Second Sight13.02.2005, Mathias Oertel
Second Sight

Im Test:

Auf den Konsolen ist der Wissenschaftler John Vattic mit seinem Abenteuer Second Sight (ab 2,15€ bei GP_logo_black_rgb kaufen) schon lange ein guter Bekannter. Mit der PC-Premiere des Free Radical-Teams dürfen nun auch Mauszocker in das PSI-Action-Spektakel einsteigen. Ob die Rechenknecht-Version ähnlich gut wie PS2 bzw. Xbox (jeweils 82%) abschneiden kann?

John Doe, ähhh… Vattic

Mit dem Namen John Doe werden in Amerika alle Patienten bezeichnet, deren Identität unbekannt ist. Und genau so fühlt sich der Hauptcharakter von Second Sight. Sein Nachname ist zwar Vattic und nicht Doe, aber ansonsten gibt´s zahlreiche Parallelen: Geschunden und entstellt wacht John in einem Versuchslabor auf und hat nur auf Grund eines Armbands mit seinem Namen eine Ahnung, wer er überhaupt ist.

Telekinese + überzeugende Physik = Platz für Experimentier-Freunde
Doch das ist nicht alles, was verstörend auf ihn wirkt: Er stellt fest, dass er übersinnliche Fähigkeiten besitzt, die anfänglich allerdings nicht die Manipulation von Gegenständen durch pure Gedankenkraft übersteigen. Doch er muss nicht nur zahlreiche neue PSI-Fähigkeiten entdecken und beherrschen, um hinter das Geheimnis seiner Gefangennahme zu kommen. Auch Geschick mit Waffen und im Nahkampf werden gefordert. Und wenn alle Stricke reißen, kann John auch noch auf Tauchstation gehen und versuchen, die Gegner durch Schleicheinlagen in die Irre zu führen.

Wer bin ich?

Nach einer kurzen Introsequenz wachen wir mit John Vattic in einem verriegelten Raum auf und werden Zeuge, wie er seine erste PSI-Fähigkeit Telekinese erlernt, womit auch gleichzeitig das Tutorial beginnt.

Der Einstieg in die interessante und spannend erzählte Story ist durchweg gelungen und bildet eine schöne Grundmotivation, sich durch die etwas sterilen Gänge und Räume des geheimen Labors zu schlagen. Dabei wird die Atmosphäre sehr stark von der Musik und der englischen Sprachausgabe unterstützt.

Einen interessanten Twist erhält die Geschichte durch gelegentliche Abstecher in John Vattics Vergangenheit: Denn hier seht ihr nicht nur, wie euer Held vor seinen vermeintlichen Folterungen aussah –wie eine Mischung aus einem erwachsenen Harry Potter und Gordon Freeman-, sondern bekommt weitere Einblicke, wieso es zu seinen Veränderungen gekommen ist. Erwähnenswert ist, dass der Spieler niemals mehr weiß, als John Vattic selber und dadurch sehr intensiv in das Abenteuer eingebunden wird.

Das Sniper-Feature ist anfangs etwas gewöhnungsbedürftig, aber ein innovativer Schritt, den man in zukünftigen Titeln wiedersehen möchte.
Schöner Action-Mix

Zwar dreht sich in erster Linie alles um das möglichst geschickte Ausschalten oder Umgehen der Gegner und kleine logische Rätsel, doch die Art und Weise, wie diese Elemente angegangen werden können, lädt zum Experimentieren ein.

Die Psi-Fähigkeiten haben wir ja schon erwähnt: Neben der Telekinese warten auch noch Heilung, Verwirrung (quasi eine Unsichtbarkeitsfunktion), der Psi-Schlag (immens effektiv und in mehreren Stufen verfügbar) und die Projektion (Vattic kann einen Astralkörper bilden, sich mit ihm bewegen und sogar in andere Figuren hineinschlüpfen, diese steuern) auf ihre Entdeckung.

Doch da Vattic auch im Umgang mit Schusswaffen erfahren ist und die Psi-Energie, die ihm zur Verfügung steht, nicht ewig reicht, könnt und müsst ihr ab und an auch mit Waffengewalt durch die Abschnitte jagen. Allerdings seid ihr vor allem mit dem John Vattic der Gegenwart in Feuergefechten meist unterlegen, so dass ihr diese Methode hier nur im Notfall wählen solltet.

In diesem Zusammenhang muss noch erwähnt werden, dass ihr keine Chance habt, einen Abschnitt von Gegnern zu leeren – irgendwann sind die Wachen (bzw. ihre Kollegen) wieder im Einsatz.

Die Rätsel, die auf euch warten, bewegen sich anfänglich auf der typischen "Karte suchen und benutzen"-Ebene, werden aber später durch Aufgaben abgelöst, die eng mit den Psi-Fähigkeiten zu tun haben. Dabei werden die kleine grauen Zellen zwar nur selten übermäßig strapaziert, doch sie bieten eine willkommene Abwechslung vom Action-Alltag.    

Doch so viele Möglichkeiten und Freiheiten es auch gibt, um die eher mäßig intelligenten Gegner zu besiegen bzw. in die Irre zu führen, wird man nie das Gefühl los, dass man dem vorgesehenen Weg der Entwickler folgt. Doch dies ist ein Problem, das viele Spiele dieser Art haben, weswegen es nicht sehr stark in der Endwertung zu Buche schlägt.

Unsichtbar geht das Schleichen einfach von der Hand - allerdings sollte man immer ein Auge auf den Energievorrat haben.
Passable Steuerung, gute Physik

Dass das Free Radical-Team nur selten mit PC-Entwicklung zu tun hat, merkt man vor allem der Steuerung an: Im Großen und Ganzen reagiert John auf eure Maus-/Tastatur-Eingaben zwar schnell und akkurat, doch die zahlreichen Aktionen, die Vattic zur Verfügung stehen, sind weder optimal noch intuitiv auf das Keyboard gelegt. Daher heißt es immer wieder probieren, bis ihr die Einstellung gefunden habt, die euch liegt.

Beim manuellen Zielen hingegen (auf den Konsolen viel zu sensibel) ist ein deutlicher Fortschritt festzustellen, der vorrangig der feinfühligen Mauskontrolle zuzuschreiben ist.

Free Radical hat ein überzeugendes Physiksystem eingebaut: John kann z.B. per Gedankenkraft Gegenstände aufnehmen und sie seinen Gegnern entgegen werfen. Später könnt ihr sogar Personen durch die Luft schleudern, um die Physik haargenau auszutesten.

Insgesamt wird allerdings nicht ganz die Qualität von z.B. Havoc erreicht, was den Experimentierspaß jedoch nicht mindert.

Aufgemotzter Texturen-Durchschnitt

Da man neben Second Sight auch noch an TimeSplitters Future Perfect arbeitet, ist es nicht verwunderlich, dass für die grafische Gestaltung eine Engine verwendet wurde, die auf Teil 2 der Shooter-Serie basiert. Die Vorteile sind offensichtlich: schönes Figurendesign, feine Animationen und nette Lichteffekte erfreuen das Auge. Bei den Umgebungen hat man sich allerdings nicht so sehr ins Zeug gelegt: Die Sterilität der Texturen in den Laborräumen kann man noch weitestgehend verzeihen, da Krankenhäuser, Labors usw. immer

Was ist mit John Vattic passiert? Es liegt an euch, dies herauszufinden.
tiptop sauber sind. Bei den Außenabschnitten, die euch vor allem in der Vergangenheit begegnen, sind die Texturen nur guter Durchschnitt.

Doch im Vergleich zu den Konsolen-Fassungen sieht Second Sight dank der höher aufgelösten Texturen deutlich besser aus – ohne all zu großen Hardware-Hunger.

Bei der Kameraführung habt ihr die Wahl: Entweder ihr entscheidet euch für feste Perspektiven im Stile bekannter Capcom-Titel oder ihr wählt eine frei justierbare Schultersicht, die dem üblichen 3D-Action-Standard entspricht. Die Vorteile jeder Perspektive liegen auf der Hand: Mit den festen Positionen wird Filmatmosphäre aufgebaut, wobei allerdings die Übersicht ab und an verloren gehen kann. In der Schulterkamera hingegen habt ihr fast immer alles im Überblick, bekommt aber evtl. nicht ganz so starke Atmosphäre geliefert. Da ihr aber jederzeit umschalten könnt, bleibt es euch überlassen, ob ihr Second Sight als Film oder "herkömmliches" Spiel genießt.

Doch egal für welche der Varianten ihr euch entscheidet, gibt es immer wieder kleinere Kameraprobleme, wenn ihr zu nah an einer Wand steht: Die Regie kann sich für keine still stehende Perspektive entscheiden, so dass das Bild unruhig hin und her springt. Und bewegt man sich dann schließlich, kann es passieren, dass man genau in dem Moment die Kontrolle ergreift, wenn die Kamera in die andere Richtung springt. Ergebnis: leichte Orientierungslosigkeit, die für einige (evtl. extrem wertvolle) Zehntelsekunden anhalten kann.

Hat man sich allerdings an dieses Manko gewöhnt, kann man versuchen, vorausschauend das Problem zu umschiffen, indem man schon vorab ahnt, ob die Kamera wieder zu Zuckungen neigt.    

Fazit

Was auf PS2 und Xbox überzeugt hat, zieht auch auf dem PC: PSI-Fähigkeiten, Stealth-Action, spannende Story. Kleine Probleme der Konsolen-Fassungen wie das sensible manuelle Zielen gehören dank Maus der Vergangenheit an, werden aber durch neue ersetzt, die auch die höher aufgelöstere Grafik nicht retten kann. Denn die Steuerung insgesamt wurde eher zweckmäßig auf den Rechenknecht portiert und ist per Standard nicht intuitiv belegt. Zusammen mit den dadurch entstehenden Kameraproblemen, die teilweise auch zur Desorientierung führen können, nagt der Frust ab und an am Spielspaß. Da aber PsiOps, der ärgste Second Sight-Konkurrent auf Konsolen, nicht auf dem PC erscheint und der Stealth-PSI-Action-Mix daher auf Megahertz-Protzen einzigartig ist, könnt ihr bedenkenlos zugreifen; zumal der Titel von Codemasters als Midprice-Spiel vertrieben wird.

Pro

gut inszenierte Stealth-Action
PSI-Fähigkeiten
filmreife Story
überzeugendes Physik-System
logische Rätsel
gute Sprachausgabe
interaktive Umgebungen
attraktiver Preis

Kontra

biedere Texturen
sterile Umgebungen
teils abgehackte Animationen
immer wieder auftauchende Kameraprobleme
ab und an fitzelige Steuerung

Wertung

PC

Auch abseits der TimeSplitters-Serie gute Kost von Free Radical!

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