Railway Empire08.02.2018, Mathias Oertel
Railway Empire

Im Test: Logistik-Strategie light

Logistik-Strategie scheint ihre Hochphase weit hinter sich zu haben. Mit Train Fever bzw. Transport Fever gab es zwar ein relativ erfolgreiches und unterhaltsames Aufflackern. Doch trotz moderner Kulisse fehlte das gewisse Etwas, das Titel von Transport Tycoon bis Railroad Tycoon 3 über Jahre hinweg auszeichnete und die Spieler an den Bildschirm fesselte. Ob das von Gaming Minds (Patrizier 4, Grand Ages: Medieval) entwickelte Railway Empire (ab 8,50€ bei GP_logo_black_rgb kaufen) die alte Faszination entfachen kann, klären wir im Test.

Überschaubar, aber motivierend

Hier muss noch eine Stadt ans Schienennetz angeschlossen werden. Dort wartet noch ein Betrieb darauf, seine Rohstoffe mit einem meiner Züge transportieren zu können. Und die Konkurrenz schläft auch nicht: Sabotage-Aktionen oder die feindlichen Übernahme-Versuche durch Aktienkauf halten einen auf Trab. Geld ist ohnehin phasenweise ein knappes Gut – es sei denn, man nutzt eine der Bank-Anleihen, die durchaus großzügig verteilt werden. Railway Empire bemüht sich zwar, sowohl Tycoon- als auch Railroad-Bezüge im Namen zu vermeiden. Doch es ist offensichtlich, dass man sich an der Kultserie orientiert, die von Sid Meier gestartet wurde und zuletzt von PopTop im Jahr 2003 mit Railroad Tycoon 3 zu einem vorläufigen Höhepunkt geführt wurde. Nicht zu vergessen Sid Meier’s Railroads, bei dem der Meister 2006 einen erneuten Versuch in Sachen Logistik-Strategie unternahm. Zumindest steht man diesen Ahnen weitaus näher als Artdinks A-Train-Serie, die sich nicht nur bei der Benutzerführung deutlich komplexer, mitunter sogar sehr sperrig bzw. abweisend zeigt.

Die Kulisse von Railway Empire ist stimmungsvoll, ohne herausragend zu sein und lässt sich auch als "Passagier" erleben.

Das kann man von Railway Empire wahrlich nicht behaupten: Bahnhöfe sind schnell errichtet. Gleise lassen sich ebenfalls leicht verlegen. Und bezahlen muss man für die gelegten Trassen erst, wenn man zufrieden ist - so wird der fehlende „Rückgängig“-Knopf weitgehend kompensiert. Da zudem ständig die entstehenden Kosten ad hoc aktualisiert werden, kann man versuchen, den besten Weg zu finden, um Steigungen oder Tunnel bzw. Brücken so klein wie möglich zu halten, da sie den Preis explodieren lassen. Weichen und Abzweigungen lassen sich ebenfalls schnell und komfortabel erledigen. Und wenn man feststellt, dass man in einem Stadtbahnhof nicht genügend Gleise zur Verfügung hat, kann man auch problemlos anbauen. Nur das Einrichten der Signale, um Züge entsprechend leiten zu können, ist auf Dauer ein nicht optimal gelöstes, aber notwendiges Übel, an das man sich zumindest am PC gewöhnen kann. Auf Konsole sieht das etwas anders aus: Hier bleibt es auch langfristig einen Tick zu fitzelig.

Zugfahrt zweiter Klasse auf Konsolen

Die KI hat nicht nur leichte Vorteile, da sie sich nicht an Gleisbelegungsgrenzen halten muss, sondern baut mitunter auch sehr wild.

Überhaupt zeigt sich die Konsolenversion hinsichtlich Technik und Benutzerführung hier als nicht gleichwertig – obwohl die entsprechenden Hauptpunkte komfortabel über ein Radialmenü zu erreichen sind. Nicht betroffen davon ist das Verlegen der Schienen. Das funktioniert mit Pad ebenso einfach wie mit der Maus am Rechner. Auch das Einrichten von Strecken, Zügen usw. ist mit dem Controller nur unwesentlich problematischer zu handhaben.  Doch bei den auch langfristig eher fummeligen Signaleinstellungen ist man mit dem Pad definitiv im Nachteil. Zudem sind uns bei der zum Test zur Verfügung stehenden Xbox-One-Version deutliche Leistungsunterschiede auf One S und One X aufgefallen. So profitiert die One X nicht nur von einer höheren Auflösung bei der Darstellung der stimmungsvollen, aber unter dem Strich nicht übermäßig beeindruckenden Kulisse, sondern einer allgemein besseren Performance, die in etwa der auf dem PC entspricht. Auf der One S hingegen gibt es bei Drehungen der Kamera egal in welcher Zoomstufe kontinuierlich Bildratenprobleme, die sich bei einem Strategiespiel zwar nicht auf das grundsätzliche Spielgefühl auswirken, aber dennoch massiv stören – vor allem auch, wenn man nicht einmal die an sich stimmungsvollen Mitfahrmöglichkeit ausnutzen kann. Doch egal ob S oder X: Auf eine Minikarte, die am Rechner groben Aufschluss darüber gibt, wie sich die Konkurrenten schlagen und welche Bereiche der weiträumigen Landstriche man noch nicht an sein Netz angebunden hat, muss auf Konsolen verzichtet werden.

Die Warenströme sind ebenso überschaubar wie die Eingriffsmöglichkeiten. Dennoch schafft es die Logistik-Strategie, einen immer wieder vor den Bildschirm zu locken.

Inhaltlich hingegen bieten die One-Fassungen das gleiche Paket wie die Versionen für den PC. Man kann sich in einer auf fünf Kapitel verteilten Kampagne zuerst alleine im Rahmen des Tutorials und schließlich gegen drei mitunter schon auf der niedrigsten von drei Stufen sehr aggressiv expandierende KI-Gegner um die Erschließung der USA in der Zeit von 1830 bis 1930 kümmern. Alternativ dazu kann man sich an einem guten Dutzend Szenarien versuchen oder im freien Modus die Basisbedingungen wie zur Verfügung stehendes Geld, Standort, Start-Ära, Anzahl der Konkurrenten usw. festlegen. Allerdings sind dies unter dem Strich nur Variationen des Spielerlebnisses, das man innerhalb der Kampagne kennenlernt. Wer Eisenbahnbau ohne Stress möchte, sollte sich dem Modellbaumodus zuwenden. Hier sucht man sich eine Ära sowie ein Gebiet und kann vollkommen ohne Zeitdruck, Gegner oder Geldprobleme vor sich hinbauen und seine Modellbahnträume Wirklichkeit werden lassen.

Überschaubare Regelkunde

Egal in welchem Modus man spielt, muss man eigentlich nur ein paar Grundregeln beachten. Natürlich müssen Gleise an Bahnhöfe angeschlossen werden. Dabei ist es allerdings im Spiel gegen die KI nicht möglich, die Strecken der Konkurrenz gegen Gebühr zu befahren, deren Bahnhöfe zu nutzen oder sein eigenes Netz gegen einen Obulus den Wettbewerben zur Verfügung zu stellen und so an deren Erfolg zu partizipieren. Spieler von Railroad Tycoon 3 werden diese Option schmerzlich vermissen, da man bei Geldschwierigkeiten, die zu einem Baustopp geführt haben, immerhin noch über den Transport von Waren Geld machen konnte. Ansonsten muss man eigentlich nur noch darauf achten, dass an einer ausreichenden Anzahl von Bahnhöfen eine initial kostspielige Wartungsstation zur Verfügung steht, um die Züge in Schuss zu halten. Und dass genug Türme an der Strecke aufgebaut sind, an denen die Loks mit Wasser, Schmieröl sowie Sand versorgt werden können. Fehlt nur eines von beiden, stehen die Lokomotiven häufiger als dass sie fahren, sprich: von Gewinnmaximierung kann man sich verabschieden. Und hat man genug Ausweichgleise, Weichen und Signale gebaut, kann man sicher sein, dass es keinen Stau bei der Einfahrt in die mit maximal vier Gleisen ausgerüsteten Bahnhöfe gibt.

Die KI schert sich nicht um Gleisbelegungen. Für sie gilt permanent der "leichte" Modus.

Der Rest funktioniert weitgehend automatisch. Das Be- und Entladen und damit auch die Entscheidung, welche Waren transportiert werden, hängt in erster Linie von den Bedürfnissen der einzelnen Städte ab, die von der jeweiligen Linie angefahren werden. In der nächsten Ebene kann man allerdings versuchen, durch gezielte Lieferungen das Wachstum und damit die nächsten Wünsche und Bedürfnisse zu beeinflussen. Dazu kann man nicht nur eigene Produktionsanlagen erwerben, die als Nebeneinkommen ein probates Mittel sind, um etwaige Einbußen auszugleichen oder den Firmenwert zu steigern. Man kann auch festlegen, ob der Zug nur Expressgüter (Post & Passagiere) befördern soll oder sich auf Fracht festlegen. Und wer ganz gezielt (im Rahmen der spartanischen Möglichkeiten) die Stadtentwicklung beeinflussen möchte, kann auch händisch einstellen, was von welchem Gleis aus transportiert werden soll. Doch dies und das Verwalten von Angestellten, die kleine Boni mit sich bringen sind schon die einzigen Bereiche, in denen man tiefer in die Verwaltung eingreift. Man kann die Preise nicht manuell festsetzen und z.B. versuchen, durch Dumping die Passagiere und Lieferanten zu seinen Zügen zu locken. Auch bei der Geschwindigkeit der Forschung hat man sehr wenig Einfluss. Man bekommt einen festen Betrag an Entwicklungspunkten pro Monat und kann dies durch Angestellte leicht modifizieren. Die Möglichkeit, einen Großteil seiner Gewinne nicht in neue Strecken oder Aktienpakete der Konkurrenz, sondern in Stärkung der Forschung zu investieren, fehlt hier.

Die Dauermöhre und die Cheat-KI

Wetter ist zwar vorhanden, wirkt sich aber nicht auf Ernten oder sonstige Warenproduktion aus.

Dennoch hält einem Railway Empire innerhalb dieser simplen Regeln immer wieder eine Möhre vor die Nase, die einen zum Weiterspielen animiert. Eine weitere Stadt. Eine Optimierung der Handelswege. Ein Konkurrent, der ausgestochen werden muss. Nicht mehr lange, bis man genug Geld hat, um ein Übernahmeangebot zu starten. Nicht zu vergessen eine Basis-Auswahl an Missionen wie „Sorge dafür, dass Stadt A mindestens B Einwohner hat“ oder „Bringe X Lieferungen Vieh nach Y“, die kurzfristige Ziele auf dem Weg zur Marktdominanz markieren. Angeheizt wird der Wettbewerb noch durch Angebote, bestimmte Farmen, Fabriken oder sonstige weiterverarbeitende Industrien zu kaufen und seinem Imperium einzuverleiben. Und durch Auktionen, in denen man versuchen kann, sich einen Vorteil gegen die Konkurrenz zu verschaffen, indem man die Rechte an Loks ersteigert oder sich Vorteile im Forschungsbaum aneignet, die daraufhin nicht von den Gegnern verwendet werden können. Doch natürlich können diese auch versuchen, den Preis künstlich nach oben zu treiben. Die prinzipiell fordernde KI hat aber einen Vorteil auf ihrer Seite. Zumindest, wenn man mit „komplexem“ Gleisbau spielt, bei dem das gleichzeitige Befahren eines Gleisabschnitts von zwei Zügen ausgeschlossen ist. Denn während man selbst damit beschäftigt ist, Ausweichgleise zu platzieren und Signale zu setzen, damit eine reibungslose Abwicklung gewährleistet ist, hat die KI keine dieser Einschränkungen zu beachten und kann zig Züge auf ihren Linien hin und her jagen und nacheinander ohne Probleme in den Bahnhöfen entleeren.

Es gibt einen umfassenden Forschungsbaum.

Ob dies jetzt daran liegt, dass es zu aufwändig war, den Computer-Tycoons die entsprechenden Routinen einzuimpfen, ist schwer einzuschätzen. Dass ihnen dadurch ein beachtlicher geldwerter Vorteil entsteht, steht hingegen außer Frage. Und wenn man die Option ausschaltet, dass das Geschehen beim Bau pausiert wird, haben sie auch noch eine nicht zu unterschätzende Zeitersparnis.  Dass die KI im Gegenzug laut Entwickler mehr für den Streckenbau zahlt, ist nur ein kleiner Trost. Denn unter dem Strich gehorcht sie hiermit einem anderen Regelset als der Spieler. Und nach einer Übernahme kommt ein erneuter Schock: Man übernimmt zwar im Wesentlichen alle Vermögenswerte wie Strecken oder Gebäude und könnte auch alles auf einen Schlag versilbern. Doch die Mitarbeiter müssen z.B. von Hand unter Zeitdruck in das eigene Unternehmen eingepflegt werden, während die ehemaligen Konkurrenzstrecken neu definiert werden müssen und die Lokomotiven zwangsweise verkauft werden. Ist ja auch kein Wunder, da die KI mit anderen Regeln arbeitet, die mit denen kollidieren, unter denen man selbst seinen Profit erwirtschaften muss. Doch trotz dieses klaren Spielernachteils hat Railway Empire mich immer wieder vor den Bildschirm gezogen – die übrigen Mechaniken sind vielleicht nicht üppig, aber in ihrer Einfachheit angenehm motivierend.

Fazit

Railway Empire macht vieles richtig. Der Wirtschaftsteil könnte zwar trotz gut 30 Waren komplexer sein und dem Spieler z.B. erlauben, Transportpreise selbst festzulegen. Doch das simple Schaffen von Waren- und Bedürfnisströmen, die man mit seinen Zuglinien befriedigt, zieht einen immer wieder vor den Bildschirm. Auch, weil der Schienenbau denkbar einfach ist und man immer wieder etwas zu tun hat, um neue Städte an sein Netz anzubinden, alte Routen zu optimieren oder neue Technologien zu entwickeln. Auf der Xbox hingegen wird der Spaß durch die Benutzerführung eingeschränkt – trotz eines gelungenen Radialmenüs, das einem aber bei dem fummeligen Signalbau auch nicht weiterhilft. Zudem zeigt sich nur die One-X-Version technisch weitgehend ebenbürtig zur PC-Fassung. Auf der One S gibt es bei Kameraschwenks immer wieder Bildratenprobleme, die so gar nicht zur zwar stimmungsvollen, aber nicht wirklich aufwändigen Kulisse passen wollen. Schade in allen Versionen ist aber, dass sich die im Allgemeinen fordernde KI im so genannten "komplexen" Baumodus an andere Regeln halten darf als der Spieler und sich dadurch mitunter unfaire Vorteile verschafft. Doch auch, wenn es so unter dem Strich nicht reicht, um weder das 15 Jahre alte Railroad Tycoon 3 noch jüngere Logistik-Strategien wie Transport Fever in Gefahr zu bringen, verbirgt sich hinter Railway Empire durchweg solide Aufbau-Unterhaltung mit einem großen Schuss Modellbahn-Flair.

Pro

Aufbau-/Wirtschaftssim über mehrere Epochen (1830-1930)
zum Transport stehen fast 30 Waren zur Verfügung
unterschiedliche Bedürfnisse der sich entwickelnden Städte
umfangreicher Forschungsbaum
eingängige Steuerung (PC)
gut gelöste Pad-Steuerung
einfaches Schienenverlegen
sechs Figuren mit unterschiedlichen Boni
saubere Kulisse (PC, One X)
Steam-Workshop-Anbindung (PC)
Mitfahren möglich

Kontra

meist oberflächlich
zu stark reduziertes Mikromanagement
nur zwei Spielgeschwindigkeiten
KI bei Streckenbau/-Führung bevorteilt (nutzt einfache Regeln)
nur geringe Einflüsse auf Forschungsgeschwindigkeit
Kommentare der KI-Gegner nerven auf Dauer
leichte Probleme bei Benutzerführung (Konsolen)
keine Minikarte (Konsolen)
Bildraten-Einbrüche (One/One S)

Wertung

XboxOne

Solide Logistik-Strategie mit stimmungsvoller Kulisse, Modellbahn-Flair und einer KI, die sich durch angepasste Regeln einen kleinen Vorteil verschafft. Die Konsolenversion leidet unter einer fummeligen Detailsteuerung.

PC

Solide Logistik-Strategie mit stimmungsvoller Kulisse, Modellbahn-Flair und einer KI, die sich durch angepasste Regeln einen kleinen Vorteil verschafft.

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