Medieval Lords: Bauen, Verteidigen, Erobern26.08.2004, Bodo Naser
Medieval Lords: Bauen, Verteidigen, Erobern

Im Test:

Für alle, die gerne Städte im Mittelalter zimmern, wäre wohl eine Mischung aus Stronghold und Caesar genau das Richtige, versehen mit einer stilechten 3D-Fachwerkkulisse. Ähnlich süchtig machende Eigenschaften vereinigt nun Medieval Lords von Monte Cristo. Ob das intelligent verzahnte 3D-Aufbauspiel damit auch locker die magische 80 Prozent-Burgmauer durchbricht?

Eiskalt verkalkuliert

Jetzt reicht's! Die Nordmänner melden sich von Zeit zu Zeit in eurem bescheidenden Landstrich, um saftige Tribute zu kassieren. In letzter Zeit werden ihre Forderungen aber immer unverschämter, so dass die Zahlungen ein Loch in euren klammen

Euer schmuckes 3D-Fachwerkstädtchen in der Nahansicht, bei der  die Personen  schemenhaft bleiben.   
Säckel reißen würden. Ihr fühlt euch gut genug gerüstet, um ihr Ansinnen dieses Mal abzulehnen. Leider habt ihr nicht damit gerechnet, dass die Drachenboote so weit hinten in der Inselwelt auftauchen, denn eure Stadt ist dort kaum bewacht. Als euer Bergfried fällt, müsst ihr nach dem demütigenden "Game Over" auch noch eurer Hinrichtung beiwohnen...

Komplexe Aufgaben

Derart schnell kann eine Partie Medieval Lords zu Ende gehen. Gefordert ist nämlich nicht nur der von stilechter Abenteuerfilmmusik untermalte Bau einer möglichst gut aufeinander abgestimmten Fachwerkstadt, sondern auch der ausreichende Schutz derselben. Denn mit Räubern, Wikingern und neidischen Nachbarn, die euch ans Leder wollen, ist nicht zu spaßen Außerdem dezimieren Zufallsereignisse wie Dürre, Fischmangel oder Pest eure Bewohner. Verglichen mit der Preview wurde dennoch der Schwierigkeitsgrad angepasst, so dass das Spiel nun auf Stufe "Mittel" gut spielbar ist. Zudem führt euch eine Tutorial-Mission in die anspruchsvolle Planung ein.

Schmucklose Präsentation

Die fordernde Kampagne besteht aus zehn langen Missionen, die in unterschiedlichen 3D-Umgebungen wie Tälern, Seen oder Inselarealen spielen. Schade ist, dass ihr eine durchgehende Story mit strahlenden Rittern und Burgfräulein wie etwa bei WarCraft 3 vergebens sucht, weshalb die Levels erzählerisch in der Luft hängen. Die Kampagne hinterlässt daher einen recht unfertigen Eindruck, da ihr die innere Verbundenheit fehlt. Auch ein freier Modus existiert nicht, eigene Szenarien lassen sich jedoch problemlos mit dem beiliegenden Editor erzeugen. Leider verfügt das Spiel auch nicht über einen Multiplayer-Modus, bei dem ihr gegen menschliche Burgherren antreten könntet. Der fordernden Aufbauarbeit tut das keinen großen Abbruch, da sie aufgrund neuen Gegebenheiten und Zusatzaufgaben (z.B. einen großen Leuchtturm bauen) immer wieder von Neuem Spaß macht.

Brücken zwischen den Inseln sorgen für Verbindung, denn Schiffe haben nur die Wikinger. 
Wirkung der Gebäude

Das komplexe Gameplay verlangt eine genaue Planung, denn oft wird es recht eng innerhalb eurer Befestigung. Die fast 100 Gebäude wollen also durchdacht errichtet sein, weshalb ihr etwa die Größe der Kornfelder selbst bestimmen könnt. Zudem entfaltet jedes Gebäude eine Fernwirkung, so dass z.B. von einem Schweinestall nicht nur frisches Fleisch ausgeht! Doch manche Einrichtung besitzt auch positive Effekte: So sorgen etwa Kräuterhexe, Holzkapelle und Obstgarten für mehr Gesundheit und Wohlbefinden. Zudem beeinflussen sich die Bauten untereinander; ein im Einzugsfeld einer Kuhweide liegendes Feld wirft daher mehr ab. Schritt für Schritt erfüllt ihr so die Grundbedürfnisse eurer Bürger, die daraufhin zahlreich in die Stadt strömen. Wohlhabendere Häuser und steigende Steuereinnahmen sind die Folge.

 

Mit goldenem Boden

Elementar wichtig sind die Handwerksbetriebe, die in Medieval Lords quasi den Fortschritt während der dunklen Epoche repräsentieren und dem Spiel zusätzlich Tiefe verleihen. Errichtet ihr einen Schmied, so kommen neue Bauoptionen hinzu, die eurem anfangs mickrigen Städtchen zu einem neuen Aufschwung verhelfen können.

In euren Ländereien geht es manchmal ganz schon eng zu! Da hilft nur eine Expansion.
Durch einen Maurer könnt ihr auch die Standfestigkeit eurer Festungsmauern verbessern, die wie bei Stronghold mit einer primitiven Palisade samt Holzbergfried anfangen. Doch nur wenn die Wehrgänge und Wachtürme auch bemannt sind, fühlen sich die Bürger einigermaßen sicher. Die einzelnen Optionen könnt ihr euch im integrierten Forschungsbaum anschauen.

Simple Waffengänge

Die umständlich zu bedienenden Kämpfe zur Erweiterung eures Territoriums fallen simpel aus - es  existieren daher kaum taktische Möglichkeiten. Da euer Gebiet begrenzt ist, steht öfters eine Erweiterung per Waffengang an. Zu diesem Zweck verlagert ihr eure Truppen, deren Zahl übrigens von den Einwohnern abhängt, ins Nachbarland, wo sie dann ein Lager aufbauen. Eine viel zu kurze Phase des Waffenstillstands ("Gottesfrieden" genannt) folgt, bei der ihr im Feindesland begrenzt Türme und Belagerungsmaschinen errichten könnt, welche die Schlagkraft eurer Recken steigern. Dann kommt eine automatisch ablaufende Schlacht, in deren Folge hoffentlich die Eroberung des Landes steht. Diplomatie mit der aggressiven Computergegnern ist leider nicht möglich.

Unangenehm aufgefallen

Medieval Lords läuft nun viel runder als noch in der Preview-Fassung. Allerdings ist es nicht frei von Bugs: Einer liegt beispielsweise darin, dass sich die Bergfriede nach dem Kampf teilweise nicht mehr mit der vollen Zahl von Wachen bestücken lassen. Darüber hinaus ist das Treiben immer wieder von unschönen Rucklern begleitet, die nicht allein an der Hardware liegen können.

Durch verschönernde Bauten und Gärten könnt ihr das Wohlbefinden eurer Bürger stärken.
Auch die Rekrutierung der Soldaten und Ritter ist mehr als hakelig, da ihr immer wieder Probleme habt, die Streiter richtig zu verteilen. Und das liegt nicht nur am umständlichen Ablauf der Aushebung selbst.

Prächtiges 3D-Städtchen

Die liebevolle 3D-Darstellung der mittelalterlichen Fachwerkhäuser kann sich auch beim Heranzoomen sehen lassen, so dass tatsächlich uriges Stadtflair entsteht. Auch die Animation der auf den Straßen umherstreifenden Personen und Tiere wurden nach unserer Preview verbessert, so dass diese nun nicht mehr ganz so unscharf aussehen. Mit der kleinteiligen Darstellung eines Caesar oder Stronghold kann das leider nicht mithalten, da die Figuren lediglich als Zierde dienen und nicht tatsächlich das Treiben der einzelnen Arbeiter widerspiegeln. Auch die Landschaft ist trotz der Berge und Täler eher schematisch dargestellt, so dass sie insgesamt zu unbelebt wirkt. Videosequenzen sind bis auf das gerenderte Intro Fehlanzeige.

 

Fazit

Medieval Lords hatte das Zeug zu mehr: Der komplexe Aufbauteil animiert einfach zum ständigen Weitermachen - hier noch ein Scheiterhaufen, da noch ein Türmchen oder ein Kirchlein. Euer mittelalterliches 3D-Städtchen wächst architektonisch ansehnlich zu einem organischen Gewusel aus Fachwerkhäusern, Schweineställen und Brunnen. Und dabei müsst ihr geschickt planen und effektive Kompromisse eingehen. Trotzdem können wir leider keine 80 Prozent vergeben, da die aufkeimende Spielfreude ab und an gedämpft wird: Die Kämpfe sind lieblos inszeniert, fummelig zu bedienen und verlangen keine Taktik. Hinzu kommt die eher lustlose Präsentation, denn es gibt keine durchgehende Geschichte und auch Zwischenfilmchen sucht man vergeblich. Schmerzlich ist auch das Fehlen eines Multiplayer-Modus. Fans der Zeus-Reihe sollten sich das Spiel trotzdem einmal anschauen, denn unterm Strich sorgen die süchtig machende Planung und Verwaltung für zahllose gemütliche Aufbaustunden.

Pro

<P>
süchtig machendes Prinzip
fordernder Schwierigkeitsgrad
Handwerker bedeuten Fortschritt
Fernwirkung der Gebäude
Zufallselemente
schmucke 3D-Städtchen
passende Musik
Karten-Editor
Zusatzaufgaben sorgen für Abwechslung&nbsp;(z.B. Leuchtturm vollenden)</P>

Kontra

keine Story in der Kampagne
kein freier Modus
zu simple Kämpfe
keine Diplomatie
teils umständliche Steuerung
schmucklose Aufmachung
keine Zwischensequenzen
kein Multiplayer

Wertung

PC

Süchtig machendes Aufbauspiel. Allerdings fehlt mir der letzte Pfeffer in Sachen Grafik und Taktik.

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