Strength & Honour04.09.2006, Jörg Luibl
Strength & Honour

Im Test:

Ist das nicht der Stoff, aus dem Feldherrenträume gemacht werden: Ein "Strategie-Epos um historische Schlachten, Ruhm und Ehre!" Das verspricht euch vollmundig Strength & Honour aus dem Hause The Games Company. Herrlich, oder? Spätestens, wenn ihr es installiert habt, wird euch der Schlag treffen. Dieses Spiel ist mit Abstand das schlechteste, was mir seit Jahren auf den Schreibtisch geflattert ist.

Antiker Bekannter

Erinnert ihr euch vielleicht? Strength & Honour hatte bereits am 8. Juni 2004 seine Aufwartung gemacht. Hier unser Ausblick aus der Vorschau,

Schon 2004 war Strength & Honour (ab 2,20€ bei kaufen) keine Augenweide. Die veraltete Kulisse kann im Zeitalter von Medieval 2 nicht mehr begeistern.
der auch gleich alle wichtigen Informationen zusammen fasst:

"Grundsätzlich ist es zu begrüßen, dass ihr bei einem in der Antike angesiedelten Runden-Strategiespiel auf der ganzen damals bekannten Welt kämpfen dürft. Gerade ein Kampf Römer gegen Chinesen ist sicher sehr reizvoll, vorausgesetzt die Schlacht sieht dann auch ähnlich opulent wie bei Rome aus. Spielerisch besitzt Strength and Honour viele gute Ansätze wie Philosophie, Spiritualität, Ehre und die Schlachten, bei denen ihr bis in kleinste Glied kommandieren dürft. Allerdings muss dann auch die Umsetzung stimmen und gerade daran hapert es beim schwer steuerbaren Spiel der Takeda-Macher noch. Die durch schnödes Zahlenwerk gekennzeichnete Reichsverwaltung wird rasch öde und die Aufstellung der Armee mit einzelnen Soldaten ist unnötig kompliziert. Das Ganze wird außerdem auf eine wenig ansprechende Art serviert, was hauptsächlich an grafischen Unzulänglichkeiten liegt. Bis zum in den Sternen stehenden Release könnte Strength and Honour daher noch viel Feinschliff vertragen."

Texte aus der Hölle

Jetzt könnte man meinen, dass zwei Jahre für "Feinschliff" genügen müssten. Zum Beispiel für lesbare Texte. Aber das, was man hier zu lesen bekommt, ist unter aller orthografischer Sau: Die Texte strotzen nur so vor Rechtschreib- und Satzzeichenfehlern. Was sind bitte "Revalen"? Was ist ein "bittern Krieg"? Aus den Seleukiden werden die "Selekuiden", es gibt keine karthagischen, sondern "karthagosche Streitkräfte", da wird nicht gegen Marc Anton, sondern "Marc Antony" gekämpft, aus Ptolemaios wird mal eben "Ptolemies". Ja, das ist richtig mies. In den Statistiken finden sich zudem obskure Abkürzungen wie "Jhr. Gedi" oder eine interessante Wortneuschöpfung namens "PrmierminstschftMikachter". Hallo wer?

Wer soll sich bitte noch in den Daten austoben wollen, wenn es diese elenden Grafikfehler im Text gibt? Und wie sollen sich

Statik pur: Nicht der Hauch einer Bewegung, kaum Interaktionen - die Benutzeroberfläche ist spröde, visuelles Feedback Mangelware.
Einsteiger in die Rundenwelt der Antike mit ihren Dutzenden unerklärten Statistiken eingewöhnen, wenn es kein Tutorial gibt? Ähnlich wie Civilization 4 serviert euch Strength & Honour eine komplette rundenbasierte Reichsverwaltung mit Gebäude- und Strukturenbau, Untertanensystem, Kultur, Steuern und großen Einflusskarten. Aber das Ganze ist so dermaßen spröde und erschreckend statisch, die Icons so grob und hässlich, kein Klick auf weiterführende Informationen auffindbar, dass man sich durchs Handbuch quälen muss - das ist übrigens noch das beste am Spiel: sieht gut aus, kaum Fehler, gute Texte.

Historisch inkorrekt

Aber im Spiel werden selbst historische Fakten ignoriert: Der Zweite Punische Krieg , der von 218 - 201 v. u. Z. tobte, wird einfach mal ins Jahr 231 v. u. Z. verlegt. Das ist peinlich. Und es geht noch weiter: Missionsbeschreibungen müssen mich nicht fesseln. Sie müssen auch keinen Pulitzer gewinnen. Aber sie dürfen sich in einem historischen Strategiespiel nicht wie schlechte Schüleraufsätze lesen. Es gibt Formulierungen, die bei einer gewissenhaften Korrektur nie überlebt hätten:

"Wieder einmal verschlingen Auseinandersetzungen die Welt."

Wann denn? Wo denn? Wer? Und wenn, dann bitte Kriege!

"Er will die Römer zerstören, die er so sehr hasst."

Vernichten. Vernichten. Vernichten.

"Wir haben die Flagge des Feindes heruntergeschnitten!"

Vom Baum? Vom hohen Sockel?

         

Military Lemmings IV.

Man könnte auch meinen, dass das Spiel in der Zeit wenigstens technisch richtig poliert und grafisch modernisiert wurde. Vielleicht ein klein wenig Wellenbewegung auf der Karte des Mittelmeerraumes? Nein. Vielleicht scharf gezeichnete

Trotz sehr vieler Formationstypen: Die Schlachten enttäuschen mit lemminghaften Bewegungen und einigen taktischen Inkonsequenzen.
Anführerportraits? Hier gibts verwaschene Icons. Immerhin gibt es mittlerweile Spiele wie Medieval 2 , die das Wesen einer Feldschlacht neu definieren. Es soll sogar so etwas wie ein Mittendringefühl geben. Aber bitte: So hoch wollen wir die Messlatte ja gar nicht hängen: Es gibt auch Spiele wie Cossacks 1 aus dem Jahr 2002 (!), an die Strength & Honour nicht mal ansatzweise rankommt. Selbst so manches Browsergame kann heutzutage für viel weniger Geld viel mehr bieten.

Das, was mir bei der ersten Feldschlacht in Ägypten begegnet, könnte auch als "Military Lemmings" durchgehen: Was auf den ersten Blick aufgrund der Weite und der hübsch aufgereihten Legionen noch einigermaßen ansehnlich ist, verwandelt sich zu Beginn der Schlacht in einen Pixelkrieg von anno dazumal. Roter Mischmasch in Reih und Glied trifft auf grünen Mischmasch. Wer dann noch reinzoomt, wird ins letzte Animationszeitalter zurückgebeamt. Pferde drehen sich im Kreis, Legionäre stampfen wie Pacmans vorwärts, Reiter galoppieren auf Schienen. Wobei ich den ersten Lemmingen noch bessere Noten in Sachen Bewegungskultur geben würde - oh, was sieht das schlecht aus. Was bringt mir da noch ein Wettersystem, das sich auf das Kampfverhalten auswirkt?

Schein der Komplexität

Das Schlimme ist, dass Strength & Honour mit seinen komplexen Formationssystemen, seinem weiten Gelände und den dadurch umfassenden taktischen Möglichkeiten eigentlich genau meinen Nerv treffen müsste: Man kann lange Reihen und tiefe Staffeln bilden, gezielt Stellungen halten, zum Sturmangriff blasen und sich geordnet zurückziehen. Außerdem kann man nicht nur mit Galliern, Römern und Parther, sondern auch mit Indern und Chinesen antreten. Das ist viel Truppenholz und hört sich in der Theorie auch gut an, aber ist in der Praxis in Sachen KI und Steuerung eine Katastrophe.

Ihr wollt euch selbst eine Meinung bilden? Bitte, spielt die Demo:

Download DemoIch habe meine Legionäre in einer langen Linie angeordnet, meine Kommandeurs-Standarte offen dahinter in der Mitte. Obwohl die Ägypter an der linken Flanke eine deutliche Übermacht haben, bleiben sie lethargisch stehen und lassen sich abschlachten. Die Gegner-KI ist viel zu lethargisch und macht all die komplexen Manöver obsolet: Man kommt auch ohne sie schnell zum Sieg. Absolut inkonsequent ist das Verhalten der Kavallerie: Die feindlichen (!) Reiter bewegen sich an eine andere Stelle, indem sie von hinten durch meine (!) Reihen traben und keinerlei Schaden verursachen - au Backe.

Mal abgesehen von diesem Verhalten: Die Steuerung der Truppen ist eine einzige Farce. Ja, es gibt die Lassomethode, um Gruppen zu markieren. Aber erstens kann ich keine der wuseligen Truppen im Feld komfortabel anklicken. Sprich: Sobald es zur Sache geht, gehen meine Klicks im Feld ins Leere. Und zweitens versetzt ein Doppelklick auf ein Einheitensymbol, das mich übrigens noch nicht mal über Truppentyp oder Stärke informiert, die Kamera einfach irgendwo schräg hinter meine aktuelle Sicht. Wer sich vorher eine optimale Perspektive ausgesucht hat, darf wieder von vorne mit der Justierung beginnen. Ich werde in diesem Spiel so schnell, so oft frustriert, dass die Deinstallation und der Gedanke an Civilization und Rome eine einzige Wohltat sind.

     

Fazit

"Mit Strength & Honor veröffentlichen wir einen weiteren Midprice-Titel in einem sehr interessanten Genre, der unseren Anspruch untermauert, hervorragende Spielqualität zu einem fairen Preis anzubieten." Bin ich im falschen Film? Dieses Spiel ist eine Frechheit für knapp 30 Euro. Es sieht schlecht aus, es ist schlecht spielbar, es strotz vor Schlampigkeiten. Und es ist im Zeitalter von Medieval 2 oder Civilization IV ein einziger Software-Anachronismus, der höchstens mit einem fettem Budgetaufkleber auf dem Wühltisch existieren dürfte. Interaktive Menüs? Fehlanzeige. Komfortable Klicksteuerung? Nicht da. Gegnerverhalten? Miserabel. Spröder geht es nicht mehr. Ich verlange von einem Spiel nichts Weltbewegendes. Schon gar nicht von einem, das bereits vor über zwei Jahren mal angekündigt wurde, damals schon niemanden begeistern konnte und dementsprechend schnell in der Versenkung verschwand. Aber ich kann erwarten, dass es bei einer späteren Veröffentlichung gewissenhaft überarbeitet wird. Der frustrierende Ausflug in diese Antike, mit all ihren "Revalen" und "Selekuiden", mit all ihren elenden Grafikfehlern und Abkürzungsmonstern hat mich davon überzeugt, dass Pisa erst der Anfang war. Spielt lieber die ersten (!) Teile von Cossacks, Civilization oder Total War.

Pro

lesbares Handbuch

Kontra

kein Tutorial
Steinzeitkulisse
Rechtschreibfehlergala
unheimlich miserable Texte
historische Fehler
verwaschene Icons, leblose Karte
grottenschlechte Animationen
lemminghaftes Kampfgeschehen
inkonsequentes Gegnerverhalten
Grafikfehler in den Statistiken
wenig interaktive Benutzeroberfläche
wenig intuitive Truppensteuerung

Wertung

PC

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