Im Test: Finstere Töne
Komplexe Verstrickungen
Im Mittelpunkt der Geschichte steht neben Prior Philip von Kingsbridge schließlich auch Jack, der mittlerweile zu einem jungen Mann herangewachsen ist und mehr oder weniger geschickt mit Aliena, der Tochter des gestürzten Grafen von Shiring, flirtet. Wer Episode 1 des Adventures oder den Roman nicht kennt, wird sich jetzt vermutlich verwundert am Kopf kratzen – und auch ich hatte zu Beginn des Spiels Probleme, all die altmodischen Namen und ihre Verstrickungen auseinander zu halten. Wer sich durch die sperrige Eröffnung gekämpft hat, wird in Episode 2 aber durchaus von der Geschichte dafür belohnt, denn diesmal kommt etwas mehr Dynamik in die Erzählung, auch wenn man vielleicht etwas mehr Mut zur Streichung von Details hätte beweisen sollen.
Ein unterhaltsamer Grundpfeiler der Geschichte ist natürlich, dass die Pläne von Baumeister Tom Builder für sein ersehntes Lebenswerk, die Kathedrale, endlich Form annehmen. Nachdem der alte Bau abbrannte, überzeugt Tom den Prior Philipp von Kingsbridge von seinem Plan, ein vorsichtig kalkuliertes, aber doch prachtvolles Gotteshaus zu erschaffen. Nach all der trockenen Theorie sorgt es für eine schöne Aufbruchstimmung, endlich in der Rolle seines Ziehsons Jack über die Baustelle zu stromern, einen Abstecher in den florierenden Ort Kingsbridge zu unternehmen – oder sich mit Aliena zur romantischen Mühle zu verkrümeln.
Kniffliger als Koalitionsverhandlungen
Schade dabei ist, dass Daedalic die klassischen Inventar-Rätsel diesmal noch mehr zurückfährt. Klar, die Säulen der Erde wird als interaktiver Roman bezeichnet – trotzdem hätte ich gerne auch ein wenig gebastelt. Stattdessen setzt man gefundene oder verdiente Gegenstände meist lediglich im Rahmen der Handlung ein. Aliena z.B. versorgt den in Geldnot geratenen Bau der Kathedrale mit Geld aus ihrem Wollhandel – und unterstützt auch ihren zum Ritter gewordenen Bruder mit Barem für seine Ausrüstung vor der großen Schlacht zwischen den Truppen des Königs und Robert von Gloucester.
Das Feilschen und Verhandeln ist das Highlight der Episode. In den unsicheren Kriegszeiten mit gestiegenen Gebühren und einschränkenden exklusiven Marktrechten versucht wirklich jeder, das Maximum für sich herauszuholen. Man sollte in den Dialogrätseln also nicht zu schnell nachgeben und gerne auch mal zwischendurch das Gespräch verlassen, um bessere Argumente zu finden, welche ähnlich wie ein Gegenstand ins Themen-Inventar wandern. Als die bankrotte Aliena zu Beginn des Spiels notgedrungen ihren Handel mit Schafswolle startet, habe ich mich noch viel zu schnell zu einem schlechten Geschäft drängen lassen, das mir lediglich den Einkaufspreis einbrachte.
Bedingte Einflussnahme
Auf dem großen Wollmarkt in Shiring stellte ich mich schon deutlich geschickter an und suchte zwischendurch ein paar flämische Händler auf, die ganz hin und weg von der Qualität meines Musters waren. Als ich zum lästigen feilschenden Stammkunden zurückkehrte, bluffte ich mit einem angeblichen Angebot der reisenden Kaufleute und trieb die Summe so erfolgreich in die Höhe. Auch die Schlichtung von Streit oder der mögliche Einsatz von Gewalt ist schön in die Entscheidungen eingebunden – z.B., wen man innerhalb einer Reitsequenz auf der Oberkarte von Dieben in eine Falle gelockt wird. Schade ist natürlich, dass all das trotzdem kaum Einfluss auf den Handlungsverlauf nimmt – sondern lediglich über Details in den Beziehungen oder das Schicksal von Nebenfiguren entscheidet. Ob eine Audienz nun erfolgreich ist oder nicht – kurz danach bricht ohnehin eine große Schlacht los, welche über die Machtverhältnisse bestimmt und vorige Abkommen nichtig machen kann – zumal auch große Köpfe der Kirche mit Intrigen dazwischenfunken.
Sogar bei Jacks Flirtversuchen ist es nicht allzu wichtig, wie geschickt er sich anstellt, weil sein junger Begleiter irgendwann ohnehin dazwischen platzt und die Stimmung ändert. Philip dagegen merkte auf einer Reise deutlich, wie sich ein von mir initiierter Handel mit Machthabern auf das leidende Volk auswirkte. Insgesamt hatte ich diesmal das Gefühl, etwas aktiver an der Geschichte teilzunehmen. Die Erzählung konnte meine Aufmerksamkeit auch dank interessanter Wendungen besser halten als im sperrigen Einstieg. Vor allem einige brutal inszenierte Szenen und der skrupellose, unberechenbare Antagonist William Hamley bringen Leben (und Tod) in die Handlung.
Technische Macken
Die faden Geschicklichkeitstests haben mich diesmal etwas weniger gestört. Beim Behauen von Verzierungen oder dem Entfernen von Wespennestern mittels Steinschleuder muss man gelegentlich im passenden Moment eine Taste erwischen – nicht gerade spannend, aber als kleine Auflockerung durchaus in Ordnung. Auf die Nerven gingen mir dagegen einige Bugs, nach denen sich plötzlich das Inventar und die Menüs nicht mehr vernünftig bedienen ließen und ich das Spiel mehrmals neu starten musste. Das Problem trat vor allem auf, wenn ich mit dem Controller spielte, so dass ich letztendlich vom Sofa zu Maus und Tastatur am Schreibtisch wechselte. Allgemein wirkt das Spiel technisch noch immer nicht nicht ganz sauber: Verwunderlich ist z.B., dass Daedalic selbst in der zweiten Episode noch nicht das wilde Zucken der Figuren behoben hat, das manchmal in Ecken des Raums auftritt. Auch auf der Oberkarte gelangten meine Protagonisten manchmal nur auf umständlichen Wegen durch die schmalen Gassen.
Fazit
Auch Episode 2 von Die Säulen der Erde kommt erst nach einem etwas spröden Einstieg in Fahrt, dann ergeben sich aber einige interessante Wendungen. Die umbarmherzige Realität des Krieges wird in allen Lebensbereichen spürbar, was sich schön in den gelungenen Dialog-Rätseln rund ums Feilschen widerspiegelt. Wer sich hier zu früh breitschlagen lässt, steht später mit deutlich geringeren finanziellen Mitteln dar. Davon abgesehen haben die Entwickler die spielerischen Aspekte leider stark zurückgefahren. Es gibt nur noch selten klassische Inventar-Rätsel zu lösen, die den Namen auch verdient hätten. Dazu kommt das Problem, dass man sich oft zu sicher fühlt, weil die Geschichte des interaktiven Romans im Großen und Entscheidungen nur am Rande eine Rolle spielen. Vielleicht hätte sich Daedalic stärker vom Vorbild lösen sollen, um Nebenschauplätze zu beleuchten, auf deren Ablauf man mehr Einfluss gehabt hätte. Zudem funken kleine technische Macken dazwischen – insgesamt aber ein befriedigender Mittelteil.
Einschätzung: befriedigend
Pro
Kontra
Wertung
PC
Nach dem sperrigen Anfang kommt die Geschichte in der zweiten Episode besser in Gang. Trotz gelungener Feilsch-Mechanik krankt das Spiel aber nach wie vor an Rätselarmut.
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