The Talos Principle VR27.10.2017, Jan Wöbbeking

Im Test: Philosophische Rätsel, starke Immersion

Das war im Jahr 2014 ein klasse Weihnachtsgeschenk von Croteam: "The Talos Principle" sorgte auf dem PC für kreatives Knobeln à la Portal inklusive philosophischer Rahmenhandlung und drei Enden. Nach der "Deluxe Edition" auf der PS4 wurde mittlerweile auch eine Umsetzung für Oculus Rift und HTC Vive veröffentlicht, die neben dem Hauptspiel die Erweiterung "Road to Gehanna" enthält und einige Details VR-gerecht angepasst hat. Wie uns das Paket gefällt, klärt der Test.

Im Visier der Laserwachen

In der VR-Fassung habt ihr wie auf der PS4 die Wahl, ob ihr mit dem Hauptspiel "The Talos Principle" oder der Erweiterung "Road to Gehanna" starten wollt. Aber Vorsicht: Letztere richtet sich an erfahrene Spieler und schon das erste Rätsel dürfte den Kopf zum Qualmen bringen: Wie soll man bloß gleichzeitig die blauen und roten Laser aktivieren und einen davon über Mauern hinweg ins Ziel bringen, damit sich in gefühlten zwei Kilometer Entfernung endlich der Schalter auflädt und das Gatter öffnet? Die wollen doch nicht etwa, dass ich die Kiste mit den beide Sprungschanzen...oh doch, das wollen sie. Um es kurz machen: Die vier zusätzlichen Episoden haben es in sich und werden euch bis tief in die Nacht beschäftigen, zumal auch die Geschichte um Uriel_Kopie (1) und Elohim fortgeführt wird - über saubere Texte an Terminals oder in stimmungsvoller deutscher Sprachausgabe.

Die VR-Fassung ist primär auf Roomscale ausgelegt. Alternativ kann man aber auch auf kleinem Raum und nach vorne ausgerichtet spielen und die Welt quasi klassisch um sich herum drehen, während man weiterhin mit den Bewegungs-Controllern hantiert.
Uriel_Kopie (1)? Elohim? Terminals? Vergesst Gehenna und startet als Einsteiger auf jeden Fall das Hauptspiel, denn dann könnt ihr ohne Unterstriche gemütlich in die Geschichte abtauchen und mit leichten Aufgaben in Egosicht beginnen. Die mediterrane Idylle wirkt in VR noch eindrucksvoller, da man sich wie mitten in die geheimnisvollen Tempelanlagen versetzt fühlt. Die Grillen zirpen, die Abendsonne leuchtet – und wenn man sich mit dem eigenen Kopf umschaut oder am Strand den Blick über den Horizont schweifen lässt, wirkt das noch eine ganze Ecke stimmungsvoller als im klassischen Spiel auf der Mattscheibe. Aber irgendwo zwischen den verwitterten Kalksteinruinen schweben Wachroboter, die einen in null Komma nichts wegbrutzeln. Sobald man in ihre Nähe kommt, fächern ihre roten Laser auf und tasten die Gegend ab. Es gibt hier keine Waffen, also schnell hinter einer Säule oder einer Statue verstecken! Da ist man zumindest kurzfristig sicher und kann mit etwas Timing ihre festen Patrouillenwege für eine Umgehung ausnutzen.

Auf der Suche nach Antworten

So idyllisch die antike Kulisse in „The Talos Principle“ auch wirkt und so weise die Stimme des mysteriösen Erzählers zu Beginn klingt: Man muss ganz schön aufpassen, wenn man durch die Anlagen spaziert oder spurtet. Aber keine Bange, der Spielrhythmus ist eher entspannend als frustrierend: Falls man mal im Laser stirbt, ist das nicht weiter tragisch, denn es wird an den Anfang des jeweiligen Parcours zurückgespult. Und weil alles angenehm offen angelegt ist, kann man auch mal eine alternative Route probieren.

Wer entsprechend viel Power unter der Haube seines Spielerechners hat, kann das Gesamtbild mit einigen Effekten, Details und feinen Supersampling-Stufen verbessern.
Jedenfalls hat man genug Zeit, über die kryptischen Computertexte, die religiösen Anspielungen und den philosophischen Sinn des Ganzen zu grübeln. Kaum hackt man einige Befehle in die seltsam altmodischen Terminals, fragt man sich: Wem gehört die Stimme, die sich „Elohim“ und mich „Mein Kind“ nennt? Einem Gott? Wer hat das eigentlich alles gebaut? Wieso hat man so komische Kunststoffhände? Ist man etwa ein Roboter? Und falls ja: Warum kann man sich menschliche Gedanken machen? Fragen über Fragen. Wer sich auf die Story mit ihren drei Enden einlässt, wird angenehm anspruchsvoll und kreativ unterhalten. Mehr zur Story und dem Spielablauf erfahrt ihr hier im Test des Originals.

Wie gemacht für VR?

Besitzer der „flachen“ Version bekommen beim Kauf der VR-Umsetzung auf Steam 25% Rabatt. Für die „räumliche“ Fassung haben die Entwickler lediglich wenige Feinheiten der Puzzles an die Bedürfnisse von VR, die veränderte Steuerung sowie die Aufmerksamkeit des Spielers angepasst. Wer die Vorbilder am Monitor gespielt hat, dürfte also fast alle Lösungen bereits kennen. Da die Kulissen eher einfach strukturiert sind und nicht mit Details vollgestopft wurden, funktioniert die Orientierung auch in VR gut. Nur zu Beginn verläuft man sich ab und zu, weil sich die Wände der verzweigten Anlage ähneln. Zudem sind uns manchmal auch Bugs wie ein zuckendes Bild oder einige Fehlermeldungen auf dem Windows-Desktop untergekommen. Erfreulich ist, dass die Entwickler viele Fortbewegungmethoden anbieten. Am immersivsten ist natürlich die klassische Bewegung, die aber leider nach einigen Minuten ein flaues Gefühl im Magen provozierte. Wer den Lauf-Stick des Touch-Controllers nicht bis zum Anschlag drückt oder in den Optionen ein wenig an den Details herumschraubt, könnte trotzdem damit glücklich werden. So lässt sich z.b. die Laufrichtung mit der Kopf- oder Handausrichtung verknüpfen. Besonders praktisch ist die Roomscale-Unterstützung im Stehen oder auf dem Drehstuhl: Man dreht sich einfach in die gewünschte Richtung und läuft per Stick bzw. Touchpad vorwärts dorthin, so dass kaum Seitenschritte oder andere unnatürliche Bewegungen notwendig werden.

Mit der Rift fühlt sich das Spielerlebnis dank der ergonomischen Touch-Controller und weniger "Fliegengitter" einen Deut natürlicher an.
Wer die klassische Fortbewegung wählt, sollte allerdings einen aktuellen Spielerechner besitzen: Auf einer GTX 970 kam es bei uns auch auf niedrigen Einstellungen zu minimalen Rucklern. In klassischen Monitor-Spielen ist das nicht der Rede wert, aber in VR wirken solche kurzen „Hänger“ natürlich trotzdem unangenehm. Empfindliche Mägen oder Besitzer einer schwachen Grafikkarte sollten also auf die Teleportation umsteigen, welche ebenfalls einige Variationen anbietet: Es gibt eine klassische sofortige Teleportation, eine „blink“-Teleportation mit einer sanften Schwarzblende sowie eine Variante, in der man blitzschnell druch die Kulisse an den Zielort „düst“. Bei Letzterer wird das Gehirn quasi überlistet, weil man in der realen Welt nie derart schnell und plötzlich vorwärts läuft – daher kann sich die Aktion gar nicht „falsch anfühlen“. Am besten gefallen haben mir die letzten zwei Teleportationsvarianten: Nach einigen Gewöhnungsminuten war die Immersion auch ohne klassische Fortbewegung ziemlich hoch. Zudem kann man sich so effektiv am Rande der gefährlichen Wachroboter entlang beamen. Damit man das System nicht zum Überlisten der Puzzles missbraucht, kann man sich in den entscheidenden Passagen aber nicht komplett hinter die Gegner teleportieren.

Fazit

Schön, dass Croteam sein Puzzle-Highlight auch noch für Rift und Vive umgesetzt hat, denn das enstpannte Knobeln passt hervorragend zu VR: Wenn man verwundert durch die geheimnisvollen Tempel schreitet, fühlt man sich beim Umschauen mit dem Headset wie in einer fremdartigen Welt. Auch spielerisch ist The Talos Principle wie gemacht für VR, da beim Grübeln ständig das räumliche Denken auf die Probe gestellt wird. Wie in der Deluxe-Edition für PS4 ist komplette deutsche Sprachausgabe dabei und vor allem die Erweiterung "Road to Gehenna" enthalten, die den Kopf nochmal so richtig zum Qualmen bringt. Freut euch auf anspruchsvolle Knobelei à la Portal und eine interessante Geschichte, die das Menschsein thematisiert. Schön auch, dass viele Optionen der Fortbewegung zur Wahl stehen. Wer keine der Teleportations-Varianten mag und lieber klassisch durch die Kulisse laufen möchte, sollte allerdings einen Spielerechner mit relativ flotter Grafikkarte nutzen. Mit der Minimalkonfiguration und einer GTX 970 kann es zu kleinen Rucklern kommen, die in VR natürlich stärker stören als auf dem Monitor (Croteam empfiehlt eine GTX 1070). Auch ein paar kleine Bugs störten manchmal den Spielfluss. Für VR-Verhältnisse sehr stark ist dagegen der Umfang: Mit drei möglichen Enden sowie einem Sammelsurium an cleveren Logik- und Physikaufgaben wird man mehr als fünfzehn Stunden sehr gut unterhalten.

 

 

Pro

anspruchsvolle, vielfältige & logische Rätsel
Erkundung mit einem Headset noch faszinierender
Konzept und Puzzles passen prima zur Virtuellen Realität
viele VR-Optionen und Fortbewegungsmöglichkeiten
interessante Hintergrundstory & Philosophie
Erzähler reagiert auf eigene Aktionen
Umfragen verlangen Stellungnahme
antike Kulisse mit SciFi-Elementen
mehr Fähigkeiten/Geräte freischalten
keine Sackgassen, kein Speicherfrust
etwas Stealth-Flair und Hand-Auge-Koordination
Tagebuch archiviert Notizen & Co
drei mögliche Enden
sehr gute deutsche Texte und Sprachausgabe
inklusive Add-On "Road to Gehenna"

Kontra

Rätsel und Storytelling werden zu stark getrennt
akustisch und musikalisch dröge
grafisch en detail nur solide
bei schwächeren Rechnern kommt es trotzdem zu kleinen Rucklern

Wertung

HTCVive

Die anspruchsvolle Knobelei à la Portal und eine interessante Geschichte über künstliche Intelligenz passen prima zur Virtuellen Realität.

OculusRift

Die anspruchsvolle Knobelei à la Portal und eine interessante Geschichte über künstliche Intelligenz passen prima zur Virtuellen Realität.

VirtualReality

Die anspruchsvolle Knobelei à la Portal und eine interessante Geschichte über künstliche Intelligenz passen prima zur Virtuellen Realität.

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