Rise of Nations: Thrones and Patriots29.06.2004, Bodo Naser
Rise of Nations: Thrones and Patriots

Im Test:

Rise of Nations von Big Huge Games ist eines der intelligentesten Echtzeit-Strategiespiel überhaupt, weshalb es auch nur Bestnoten (4P-Test: 93%) kassierte. Leider verfügte es bislang über keine historische Kampagne. Das erste Add-On Thrones & Patriots beseitigt diesen Schönheitsfehler: Ab sofort könnt ihr zeigen, ob ihr es besser als die Großen der Weltgeschichte machen könnt.

Throne und Patrioten

Den etwas sperrigen Titel wählte das Team um Brian Reynolds wohl deshalb, da das Add-On einerseits einen zeitlichen Bogen spannt von der

klassischen Epoche Alexanders des Großen bis zu den amerikanischen Patrioten unserer Tage.

Andererseits werden die Regierungsformen als neues Feature eingeführt, mit denen ihr wie bei der Civ-Reihe von den Monarchien des Altertums bis zu den heutigen Demokratien wechseln könnt. Ein spezieller General mit besonderen Fähigkeiten tritt hinzu, der sich Patriot nennt und quasi den Staat repräsentiert. Um Thrones & Patriots spielen zu können, muss übrigens das Grundspiel installiert sein.

Die Kampagnen finden auf einem Ausschnitt der Weltkarte statt. Die Aufteilung der Länder wurde allerdings angepasst.

Große Feldzüge

Neu sind in erster Linie die vier Kampagnen, die das Echtzeit-Strategiespiel Rise of Nations erst komplettieren, denn bislang gab es nur den eher ungeliebten Welteroberungsmodus. Sie führen euch auf die Spuren großer Feldherren, wie Alexander der Große oder Napoleon Bonaparte, denen zwei Feldzüge gewidmet sind.

Die dritte Kampagne bildet die Eroberung Nordamerikas durch die Kolonialmächte und der Freiheitskampf der USA. Die letzte stellt den Kalten Krieg nach, der auf einer großen Weltkarte stattfindet und bei dem ihr Nato oder Warschauer Pakt spielen könnt. Ein Berater nennt euch Ziele, die besonders prestigeträchtig sind: Angreifen dürft ihr aber, wann und wo ihr wollt.

Auf Seiten der Sowjets kommt ein altbekannter Betonkopf zu neuen Ehren.

__NEWCOL__Kalter Krieg heiß serviert

Die neuen Kampagnen kommen schmucklos daher, da sie weder eine fortlaufende Geschichte erzählen noch durch filmische Zwischensequenzen aufgelockert sind. Überleben müssen dabei die großen Generäle, die die Angriffskraft verbessern und die Truppen schneller machen. Die ersten drei Kampagnen sind eigentlich nichts anderes als eine Aneinanderreihung von gut gemachten Missionen. Napoleon und der Unabhängigkeitskrieg finden zudem fast in derselben Epoche statt. Eine mittelalterliche Kampagne wie die Kreuzzüge hätte das Angebot eher abgerundet. Herausragend ist der Kalte Krieg, der sogar mit verändertem Interface aufwartet, von dem aus ihr die atomare Spannung im Auge behaltet, Atomraketen bastelt und Spionagemissionen startet – eine Art Spiel im Spiel.

Die Missionen sind recht abwechslungsreich. Hier muss Napoleon einige Städte verteidigen.

Anspruchsvolle Gefechte

Die Schlachten haben es allerdings in sich, denn sie sind sehr ausgefeilt designt und schwer. Ein Beispiel: Greift ihr mit der Roten Armee Afghanistan an, dann erweist sich die Besetzung des Landes am Hindukusch als nicht ganz einfach. Die großen Städte habt ihr zwar schnell mit Panzern, Katyushas und Schocktruppen überrollt, das Land gehört euch aber noch nicht. Dann gilt es nämlich, die Camps der Mujaheddin zu zerstören, die überall im Land verstreut sind. Dabei seid ihr auf den Einsatz eurer Luftwaffe angewiesen. Ihr verzettelt euch leicht, geratet in manchen Hinterhalt und habt Mühe, überhaupt die Städte zu halten. Fast wie in der Realität, als sich die Russen nach vielen Verlusten 1988 entnervt zurückzogen.

Diplomatie einer untergegangenen Weltmacht: Nordkorea will eurem roten Club beitreten.

Wechsel der Staatsform

Wichtigstes neues Instrument ist der Regierungswechsel, der im Senat vollzogen wird. Dieser Schritt ist schon ziemlich frühzeitig im Spielverlauf möglich, da ihr das Senatsgebäude ab der Klassik errichten könnt. Sechs Staatsformen stehen zu Auswahl, die alle ihre Vorteile haben.

Die Afghanen versuchen ihre neue Hauptstadt mit Jagdfliegern zu schützen. 

So dürfen sich z.B. Republikaner über eine höhere Handelsobergrenze sowie über eine Senator-Einheit freuen, der  wie ein General innerhalb einer bestimmten Reichweite Heilungsvorteile bringt. Nachteile wie Korruption müsst ihr dabei aber nicht befürchten. Die demokratischen Regierungsformen (Republik, Demokratie, Kapitalismus) bieten defensiv ausgestattete Patrioten, die diktatorischen (Despotismus, Monarchie, Sozialismus) eher offensive. Ein späterer Wechsel der Regierung ist jederzeit möglich, was aber einen Wechsel des Patrioten zur Folge hat.

Neue Völker & Einheiten

Ferner sind außerdem sechs neue Völker hinzugekommen sind. Das Team um Brian Reynolds hat sich dieses Mal um mehr Ausgewogenheit bemüht: Amerikaner, Niederländer, Inder, Irokesen, Lakota und Perser kämpfen nun mit. Sie bringen gut 20 neue Einheiten ins Spiel, die vom irokesischen Späher, über persische Kriegselefanten und holländische Handelsschiffe bis zum US-Marinesoldaten reichen. Wie beim Grundspiel kommt es wieder entscheidend auf den richtigen Einsatz der Truppen an. Panzer alleine bringen z.B. nur wenig, da sie nicht gut gegen Infanterie sind. Mit Raketenwerfern bewaffnete Kämpfer bekämpft ihr indes am besten mit eigener Infanterie - die Mischung macht’s!

Gehobene Schwierigkeit

Veteranen freuen sich darüber, dass auch der ohnehin schon happige Schwierigkeitsgrad noch einmal zusätzlich in die Höhe gegangen ist. Anfänger dürfte das hingegen eher abschrecken, da es ziemlich frustrierend sein kann. Die beinharte KI schafft es immer wieder, euch zum Weinen zu bringen. Szenen wie diese sind daher Seltenheit: Montezuma vernichtet auf Stufe moderat auch die letzte Hauptstadt eurer unterbelichteten Perser mit einem atomaren Feuerball. Ein paar Doppeldecker stehen wie zum Beweis dafür auf dem verlassenen Rollfeld herum, dass ihr mal wieder viel zu langsam wart. __NEWCOL__Neue Wunder

Bis auf drei neue Weltwunder gibt es kaum neue Gebäude: Zum einen ist da die Verbotene Stadt, die nicht nur im Reich der Mitte den Nahrungs- und Holzausstoß um 50% erhöht. Zusätzlich fungiert sie auch als ganz normale Stadt, die der Gegner erst nach ihrer Fertigstellung orten kann. Dann könnt ihr die Hängenden Gärten von Frau Semiramis pflanzen, die anders als bei Civ den Wissenschaftsausstoß erhöhen. Schließlich gibt es noch das riesenhafte Rote Fort der Inder, das als Bollwerk mit erhöhter Reichweite gegen eure Feinde fungiert und sogar die Widerstandskraft der anderen Festungen eurer Nation erhöht.

Verbessertes Balancing

Multiplayer-Fans dürfte vor allem freuen, dass sich auch die Gewichtung der Nationen verändert hat. Viele kleine Unstimmigkeiten wurden beseitigt, die eine Nation benachteiligt oder bevorteilt haben. Nur ein paar Veränderungen: So wurde die Effektivität von Kanonen und Raketenwerfern gesenkt, damit Angriffe gegen diese eine Chance haben. Die militärische Macht der Römer und Azteken wurde verbessert,

denn sie erhalten zu Beginn eine gratis Militärtechnologie. Auch die Pyramiden machen Städte nun zusätzlich günstiger, damit ihr auch was hat von eurem teuren Monument. Auch die britischen Langbogen wurden gestärkt, darüber hinaus erhalten die Briten nun für jede Kaserne gratis eine Einheit Bogenschützen.

Ohne grafischen Reiz

Nicht nur, dass das Add-On schmucklos präsentiert wird, auch die die gegenüber dem Grundspiel unveränderte 2D-Grafik im Spiel holt keinen mehr hinter dem Ofen hervor. Trotz vieler kleiner Details war Rise of Nations von jeher keine sehr große optische Offenbarung, wenn man es beispielsweise mit Age of Mythology vergleicht. Regelrecht unschön wirken vielen Einheiten und Gebäude, wenn ihr sie mal heranzoomt.

Aller Anfang ist kümmerlich - auch der des persischen Großreichs.

Auch die Umgebung ist, obwohl zweckgemäß dargestellt, alles andere als ein Augenschmaus. Zwar gibt es auch hier Wellen, die ans Land schlagen, die gleich Verzückung wie bei Age of Mythology lösen sie jedoch nicht aus. Außer dem bekannten Intro gibt es auch keine Filme, die das Strategiespiel auflockern könnten. Spielerisch tut das der Erweiterung natürlich keinen Abbruch, da sie von ihren inneren Werten lebt. Ein mögliches Rise of Nations 2 sollte dann aber auf eine neue Engine setzen.

Fazit

Das erste Add-On zu Rise of Nation bietet eigentlich für jeden etwas: Die Veteranen unter den Einzelspielern freuen sich über die neuen Völker, den gehobenen Schwierigkeitsgrad und die Regierungswechsel. Multiplayer-Verrückte bekommen ein ausgefeilteres Balancing zwischen den Völkern präsentiert und Hobby-Generäle können schauen, ob sie es besser als Alexander, Napoleon, George Washington oder die Strategen im Kreml hinbekommen hätten. Das Interface des Kalten Krieges mit den Funktionen und Tipps wirkt allerdings fast ein wenig überfrachtet, lässt sicher aber gerade noch bedienen. Einzig Leute, die Rise of Nations vielleicht zum ersten Mal hören, sollten lieber auf das Grundspiel zurückgreifen, um Frusterlebnisse mit der superaggressiven KI zu vermeiden. Grafisch bietet die schmucklose Erweiterung dieselbe 2D-Darstellung wie das Grundspiel, die inzwischen recht angestaubt wirkt. Der ganz große Reiz ist daher verflogen, ein saugutes Echtzeit-Strategiespiel ist Rise of Nations aber immer noch!

Pro

vier Kampagnen
tolles Schlachtendesign
sechs Regierungsformen
Patrioten-Einheiten
Spionagemodus im Kalten Krieg
verbessertes Balancing
sechs neue Völker
20 neue Einheiten
drei neue Weltwunder
gehobener Schwierigkeitsgrad

Kontra

schmucklos präsentiert
mit Funktionen fast überfrachtet
für Einsteiger ungeeignet
keine Mittelalter-Kampagne
Napoleon und Kolonisierung spielen sich ähnlich
angestaubte 2D-Grafik

Wertung

PC

RoN ist für mich eines der besten Echtzeit-Strategiespiele: Flott zu spielen und doch mit Tiefe!

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