventarrätsel, bei denen es mit dem simplen Finden des richtigen Gegenstandes meist nicht getan ist; vereinzelt gibt es auch Kombinationsrätsel. Wenn ihr einmal herausgefunden habt, was ihr tun sollt, was oft schon nicht leicht ist, ist es trotzdem keinesfalls einfach, das auch in die Tat umzusetzen. Oft treten unerwartete Schwierigkeiten auf, weil irgendetwas nicht so klappt, wie ihr euch das vorgestellt habt.

Ein erhellendes Beispiel ist der Schlüssel fürs Gepäckfach, den ihr gleich im ersten Kapitel suchen müsst. Leider ist er zerbrochen, so dass ihr ihn flicken müsst. Manch einer wird nun an Kleber denken, aber das klappt nicht. Ihr müsst vielmehr eure Künste als Hobby-Schmied unter Beweis stellen und das Ding wieder zusammen schweißen. Natürlich habt ihr kein Schweißgerät, so dass ihr aufs Sonnenlicht angewiesen seid. Durch eine Lupe verstärkt, klappt es schließlich. Nichts wie rein damit, denkt sich der stolze Rätseler nun vielleicht. Doch es steht noch eine Naht ab, die das verhindert...

Spaß- und Nervfaktoren

Vieles ist somit hart an der Schmerzgrenze und bisweilen gehen die Rätsel auch drüber hinaus. Das ist immer dann der Fall, wenn die Puzzles nicht ganz logisch nachvollziehbar sind. Warum etwa trägt der komische Mönch zunächst eine Kutte und ist mehr als schweigsam? Dann aber scheint er seine

Beim Smalltalk mit Joda. Was zu tun ist, könnt ihr oft nur mit viel Fantasie, Geduld und Spucke herausfinden.
"Mission" plötzlich vergessen zu haben, plaudert mit euch und hilft euch sogar. Ein seltsamer Sinneswandel innerhalb von Sekunden. Das kann wohl nur verstehen, wer schon Teil eins durchgezockt hat. Und wie sollt ihr auf die Idee kommen, ausgerechnet den oberdämlichen Marine nach der Kreide zu fragen - ist er etwa ausgewiesener Experte für die Zusammensetzung des weißen Schulzubehörs? Oft läuft es einfach darauf hinaus, alle Punkte noch einmal anzuklappern, um zu sehen, ob sich vielleicht etwas getan hat. Manches kommt nämlich erst später ins Spiel.

Noch ein Problem sind gut versteckte Orte, die selbst für ausgefuchste Profis nicht leicht zu finden sind. Die Schauplätze auf der Karte findet ihr zum Glück doch noch irgendwann, um dann erfreut festzustellen, dass dort auf euch wartet, was ihr seit Stunden gesucht habt. Anders in den Räumen selbst: Das ist etwa bei der Tasche der Fall, in der oben beschriebener Schlüssel steckt. Sie hängt im Baum über euren Köpfen, wo keiner hinklickt, der nicht gewissenhaft Pixel für Pixel das Bild absucht. Hier wäre eine Funktion gut gewesen, die euch auf Wunsch alle Orte anzeigt, die wichtig sind. So hilft nur die Komplettlösung weiter.

                        

Massige Dialoge

Wer sich nicht gerne mit den über 20 auftauchenden NPCs unterhält, sollte Runaway 2 wahrlich nicht spielen. Die Dialoge sind quasi überall, sind als Multiple-Choice angelegt und meist witzig. Ihr habt euch noch nie mit einem einäugigen Offizier und Napalmfetischisten unterhalten, der zwar

Lokelani ist ohne Frage eine tolle Frau, mit der ihr euch gern unterhaltet. Aber alles hat auch seine Grenzen...
 frauenfeindlich ohne Ende ist, aber dennoch glaubt, dass die Top-Schnecke an der Bar in ihn verliebt sei? Schön - was für ein Idiot! Ihr wollt euch mal mit dem Nachfahren eines waschechten, hawaiischen Schamanen unterhalten, der beim Surfen durch einen Hai ein Bein verloren hat? Bitte sehr, ihr werdet schnell merken, dass der Knabe eine wahre Schlaftablette ist. Die Gespräche beinhalten Anspielungen auf Filme, Spiele und Sex.

Sich unterhalten ist also das A und O, denn nur so erhaltet ihr die Hinweise, die euch weiterbringen. Streng linear wird euch eine neue Möglichkeit oder ein Gegenstand freigeschaltet, wenn ihr mit jemand sprecht, zu dem ihr dann zurückkehren müsst. Leider tauchen die bereits behandelten Themen immer wieder auf, so dass ihr oft nicht wisst, was ihr schon hattet. Die Dialoge sind aber auch überkandidelt, da sie ähnlich wie die Rätsel bisweilen kein Ende finden wollen. Etwa wenn ihr euch mit Lokelani über all ihre Exfreunde unterhaltet und dabei einfach kein Ende findet. Vom Hundertsten ins Tausendste sozusagen - und irgendwann nervt es. Aus diesem Grund sind die Dialoge insgesamt nicht ganz so spritzig wie zuletzt bei Ankh: Herz des Osiris.

Gute Grafik

Die bunte Comic-Optik ist rundum gelungen und ausnahmsweise mal keine reine Geschmacksfrage, wurde sie doch gegenüber dem ersten Teil noch aufgewertet. Als eines der wenigen Cartoon-

Trotz Comic-Look sieht vieles bei Runaway 2 recht beeindruckend aus. Das liegt auch an der passenden Sounduntermalung, die für Atmosphäre sorgt. 
Adventures schafft es Runaway 2 durch seine epischen 2D-Hintergründe so etwas wie Tiefe zu schaffen, die sich auch scrollen lässt. So können sich auch Bauten wie ein Tempel der Eingeborenen sehen lassen, die von ihrer schieren Größe leben. In den Bildern ist immer irgendwo Bewegung, was der Sterilität entgegenwirkt. Die Charaktere haben ihr bekanntes Gesicht behalten und werfen nun einen Schatten. Nur ganz ausnahmsweise gibt es kleinere Grafikfehler; einziger Negativpunkt: die starren Augen der Charaktere.

Jedes Kapitel beginnt und endet mit einer Zwischensequenz in beeindruckender Qualität, die die des Vorgängers noch in den Schatten stellt. Es gibt jetzt Funktionen wie Antialiasing, was viele Details zu einer richtig runden Sache macht. Außerdem sind Kameraschwenks und Perspektivwechsel zu sehen. Wo bei anderen Adventures superkurze Render-Videos quasi nur als Alibi dienen, damit bloß niemand sagen kann, es gebe keine, gibt es hier Kinofeeling satt. Manch eines der Videos könnte wie vieles im Spiel fast ein wenig kürzer sein, um nicht doch noch ein Gähnen auszulösen, das es nicht verdient hat.

Sound nach Situation

Akustisch stimmt eigentlich alles bei Runaway 2, was in erster Linie die Sprachausgabe widerspiegelt. Nicht nur optisch feiert ihr also ein Wiedersehen mit manch einem Charakter aus Teil 1, sondern auch in punkto Stimme: Brian und Gina haben mit Christian Stark und Jennifer Böttcher exakt die deutschen Sprecher verpasst bekommen, die sie auch schon beim erste Teil hatten. Auch sonst sind teils bekannte Sprecher zu hören. Allein im Falle von Joshua ist die Stimmlage recht nervig, was aber schon wieder zu dem verschrobenen Typen passt.

Die Sprachausgabe passt sich sogar der jeweiligen Situation an, so wird sie dumpfer oder hallt je nach Raum. Auch sonst gibt es eine ganze Reihe von Geräuschen und Effekten, die dem Spiel zusätzlich Leben einhauchen. So gibt es die typischen Urwaldgeräusche, die Waffen der Soldaten klacken und im Tempel vernehmt ihr mystisch angehauchtes Gemurmel. Auch die vielseitige Musik kann sich hören lassen, denn jedes Kapitel hat seinen speziellen Sound.

           

Fazit

Wer sich Runaway 2 zulegt, bekommt eine Menge geboten: Südsee-Flair, Comic-Grafik und exzellente Sprache - alles vom Feinsten! Umrahmt wird das Ganze von einer unterhaltsamen Abenteuergeschichte mit reichlich Mystery-Flair: uralte Artefakte, zwielichtige Forschung und Militärgeheimnisse sind es, die die Neugier wecken. Ihr trefft auch jede Menge seltsamer Typen, mit denen ihr euch in aller Ausführlichkeit über Gott und die Welt unterhalten könnt - Seitenhiebe auf Filme, Spiele und Sex inklusive. Bisweilen sind die Gespräche wie auch die Zwischensequenzen allerdings etwas zu episch bis hin zum sinnlosen Gewäsch angelegt, ohne weiteren spielerischen Nutzen. Und Vorsicht: Das Adventure macht vielleicht einen lockeren Eindruck, die oft mehrteiligen Rätsel sind aber teilweise bockschwer. Und einiges ist schlicht zu viel des Geheimnisvollen: Obwohl ihr die Gegenstände für eine Lösung habt, verhindert irgendetwas, dass ihr endlich weiter kommt. Oder ihr werdet kurz vor der Lösung ausgebremst, weil dem Herren Helden einfällt, dass er nun Bedenken äußern muss - für Anfänger kann das schnell frustrierend sein. Trotz seines coolen Comic-Flairs, vieler witziger Dialoge und interessanter Kopfnüsse mangelt es dem spanischen Point&Click an Zugänglichkeit und hier an da an gewürzter Kürze. Geheimakte Tunguska ist in Sachen Rätselkultur logischer und nachvollziehbarer, Runaway 2 dafür spritziger und auch für Profis eine echte Herausforderung.

Pro

geheimnisvolle Story
abgefahrene Rätsel
witzige Dialoge
Anspielungen auf Filme, Spiele
skurrile Typen
viele Charaktere aus Teil 1
tolle Comic-Grafik
schöne Zwischensequenzen
professionelle Sprache
passende Geräusche

Kontra

teils übertriebene Rätsel
für Anfänger ungeeignet
Lösung bisweilen kaum nachvollziehbar
manches schwer zu finden
Rückkehr zu bekannten Orten notwendig
Gespräche bisweilen zu lang
fiese Ladezeiten zwischen Kapiteln, nur Vollinstallation hilft
starre Augen

Wertung

PC

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