Tony Tough 208.11.2006, Bodo Naser
Tony Tough 2

Im Test:

Was für eine Kindheit hatte wohl eine geborene Nervensäge wie Tony Tough? Diese und noch weit abgedrehtere Fragen beantwortet der zweite Teil des italienischen Point&Click-Adventures, das zeitlich vor Teil eins spielt. Klar, dass Tony mit seiner besserwisserischen Art wieder in das eine oder andere Fettnäpfchen tritt. Sorgen Sprachwitz und Rätselkultur für angenehme Knobelunterhaltung?

Welt der Outsider

Außenseiter haben es nicht einfach. In der realen Welt werden sie von ihren Mitschülern mit Dreck beworfen, beim Schulsport stets als Letzte ausgewählt und müssen später viel Geld für die privaten

Auch wenn ihr Äußeres Geschmackssache ist, skurrile Typen gibt es jede Menge.  
Sitzungen beim Psychiater ausgeben. In der Virtualität ist alles viel einfacher, denn hier gibt es genug Freaks. Da fällt auch ein Junge nicht groß auf, dessen Brillengläser so groß wie Klodeckel sind, während seine Comic-Gestalt auf lächerlich kleinen Füßchen durch die realistisch gehaltene Gegend tippelt. Niemand stört sich daran, denn die anderen sehen auch nicht besser aus.

Das Adventure läuft geradezu über vor Gestalten, die nicht nur rein äußerlich als Freaks durchgehen könnten. Da gibt es die zwergenhafte Mutter Tonys, die seit Tagen eine Sauce kocht. Es gibt den vertrottelten Lehrer, der keinen Hintern in der Hose hat. Oder den indianisch angehauchten Leichenbestatter, der in seinem Wohnturm dem Tequila frönt. Normal ist hier keiner, nicht einmal Tonys Schulfreunde. Am allerwenigsten der Meister aller Schwätzer selbst, der neuerdings auf rohe Amphibien steht und am liebsten aus dem winzigen Ort fliehen möchte.

Von Aliens entführt?

Das Kaff in der Wüste von New Mexiko, das selbstbewusst Washington heißt und in dem Tony sein Dasein fristet, ist aber nicht nur eine Insel der Abgefahrenen. Dort geschehen auch noch seltsame Dinge. Tonys Hündchen Pantagruel ist auch wieder mit von der Partie und nicht der Einzige, der plötzlich verschwindet. Auch der Bürgermeister ist seit Wochen verschwunden, sein stolzer Amtssitz verwaist. Niemand scheint zu wissen, wo es steckt. Der missmutige Postbote führt seine persönliche Volkszählung durch, die er jeden morgen nach unten korrigiert.

21 arme Seelen wohnen noch dort, als schließlich die Tante des Hausmädchens der Toughs das Zeitliche segnet und wenig später Cornelia selbst von der Bildfläche verschwindet. Es geht das Gerücht um, dass Außerirdische ihre Finger im Spiel hätten. Leider ist die Handlung alles andere als leicht zu verfolgen, was nicht nur an der abgespacten Story liegt. Es ist auch unverständlich, da es seltsame Déjà-vus, Wiederholungen und Rückblenden ohne große Erklärung gibt, die mehr verwirren als sie klären. Zu Beginn denkt ihr noch, dass das zum Mysterium gehört, aber weit gefehlt, denn es ist der zweifelhafte Erzählstil.

Nervensäge in Aktion

Auch die Qualität der humorigen Einlagen ist recht unterschiedlich. Szenen wie die wagemutige Flucht

Tony ist nicht nur der reine Sympathieträger. Bisweilen könnte er auch mal die Schnute halten, meinen nicht nur seine Spielkollegen.
aus der Schule, dem Hospital oder der Dialog im Baumhaus sind ganz eindeutig Highlights des ureigenen Witzes der Entwickler. Wer würde schon auf die Idee kommen, was Tony alles in Kauf nimmt, um dem ungeliebten Nachsitzen zu entrinnen. Neben allerhand klassischen Streichen, die er dem Lehrer erfolglos spielt, greift er zu guter Letzt zu einer lebenden Kröte...

Doch ist bei Leibe nicht alles witzig, was so gemeint ist. Es gibt Szenen da möchtet ihr Tony am liebsten zurufen, dass er doch mal für fünf Minuten die Klappe halten soll. Immerhin lassen sich die nervigen Ergüsse per Mausklick zum Stillstand bringen. Das Geschwafel, das nicht nur von ihm stammt, lenkt euch leider öfters vom Thema ab, weshalb ihr gänzlich den Faden verliert. Ebenfalls ein Nervfaktor ist die zeitgenössische Musik aus den 60ern. Bei Ankh: Herz des Osiris etwa gab es keine Nerveinlagen, weshalb es für Leute vorzuziehen ist, die sich schnell aufregen

                         

Kaum Rätsel

Das Adventure ist mit unter zehn Stunden recht kurz, was auch daran liegt, dass es nur wenig echte Aufgaben gibt. Die allermeisten Rätsel sind mäßig spannende Inventarrätsel, bei denen ihr einen oder

Solche Knobeleien sind die Ausnahme, Inventarrätsel die Regel.
mehrere Gegenstände einsetzen müsst. Obwohl es nicht viele Gegenstände gibt, ist es nicht immer ganz klar, wo ihr ihn nun einsetzen müsst, da einige Punkte wie etwa das Baumhaus gar nicht angezeigt werden. Da ihr in den Ort im wesentlich frei umherstreift, ist das ärgerlich. Bisweilen müsst ihr auch durch geschicktes Reden eine bestimmte Reaktion auslösen.

Um allerdings die Perücke zu ergattern, müsst ihr schon einiges anstellen. Das dafür notwendige Geld müsst ihr auch einmal durch ein Logikrätsel einsacken. Die Quests sind nicht immer logisch nachzuvollziehen, weshalb wieder einmal das schnöde Rumprobieren Erfolg bringt. Da ihr nicht viele Sachen habt, ist es schnell gemacht. Insbesondere bei so manchem Rätsel könntet ihr Tony den Kragen umdrehen, nicht nur weil er sich tollpatschig anstellt und so einiges versemmelt; sein Gelaber verzögert die Lösung oft unnötig.

Bugs

Manch ein Rätsel ist auch bugverseucht wie im Krankenhaus, wo die Seife so oft auf den Schrank fliegt, wie ihr sie in die Finger nehmt. Rein optisch liegt sie aber bereits auf dem Möbel, wird aber nicht dort oben angezeigt. Das Rätsel ist zum Glück lösbar, denn sonst würde es nicht weitergehen. Auch beim Knobel mit den Nägeln werdet ihr abgestraft, wenn ihr zwei Mal dasselbe Metallstück anfasst. Waren es nicht drei verschiedene Nägel, die ihr nicht bewegen dürft? Kleinere Stellen sind auch nicht übersetzt, was in erste Linie für die Zwischenblätter und weniger für die anderen Texte gilt.

60er-Jahre-Look

Optisch ist das Adventure ein zweischneidiges Schwert. Rein äußerlich betrachtet beeindrucken in erster Linie die Aufnahmen des Orts, die Häuser und die Umgebung. Für dieses Genre ist das alles sehr kunstvoll gestaltet und zugleich realistisch, da alles im Stil der 60er-Jahre gehalten ist. Weniger

Das zu erkundende US-Kaff bietet ohne Zweifel optische Highlights, die stilecht inszeniert wurden.
prickelnd sind die 3D-Figuren, die teils lächerlich rüberkommen. Natürlich sind es Comic-Charaktere, die von Natur aus seltsam aussehen, aber vieles ist einfach zu übertrieben. Die lächerlich winzigen Füße sind sicher nicht nach jedermanns Geschmack, auch weil sie im Gegensatz zu den wuchtigen Oberkörpern stehen. Dann gibt es wieder klapperdürre Bohnenstangen wie Cornelia, an denen die Frisur das Rundeste ist. Zwischensequenzen sind meist kurz und treten nur gelegentlich auf.

Durchwachsene Sprachausgabe

Schön dass dtp wieder so viele namhafte Stimmen für die deutsche Sprachausgabe versammeln konnte. Qualitativ überzeugt sie aber nicht, da einige Sprecher nicht ihr Bestes geben und eher gelangweilt klingen. Tony selbst hat die Stimme des kleinen Arschlochs, was sehr gut passt. Seine Mutter hat die deutsche Stimme von Kathy Bates. Sein Lehrer wird von Harald Schmidts einstigem Kompagnon Herbert Feuerstein gesprochen, der mit seinem österreichischen Akzent nicht recht in die US-Umgebung passen will. Peter Lohmeyer spricht den Postboten. Es gibt einige Passagen, die gar nicht vertont wurden, dort gibt es nur Text zu lesen. Außerdem knacken die Sprachaufnahmen, wenn die Sprecher am Ende sind, was ziemlich nervt. Das klingt in etwa so, als würde Sky Du Mont durchs Walky-Talky mit euch reden. Manche Stellen werden auch abgeschnitten, so dass ihr gar nichts mehr versteht.

          

Fazit

Das zweite Abenteuer von Tony Tough erreicht leider weder spielerisch noch in Sachen Sprachwitz das Niveau des ersten Teils. Zwar gibt es wieder jede Menge skurriler Charaktere, mit denen ihr tolle Gespräche führen könnt. Auch Tony gibt wieder massenhaft seine unpassenden Kommentare von sich, aber oft nerven die Sprüche, weil sie einfach zu plump sind. Beim ersten Teil war das noch anders, dort hat nichts an Tony genervt - ganz im Gegenteil: Ich mochte den Zwerg. Die von penetranter Musik begleitete Detektiv-Story ist kaum nachzuvollziehen, da sie völlig verwirrend erzählt wird. Die Rätsel sind Durchschnittsware und außerdem gibt es kaum etwas zu tun, weshalb das Adventure schon nach einigen Stunden zu Ende ist. Die Sprachausgabe mit den Promistimmen ist zwar ambitioniert, leidet aber gelegentlich an der Lustlosigkeit der deutschen Sprecher. Zudem passt nicht jede Stimme hundertprozentig. Optisch beeindruckt das stilechte Wüstenkaff im Stil der 60er-Jahre samt Einrichtung, Kleidung und Autos. Aber es sind auch viele kleine Fehler wie das Knacken der Sprachausgabe, die dafür sorgen, dass Tony Tough 2 kein gut mehr erhält. In unserer Previewfassung waren all diese Schwächen leider noch nicht so zu erkennen.

Pro

- abgefahrener Humor- Tonys trockene Kommentare- skurrile Charaktere- Missgeschicke Tonys- stilechte Umgebung

Kontra

teils nerviges Gelaber
schwer verständlich
nervige Wiederholungen
teils nicht übersetzt
teilweise nicht vertont
knackende Sprachausgabe
teils unpassende Stimmen
lustlose Sprecher
lächerliche Figuren
oft nervige Musik
relativ kurz

Wertung

PC

Teil 2 leidet leider unter vielen Fehlern, die einem das Spiel vermiesen

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