Afrika Korps vs. Desert Rats04.02.2004, Jörg Luibl
Afrika Korps vs. Desert Rats

Im Test:

Lust auf eine Romanze unter libyscher Sonne? Einen Panzerurlaub am Halfaya-Pass? Oder einen explosiven Abstecher nach Tobruk City? Kein Problem: Im neuesten Echtzeit-Taktikspiel von Digital Reality dürft ihr nicht nur Nordafrika, sondern auch Frauenherzen erobern. Wir haben uns mit pochendem Herzen durch die Wüste gekämpft!

Der gute Deutsche

Der barbarische Teutone gilt nicht nur in Hollywood, sondern auch in der Spielewelt als Bösewicht par excellence – vor allem, wenn es um den Zweiten Weltkrieg geht. Die ungarischen Entwickler von Digital Reality versetzen euch jedoch in die Rolle eines ehrenhaften preußischen Offiziers alter Schule.

In kleinen Renderfilmen wird der deutsche Vormarsch dargestellt. Zu Beginn waren die Briten noch überrascht und Wüstenfuchs Rommel erntete Respekt.

Dieser Erich von Hartmann kämpft zwar unter Rommel im Afrika Korps, verachtet aber die Nazis. Außerdem hat er bei den Olympischen Spielen 1936 Freundschaft mit einem britischen Offizier geschlossen, dem er hier an der Front wieder begegnet und der sich ebenfalls im Laufe der Kampagne in eine schlagfertige Femme Fatale verguckt. Klingt tragisch und romantisch? Ist es auch.

Erich schreibt seinem Vater von der Front und spricht offen über seine Abneigung gegenüber Goebbels oder seinen amoröse Sehnsucht. Originales Fotomaterial sorgt für authentisches Flair.

Der Story-Modus entfaltet ein erfrischend abenteuerliches Flair, das man im trockenen militärischen Taktikeinerlei sonst vermisst. Begleitet von einem heroisch aufspielenden Orchester könnt ihr z.B. anhand von gespielten Szenen, Cutscenes und Briefen in die Heimat nachvollziehen, wie sich der preußische Oberstleutnant langsam aber sicher in die mysteriöse Madame Lys verliebt. Wer auf das Abenteuerflair verzichten möchte, kann sich auch rein militärisch im Szenario-Modus austoben.

__NEWCOL__Peinliche Stilbrüche

Leider rauben die Entwickler ihrem tadellosen Erich trotz gut inszenierter Story gelegentlich die Glaubwürdigkeit: Wenn der ritterliche Oberstleutnant seine Männer z.B. mit einem "Macht sie kalt!" anfeuert, wird er in null Komma nichts zum SA-Bluthund degradiert. Und leider vergeht auch der cineastische Hauch aufgrund einiger Stilbrüche, da manche Sprecher schauspielerisch einfach nicht überzeugen können - wie etwa der libysche Rebell ohne arabischen Akzent; auch Erich hätte etwas markanter und zackiger besetzt werden können.

Zudem sorgen einige höchst unglückliche Texte für Kopfschütteln: Warum soll ein halbwegs gebildeter Brite seinen deutschen Freund bitte mit den unsinnigen Worten "Passen sie auf sich auf, Normanne!" verabschieden? Das klingt selbst in historisch weniger versierten Ohren schlecht. Trotz dieser Ungereimtheiten gehört die Erzählung jedoch zu den unterhaltsamsten im militärischen Echtzeit-Taktikbereich.

Helden unter sich: Im Story-Modus steuert ihr zu Beginn alle Hauptcharaktere - darunter auch Erichs britischer Freund Gregory. Im zweiten Teil der Kampagne befehligt er die alliierten Truppen.

Historische Recherche

Neben all der würzigen Fiktion wurden auch die harten Fakten nicht vernachlässigt: Nicht nur, dass es authentische Panzer wie den Tiger oder den Sherman inklusive detaillierter Beschreibungen hinsichtlich Baujahr und Einsatzgebiet gibt. Auch der Afrikafeldzug wird historisch akkurat in Lagebesprechungen mit Karten, Marschrouten sowie Originalfotos dargestellt. Ihr spielt quasi hinter den Linien den originalen Kriegsverlauf chronologisch nach – den euphorischen Beginn auf Seiten der Deutschen, das ernüchternde Ende auf Seiten der Briten.

Dadurch, dass der Krieg und die Romanze parallel verlaufen, und dass man zunächst aus der Perspektive der Achsenmächte und dann aus der der Alliierten operiert, ist die Kampagne ausgesprochen motivierend. Auch der Schwierigkeitsgrad zieht Stück für Stück an, so dass der Spielfluss trotz neuer Einheiten und Routine immer angenehm fordernd bleibt. Zwar kann man auch direkt die britische Kampagne wählen, aber das sollten sich nur gewiefte Feldherren wagen. Denn selbst auf dem leichtesten der drei Schwierigkeitsgrade geht es hier ordentlich zur Sache.

Dank des einblendbaren Sicht- und Schuss-Radius könnt ihr die Gefahren gut abschätzen und eure Einheiten optimal einsetzen.

Echtzeit-Taktik pur

Spielerisch kommt ihr komplett ohne Basisbau aus und agiert als Kompanieführer mit kleinen Verbänden hinter den feindlichen Linien, könnt im Ernstfall jederzeit pausieren und bequem Befehle erteilen. In den abwechslungsreichen Missionen geht es um das Ausspähen des Gegners, die Zerstörung einer Basis, den Schutz eines Konvois oder einen waghalsigen Panzerdurchbruch. Vor jeder Mission wird euch eine Standardtruppe aus Infanterie, Panzern, Jeeps & Co angeboten, die ihr jedoch den eigenen Wünschen anpassen könnt – einfach per Drag&Drop das aussuchen, was passt.

Und weil es neben der Haupt- immer auch eine Nebenaufgabe sowie versteckte Ziele gibt, die euch Prestigepunkte einbringen, will man jede Karte so gut wie möglich meistern. Denn für diese Orden kann man wiederum eines der insgesamt acht Spezialfahrzeuge freischalten, wie z.B. den mächtigen Zitadellen-Panzer, die natürlich wesentlich effektiver sind. Aber Vorsicht: Werden diese Einzelstücke vernichtet, sind sie für immer verloren!__NEWCOL__S.W.I.N.E. lässt grüßen?

Vieles erinnert spielerisch positiv an S.W.I.N.E. , u.a. das Erfahrungspunktesystem. Dadurch wird das sinnlose Verheizen von Truppen unterbunden und eure Fahrzeuge bekommen bis zu zwei neue Ränge, was sich z.B. in mehr Feuerkraft auswirkt; natürlich können diese Elite-Einheiten auch in der nächsten Mission eingesetzt werden.

Auch die Reparatur- und Abschleppfahrzeuge oder das Eingraben bzw. Verschanzen von Panzern, das ihnen mehr Defensivkraft verleiht und durch Sandsäcke dargestellt wird, erinnert angenehm an den unterschätzten Schweine-Klassiker. Allerdings hören die Gemeinsamkeiten hier auf, denn ihr braucht euch erstens nicht um Munitions- und Treibstoffnachschub kümmern, und zweitens spielt die in S.W.I.N.E. unbekannte Infanterie in Afrika Korps eine große Rolle.

 

Karten, Lagebesprechung und Zeitskala entsprechen dem historischen Ablauf des Afrika-Feldzugs. Für Geschichtsfreunde ein gefundenes Fressen.

Infanterie: Freud & Leid

Unter den Fußtruppen tummeln sich acht Typen, darunter Kundschafter mit großer Sichtweite, Scharfschützen mit tödlichem Kugelradius, Flammenwerfer mit verheerender Streuwirkung und rettende Sanitäter. Sie können  Gebäude besetzen und daraus schießen sowie Fahrzeuge bemannen und diese so effektiver machen; je mehr Insassen in einem Panzer, desto besser verhält es sich mit Sichtweite, Feuerkraft und Tempo. Das ist auch taktisch eine schöne Sache, denn ihr könnt natürlich auch britische Transporter und Jeeps kapern, oder untaugliche Artillerie und Panzer reparieren, um sie dann gegen den Feind einzusetzen.

Aber auch wenn die Entwickler die Wichtigkeit der Infanterie betonen und die Flammenwerfer gleich als stärkste Einheit des Spiels anpreisen, vergeht ihr Glanz schnell im übermächtigen Panzer- und Artilleriefeuer. Man vermisst eine eigenständigere KI oder nützliche Formationen, die den Sanitäter und den Scharfschützen z.B. in der Mitte postieren. Außerdem kann es vorkommen, dass sich Schützen im Liegen teilweise gegenseitig behindern oder gar nicht erst feuern.

Sehr komfortabel ist das Einheiten-Management: Entweder akzeptiert ihr die Standardvorgaben, oder ihr stellt euch selbst eine Truppe zusammen. Allerdings gibt es ein Punktelimit.

Schade auch, dass Granatwerfer vollkommen fehlen und die Panzerfaust vergleichsweise schwach ist. In den meisten Missionen kann man aber ohnehin auf die vorgeschlagenen Fußtruppen verzichten, da man beim Fahrzeugkauf automatisch auch eine Besatzung bekommt.

Sand im Getriebe

Die Steuerung bietet von der frei dreh- und zoombaren Kamera über die Gruppenbildung bis hin zur Lassomethode den bekannten Genre-Komfort, verlangt aber trotz des vorbildlichen Tutorials eine gewisse Eingewöhnung. Das liegt daran, dass das Interface mit seinen winzigen Knöpfen bei allen Mausklickern eine gewisse Fummelei nach sich zieht, und dass gerade die Infanterie einiges an Mikromanagement verlangt. Ihr müsst euch quasi um jeden Soldaten kümmern, da es bis auf das Heilen und Minenräumen keine weiteren Automatismen à la "Häuser besetzen", "in Scharfschützenstellung" oder "Ausschwärmen" gibt.

Wenn eine Besatzung nach dem Aussteigen aus dem Laster z.B. nicht automatisch Deckung sucht, sondern brav im Kreis wartet, muss erst mal umständlich nachgeholfen werden. Auch die Wegfindung hinterlässt ab und zu kuriose Fragezeichen: Da werden kleine Hügelchen nicht überfahren oder LKWs drehen sich an engeren Stellen wie wild im Kreis. __NEWCOL__Kurze Marschbefehle über die interaktive Minimap sind noch möglich, weite Zielangaben werden jedoch ignoriert, so dass man mit Wegpunkten im 3D-Gelände arbeiten muss.

Das Panzer-Management ist einfacher, aber auch hier vermisst man Formationen. Alle Kettenmonster können sich zwar der langsamsten Einheit anpassen, was wilde Kolonnen à la C&C verhindert, aber das war`s auch schon. Immerhin soll Erich bei Panzerguru Guderian in Frankreich gedient haben, und der hätte sich sicher auch über Linien-, Keil-, Kreis-, Flanken- oder Block-Aufstellungen gefreut, zumal sie spielerisch sinnvoll wären. Trotzdem kommt die Taktik nicht zur kurz, denn Angriffe von der Seite oder von hinten zeigen verheerende Wirkung, da die Stahlplatten hier schwächer sind.

Viele delikate Details

Unter der Benutzeroberfläche verbergen sich zudem viele Feinheiten, die vor allem Hardcore-Feldherren freuen werden und die über das Fehlen der Formationen hinwegtrösten: Es gibt drei Arten von Schuss- und Bewegungsverhalten, so dass von unauffälliger Annäherung, kontrollierter Defensive bis hin zum aggressiven Sturmangriff alles möglich ist.

Wer partikelfreudige Detonationen mag, wird voll auf seine Kosten kommen. Alles lässt sich höchst ansehnlich und explosiv  in seine Einzelteile zerlegen.

Hinzu kommen einblendbare Sicht- und Schussradien, die euch genau anzeigen, wann eine Wache euch bemerkt oder wann ihr sie mit dem Scharfschützen ausschalten könnt. Außerdem dürft ihr bestimmen, ob ihr auf die Ketten bzw. Reifen oder den Geschützturm eines Fahrzeugs schießt – trefft ihr Erstere ist er bewegungsunfähig, trefft ihr Letzteren ist er kampfunfähig. Sehr effektiv ist auch die Luftunterstützung, die einen tödlichen Bombenteppich ausbreitet.

Wüstenkampf mit Freunden

Im Multiplayer-Modus über TCP/IP, LAN oder GameSpy warten neben wenig prickelnden Deathmatches noch die Fahneneroberung und die gegenseitige Belagerung im Tobruk-El-Alamein-Modus auf bis zu vier Spieler; CPU-Gegner lassen sich nicht hinzufügen.

Die Basis ist erst dann verteidigungsfähig, wenn ihr die Infanterie an die Geschütze bringt. Je mehr Mann an der Flak, desto effektiver und weiter wird geschossen.

Ganz wie in Battlefield 1942 gewährt euch die Einnahme von Fahnen taktische Vorteile wie z.B. mehr Nachschub und am Ende natürlich den Sieg. Noch interessanter ist letztere Variante, wo ihr abwechselnd mal Belagerer, mal Verteidiger spielt und in einer bestimmten Zeit euer Hauptquartier verteidigen müsst. Schafft ihr es, bekommt ihr Verstärkung und könnt den Spieß umdrehen und selbst zur Attacke blasen. Schade ist nur, dass es bisher nur eine Hand voll Wüstenkarten gibt.

Sandfontänen & Panzerlack

Schon im Weltall von Haegemonia hat das Team von Digital Reality bewiesen, dass es etwas von feinen Texturen und explosiver 3D-Grafik versteht. Und auch in Nordafrika werdet ihr optisch bestens bedient.

__NEWCOL__Die Fahrzeuge sind historisch penibel und fein modelliert, die Granaten lassen Sandfontänen aufspritzen, Gebäude brechen unter Beschuss zusammen, Palmen und Zäune werden wie Streichhölzer von Panzern umgeknickt und auch die Landschaft wirkt dank üppig animierter Flora sehr lebendig. Zeitlupen-Detonationen? Echtzeit-Schatten? Sandnebel? Alles inklusive.

Sehr überzeugend ist trotz der Wegfindungsprobleme das Fahrverhalten: Ketten- und Reifenvehikel bewegen sich komplett anders, brauchen unterschiedliche Wenderadien und lassen sich so physikalisch korrekt einsetzen.

Auch nachts sind die Wüstenfüchse aktiv. Hier auf einer Multiplayer-Karte im spannenden Belagerungsmodus. Ansonsten sorgen Sandstürme und Nebel für Abwechslung.

Trotzdem zehren kleine Inkonsequenzen wie die vielen Clippingfehler am realistischen Gesamtbild. Denn Panzer fahren zwar Palmen um, aber ignorieren Mauern, Häuser und andere Fahrzeuge so deutlich, dass sie weit in die Texturen hineinfahren.

Optimiert ist das Spiel übrigens für eine Auflösung von 1024x768 Pixel, ihr könnt den Wüstenfeldzug aber auch je nach Rechnerleistung in einer höheren angehen. Dazu müsst ihr euren Desktop in der gewünschten Größe einstellen.

Fazit

Seit S.W.I.N.E. hatte ich nicht mehr so viel Spaß mit militärischer Echtzeit-Taktik! Obwohl mir das Zweite Weltkrieg-Szenario zunächst nur ein Gähnen entlocken konnte, hat mich der packend inszenierte Wüstenkrieg mit seiner stimmungsvollen Kampagne schnell in seinen Bann gezogen. Digital Reality serviert euch in partikelfreudiger Kulisse eine abenteuerliche Story zusammen mit einer fundierten Chronologie des Afrikafeldzugs. Hier könnt ihr euch dank vieler Feinheiten taktisch fordernd austoben; Erfahrungspunkte, Extra-Fahrzeuge für besondere Leistungen und ein interessanter Multiplayer-Modus sorgen für Langzeitmotivation. Leider verhindern einige technische und spielerische Fehler sowie atmosphärische Stilbrüche eine höhere Wertung: Die Wegfindung macht ab und an Zicken, die vielen Clippingfehler stören, die KI der eigenen Infanterie könnte um einige Automatismen, die der Gegner um einen Schuss Cleverness reicher sein und sinnvolle Formationen fehlen komplett. Und obwohl die musikalische Untermalung klasse ist, enttäuschen sowohl einige Sprecher als auch peinliche Texte. Trotzdem: Wer sich die Wartezeit auf verwandte Titel wie Codename: Panzers oder Ground Control 2 versüßen will, sollte das Ticket nach Afrika buchen!

Pro

taktisch fordernd
orchestrale Musik
ansehnliche Grafik
klasse Explosionen
spannende Kampagne
authentische Einheiten
schöne Rahmenhandlung
historisch gut recherchiert
edle Menüs, gute Statistiken
Einheiten gewinnen Erfahrung
motivierendes Belohnungssystem
interessanter Multiplayer-Modus
drei Schuss- und Bewegungstypen+ Bereifung & Türme gezielt zerstörbar
einblendbarer Sicht- und Schussradius
sanft ansteigender Schwierigkeitsgrad

Kontra

einige Clippingfehler- einige KI-Aussetzer
Wegfindungsprobleme
atmosphärische Stilbrüche
einige unpassende Sprecher
zu wenig Multiplayer-Karten
keine Formationen, kein Ausschwärmen

Wertung

PC

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