Basingstoke14.05.2018, Mathias Oertel
Basingstoke

Im Test: Putziger Überlebenskampf

Es gibt Begriffe, die bei Spielbeschreibungen inflationär verwendet werden. Wie z.B. „Roguelike“, das von Indie-Entwicklern zu häufig als Allheilmittel gesehen wird, um ggf. vorhandene Design-Schwächen zu übertünchen. Doch hinter Basingstoke, einem der vielen Titel, die sich mit dem Merkmal Roguelike schmücken, steckt das Team von Puppygames, dessen bisherige Titel wie Revenge of the Titans oder Ultratron durchaus unterhalten konnten. Wir haben uns für den Test in die gefährlichen, von Monstern bevölkerten Straßen der unscheinbaren britischen Kleinstadt begeben.

Zufälliger Überlebenskampf

Man sollte sich von der niedlich wirkenden isometrischen Kulisse mit ihren blockhaften Großkopf-Figuren und den stilisierten Umgebungen nicht einlullen lassen. Hinter Basingstoke steckt ein knallharter Überlebenskampf, der nur wenige Fehler verzeiht. Doch wie so häufig fängt alles harmlos an: Man ist zu einem Job-Interview bei einer Forschungs-Firma eingeladen. Doch während man im Tutorial durch die Gänge spaziert und bedingt durch eine Reparatur in den falschen Fahrstuhl einsteigt, nimmt das Unheil seinen Lauf. Eines der Experimente scheint mit fatalen Folgen schief gegangen zu sein. Nicht nur die Forschungsräume werden von Untoten sowie weiteren monströsen Gestalten heimgesucht. Nachdem man die Schleich-Mechaniken und das intuitive Crafting-System kennengelernt hat und schließlich die Flucht aus den Räumlichkeiten gelang, stellt man fest, dass auch die Straßen „draußen“ nicht mehr sicher sind. Es gibt nur eine Option: Man muss Basingstoke verlassen, komme was wolle. Und das gestaltet sich als erstaunlich schwieriges Unterfangen. Auch weil die einzelnen Abschnitte, die einen von Stützpunkt zu Stützpunkt (samt Speicherpunkt) lotsen, in einigen Bereichen per Zufall zusammengesetzt sowie stets aufs Neue von den durchaus zahl- sowie abwechslungsreichen Gegnern bevölkert werden.

Alles beginnt extrem harmlos. Doch schnell bricht die Hölle los...
So wird jeder neue Anlauf zu einem spannenden Unterfangen, da man nie wirklich sicher sein kann, ob die Hilfsmittel, Waffen usw. an den gleichen Orten zu finden sind und ob sie überhaupt bei diesem Durchlauf auftauchen. Schafft man es, den widrigen Umständen zum Trotz den nächsten Speicherpunkt zu erreichen, werden alle bis hierhin gesammelten Materialien deponiert. Je nach Rucksackgröße kann man ein paar davon mitnehmen, um nicht vollkommen unvorbereitet den nächsten Abschnitt beginnen zu müssen. Interessanterweise hat Puppygames es geschafft, innerhalb dieser Zufälligkeit eine spannende Dramaturgie zu entwickeln. Ist man anfänglich vielleicht nur mit einem brüchigen Billiard-Queue unterwegs, der den Gegnern kaum Schaden zufügt, sie aber wenigstens temporär ausknockt, hat man später u.U. eine deutlich stabilere Nahkampfwaffe wie z.B. ein Brecheisen oder kann sogar Projektilwaffen finden bzw. entwickeln. Damit lassen sich dann kleinere Feinde permanent ausschalten – was allerdings dadurch relativiert wird, dass man sich nun auch größeren Gegnern gegenüber sieht, die Flucht oder schleichendes Vorgehen erfordern. Sprich: Man wird immer auf Trab gehalten.

Realistische Überlebenschance

Mit einem Flammenwerfer kann man die Feinde effektiv dezimieren.
Schön ist auch, dass man nie das Gefühl hat, chancenlos zu sein – was bei einigen Titeln mit zufällig generierten Inhalten durchaus mal vorkommen kann. Selbst wenn man durch Unvorsichtigkeit oder Selbstüberschätzung in eine Situation geraten ist, in der man von einer Hand voll Monster verfolgt wird, gibt es eigentlich immer einen Ausweg. Entweder indem man versucht, sich in ein Versteck wie z.B. einen Müllcontainer zurückzuziehen. Oder aber, indem man die Flucht durch die nächste Tür ergreift, durch die die Feinde im Normalfall nicht folgen. Noch besser ist es natürlich, wenn man solche gefährlichen Situationen gar nicht erst entstehen lässt. Hier greift u.a. die überraschend gut funktionierende Schleichmechanik. Per Knopfdruck kann man die Spielfigur, die wie in einem Twinstick-Shooter gesteuert wird (linke Hand bzw. Stick am Gamepad für Bewegung, rechts für Blick-/Angriffsrichtung) in den Stealth-Modus versetzen. Hier erzeugt man nicht nur deutlich weniger Geräusche, auf die die erstaunlich hellhörigen Untoten reagieren. Man kann sich mitunter auch recht nah an den Feinden vorbeimogeln, insofern dies in ihrem Rücken passiert – inkl. Spannung und gelegentlicher Schnappatmung, wenn der Gegner sich umzudrehen scheint.

Auch die zweite größere Überlebens-Mechanik, das improvisierte Herstellen von Gegenständen, hilft ungemein. Dabei muss man allerdings keine Rezepte auswendig lernen oder das Internet bemühen, um herauszufinden, was Gegenstand A in Kombinationen mit Gegenstand B oder C macht. Sobald man in seinem Inventar etwas hat, das sich verbinden lässt, wird dies auf dem Bildschirm angezeigt. Jetzt kann man in das Herstellungsmenü springen und sofort sehen, was zur Verfügung steht und welche Auswirkungen dies auf die Umgebung oder die Gegner hat - viel einfacher und unkomplizierter geht es nicht. So kann man sich z.B. ein Getränk mixen, dass kurzzeitig die Sehkraft im Dunkeln erhöht oder einen Köder für die Monster zusammensetzen, der idealerweise auch noch explodiert oder sie anderweitig schädigt. Man kann sich auch behelfsmäßige Waffen basteln. Das Repertoire ist erstaunlich groß, überrascht immer wieder und gibt einem beim Versuch, aus Basingstoke zu entkommen, neue Optionen an die Hand.

Gehe nicht ins Licht

Licht spielt nicht nur zum Spannungsaufbau eine Rolle. Gegenstände lassen sich nur entdecken, wenn man die Orte vorher ausgeleuchtet hat.
Licht spielt in den häufig düsteren sowie mit einer bedrückenden, für zusätzliche Spannung sorgenden Klangkulisse versehenen Abschnitten eine entscheidende Rolle. Denn nicht nur, dass über die dynamischen Lichtquellen mit ihrem Schattenwurf jedes der abwechslungsreichen Gebiete eine ganz besondere Stimmung generiert wird. Selbstverständlich werden die Gegner auch schneller auf einen aufmerksam, wenn man durch die Scheinwerferstrahlen stolziert. Und die für die Herstellung wichtigen Gegenstände findet man auch nur, wenn die Behältnisse (inkl. durchsuchbarer Leichen) vorher von einer Lichtquelle markiert und als Beuteoption markiert werden. Da aber die Feinde auch extrem schnell auf die Taschenlampe aufmerksam werden, die man mit sich führt, sollte man die Funzel trotz des Wunsches nach reicher Beute nur sparsam nutzen, wenn man nicht einen ganzen Trupp an Zombies hinter sich herschleifen möchte.

Die simple, aber gelungene Schleichmechanik proftiert von der düsteren Kulisse.
Obwohl Puppygames mit Erfolg viele Hindernisse umschifft, die Spiele mit zufällig generierten Inhalten zum Stolpern bringen, stellt man auch hier einige Unarten fest. Dazu gehört z.B. eine gewisse Glücksabhängigkeit. Wenn bei der Erstellung des Levels gleich im ersten oder zweiten Raum eine potente Schlagwaffe deponiert wird und damit die Überlebenschancen massiv erhöht werden, ist die Freude auf Spielerseite groß. Gleiches gilt, wenn man den Safe öffnet, den man per Zufall entdeckt und sich auf die gefährliche, aber erfolgreiche Suche nach einem Code dafür gemacht hat und einem eine Pistole mit Elektromunition in die Hände fällt. Wenn man dann aber bei einem weiteren Versuch den halben Abschnitt auf eine einigermaßen vernünftige Waffe wartet oder der Tresor nur ein Gagdet ausspuckt, das die Suche nach Gegenständen erleichtert, stellt sich die Frage nach der Verhältnismäßigkeit. Doch der Wunsch, sich trotz dieser gelegentlich frustrierenden Zufallsausschüttung erneut mit der Überlebensflucht auseinanderzusetzen, gewinnt schließlich doch die Überhand. Auch, weil die Sterbesequenzen inmitten der niedlich wirkenden Kulisse erstaunlich kompromisslos umgesetzt werden.

Fazit

Puppygames ist immer wieder für eine Überraschung gut. Nachdem sich die Briten mit schwankendem Erfolg, aber zumeist unterhaltsam unterschiedlichen Genres wie Tower Defense, Arcade-Klassiker oder Twinstick-Shooter gewidmet haben, nehmen sie sich nun einer Mischung aus Stealth-Action und Überlebenskampf an. Dieser wird auf den ersten Blick zwar mit einer niedlichen Blockgrafik inszeniert, hat es aber faustdick hinter den Ohren. Die Flucht aus der von Monstern überrannten Kleinstadt verbindet Action, spannende Schleichsequenzen und die clever gelöste Herstellung von mehr oder minder nützlichen Gegenständen zu einem interessanten Spielerlebnis. Bei den zufällig generierten und mit Feinden sowie Gadgets bestückten Abschnitten stört allerdings der Glücksfaktor. Basierend auf Monster-, Raum- und Gegenstandsverteilung kann der Schwierigkeitsgrad und damit auch der Frustfaktor sowie die Motivation stark variieren.

Pro

simple, aber gut funktionierende Schleichmechanik
spannender Überlebenskampf
abwechslungsreiche Kulisse
intuitive Gegenstands-Herstellung
bedrückende Akustik

Kontra

gelegentlich aufkommender Frust bei unglücklicher zufälliger Level-Erstellung
Pad-Steuerung etwas träge
hohe Glücksabhängigkeit

Wertung

PC

Hinter der putzigen Oberfläche mit ihren Großkopf-Figuren steckt ein kompromissloser Überlebenskampf mit simpler Schleichmechanik und einer relativ hohen Glücks-Abhängigkeit.

Echtgeldtransaktionen

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