Hard to be a God15.02.2008, Mathias Oertel
Hard to be a God

Im Test:

Wenn die Packung "Ein Hack-and-Slay-Spiel mit Rollenspielelementen" propagiert, schrillen in der Redaktion die Alarmglocken: "Achtung, Kloppmist!" Doch Hard to be a God (ab 7,91€ bei kaufen) gibt sich reichlich Mühe, mit allen Vorurteilen, die man gegenüber Action-Rollis haben könnte, aufzuräumen. Leider gelingt dies nur eingeschränkt...

Es ist nicht leicht...

Die Geschichte der Action-Rollenspiele ist mit wenigen Ausnahmen eine Geschichte des Durchschnitts und der Eintönigkeit. Geprägt von Titeln wie der Diablo-Serie und über die Jahre hinweg am PC-Leben gehalten von Sacred oder Titan Quest, hat dieses Genre vor allem auf Konsolen Fortschritte gemacht und neue Mechaniken eingeführt - man denke nur an Baldurs Gate Dark Alliance, Dungeons & Dragons Heroes oder Marvel Ultimate Alliance. Am PC herrschen einfache und gleichförmige Spielmechaniken vor, die zusammen mit den meist deutlich magersüchtigen Storys im Hintergrund dafür gesorgt haben, dass diese trotz aller Mankos als Motivationswunder geltenden Titel innerhalb der Redaktion das Prädikat "Kloppmist" bekommen haben. Doch bevor ihr jetzt an die Decke geht: So despektierlich dies klingen mag, so liebevoll meinen wir es. Denn ob eben dieser Kloppmist gut, überraschend oder herausragend ist wie z.B. die Diablos, Titan Quest

Bei Auseinandersetzungen mit mehreren Feinden werden der spröden Kampfmechanik schnell ihre Grenzen aufgezeigt... 
oder auch jüngst Avencast oder eher mau wie Stranger, Escape from Paradise City oder Mage Knight Apocalypse, liegt am Spiel und nicht an der Bezeichnung. In welche Kategorie fällt jetzt Hard to be a God (HG)?

"Verdammte Axt!"

Selten haben mich die Kollegen in der Redaktion so fluchen gehört und in Rage gesehen. Der Kopfhörer wurde frustriert auf den Boden geschmissen, die Maus flog nur knapp am LCD-Bildschirm vorbei und riss glücklicherweise nur eine (Plastik-)Flasche mit sich. Der Grund: Ein kleines unscheinbares Action-Rollenspiel aus Russland. Basierend auf einem Roman der Brüder Strugatski, im Jahre 1990 hierzulande von Peter Fleischmann verfilmt und gerade in Russland abermals als Zelluloidwerk in Produktion, werde ich als Spieler in Hard to be a God in einen Konflikt gestürzt, der weit über die Storyelemente hinausgeht, die von den Entwicklern als Triebfeder vorgesehen waren.

Denn anstatt mich auf die gelungene Geschichte und einige interessante Ideen hinsichtlich der Mechanik konzentrieren zu können, werde ich durch die zu großen Teilen inakzeptable Kampfmechanik immer wieder aus dem Spielfluss gerissen.

Dabei fängt alles so gut an: Die direkte WASD-Steuerung ersetzt das Klicken auf den Boden in der Umgebung, um euren namenlosen Helden durch die Botanik zu lotsen - wie im konsolig angehauchten Überraschungs-Kloppmist Avencast. Um den Gegner anzugreifen, reicht es nicht, einfach nur draufzuklicken: Die Figur muss entsprechend positioniert werden, bevor ihr mit den Maustasten Angriffskombos vom Stapel lasst, die ähnlich wie in Kingdom Under Fire Circle of Doom von einem Energiebalken zehren. Ist der Balken leer, kann die Figur für einen Moment weder angreifen noch blocken. Auch diese Mechanik ist an sich eine gute Idee und erinnert nicht nur durch die Circle of Doom-Parallele an ähnlich gelagerte Konsolen-Titel - und damit wieder an Avencast!

Doch hier enden die Parallelen. Leider! Denn wo Avencast und vor allem die nahezu vollständig versammelte Konsolen-Kloppmist-Fraktion ein durchdachtes und balanciertes Kampferlebnis vermitteln, beginnt die Fassade von HG schneller zu bröckeln, als der Story-Mörtel nachgelegt werden kann&

So kann ich zwar einen Gegner fixieren, vernünftig um ihn herumbewegen kann ich mich aber nicht. Dadurch wird jegliches

Es gibt auch einen stimmungsvollen Tag-/Nachtwechsel zu beobachten, der allerdings keinerlei Auswirkungen auf das Verhalten von NPCs hat.
taktische Kalkül, dessen Illusion sich durch die zahlreichen Schlagmöglichkeiten sowie das Blocken ergibt, das z.B. löblicherweise gegen Angriffe von hinten vollkommen nutzlos ist, umgehend im Keim erstickt. Kämpfen gegen mehrere Gegner gleichzeitig wird dadurch zu einer absolut unübersichtlichen Keilerei, dessen Ausgang eher vom Glück als vom eigenen Geschick oder gar den Eigenschaftswerten der Figur abhängt.

Es steht einem natürlich immer frei, den Versuch zu wagen, die Gegner durch Pfeile (und Glück) solo zu euch zu locken, so dass man die Möglichkeiten der Kampfmechanik ausschöpfen kann. Doch in ca. 98 Prozent der Fälle gelingt dies eben nicht und das Ergebnis ist ein verzweifelter Kampf, an dessen Ende eure Figur trotz aller Heiltränke in geschätzten 99,5% der Fälle das Zeitliche segnet. Und an dieser Stelle blenden wir uns aus und verweisen auf geworfene Mäuse und fallen gelassene Kopfhörer samt dazu gehörenden Frustmomenten.

    

Licht und Schatten

Ich ärgere mich. Ich fluche. Ich werfe mit Peripherie um mich. Und dann werfe ich mich wider besseren Wissens doch wieder in die Schlacht, bis ich sie irgendwann Zähne knirschend und mit einigen neuen grauen Haaren bewältigt habe.

Wieso tue ich mir das an? Weil es selbst die teils Grauen erregende Kampfmechanik, die auch Gefechte hoch zu Ross erlaubt, nicht schafft, die Qualität der Geschichte zu vernichten. Ja: Die Kämpfe sind ein nicht zu unterschätzender Bestandteil von HG - sollten sie in einem action-orientierten Rollenspiel auch. Doch für "Kloppmist" bietet die Saga eine erstaunlich verzweigte, überraschende und spannende Geschichte, bei der deutlich wird, dass hier ähnlich wie bei Ataris The Witcher ein Buch als Vorlage für ein interessantes Universum hergehalten hat. Die mittelalterliche Fantasy-Welt, die ähnlich wie in Arcanum Schauplatz eines Kampfes zwischen Technologie und Feudalkultur ist, lässt mich als Spieler immer wieder im Ungewissen, was jetzt "Gut" oder was "Böse" ist. Und letztlich scheint alles sowieso nur eine Grauzone zu sein, was nicht nur durch den verwirrenden und verwirrten Helden versinnbildlicht zu sein scheint, der im Laufe der Zeit mit Technologie und gottgleicher Macht konfrontiert wird.

Einige Gebäude kann man betreten und die Truhen entleeren - ohne dass es den rechtmäßigen Besitzer stören würde...
Und auf den zweiten Blick hat HG sogar noch mehr zu bieten: Die Kulisse ist zwar kaum mehr als durchschnittlich, doch dafür sind die Abschnitte mit Leben gefüllt und man kann sogar Tag- und Nachtwechsel beobachten.

Beim dritten Blick jedoch zeigen sich auch hier Schwächen: Es gibt keine durchgängige Welt wie z.B. bei Sacred oder Titan Quest, sondern nur voneinander abgetrennte Bereiche, an deren Ausgang (meist passend durch Grenzpfosten markiert) nachgeladen wird. Die Figuren in den belebten Städten sind zwar passabel animiert und zumeist auch ansprechbar, doch an der Klonbevölkerung hat man sich schnell satt gesehen. Und auch das Bedürfnis, die Zivilisten anzusprechen, relativiert sich schnell, sobald man feststellt, dass die meisten nichts Sinnvolles zu sagen haben und alle für eure Missionen relevanten Figuren sowie Händler entsprechend markiert wurden, um die Sucharbeit zu minimieren.

Den Tag-/Nachtwechsel samt eingeblendeter Uhr hätte man sich allerdings auch schenken können. Es findet weder bei der Zivilbevölkerung noch bei euren Gegnern eine Veränderung im Verhalten statt. Sie spielen, laufen und bewachen, was das Zeug hält. Egal, ob es jetzt vier Uhr morgens, zwölf Uhr Mittag oder nachts um halb elf ist.

Solide mit Problemen

Dafür wiederum punktet die übersichtliche Charakterentwicklung und vor allem das Inventarsystem samt Missionstagebuch. Sortierbar und von vornherein in vier Kategorien unterteilt (Ausrüstung, Tränke, Bücher und Schriftrollen, Questgegenstände) gibt es weder Platz- noch Übersichtsprobleme. Allerdings findet man auch schnell heraus, dass es überall in der Stadt und bei getöteten Gegnern immer wieder die gleichen Gegenstände, Waffen etc. zu finden gibt. Hier sind Titel mit zufällig generierten Beutestücken im Vorteil.

Zumal man wie eigentlich im gesamten Spiel auch hier Verbesserungspotenzial gibt. Wieso kann ich einem getöteten Feind nicht wie z.B. in Gothic oder Two Worlds seine getragene Ausrüstung abnehmen? Stattdessen bekomme ich vorgefertigt scheinende Beute-Templates, die mir nur selten weiterhelfen und die irgendwann nur noch nerven...

Eine weitere Idee, die konzeptionell gut, aber deutlich ausbaufähig ist, ist das "Verkleiden". Für nahezu jede Fraktion im Spiel gibt es Kleidung, die ihr entweder finden oder kaufen und dann der Figur auf die Haut geben könnt. So lassen sich z.B. Diebe täuschen, wenn ihr einen Auftrag in ihrem Lager erledigen müsst, aber (nicht nur aufgrund der Kampfmechanik) in einer direkten Auseinandersetzung kaum eine Chance hättet.

Auch die damit verbundene Einschränkung, dass ihr die entsprechend im Inventar markierten Klamotten nur dann anziehen könnt, wenn euch keiner beobachtet, ist gut zu bewerten.

Entsprechendes Kleingeld vorausgesetzt, könnt ihr euch ein Ross zur Fortbewegung und zum Kampfeinsatz kaufen...
Doch das Ergebnis insgesamt ist fragwürdig. Damit meine ich nicht einmal die "Trial&Error"-Funktionalität, bis man herausgefunden hat, welche Fraktion nun tatsächlich welche Klamotten als ungefährlich anerkennt.

Viel schlimmer ist der blinde Gehorsam, der mit den richtigen Klamotten einher geht: Nehmen wir einmal an, ihr seid in einer Stadt unterwegs und tragt die Kleidung von Fraktion A. Werdet ihr von Räubern oder sonst wem angegriffen, helfen euch die Soldaten - das ist gut, logisch und konsequent!

Nehmen wir jetzt aber an, dass ihr in der gleichen Stadt unterwegs seid, immer noch die "Fraktion A"-Ausstattung tragt, ihr aber als Mission einen Dieb zu einem Punkt bringen müsst, von dem aus er die Stadt gefahrlos verlassen kann. Das Ergebnis ist: Fraktion A greift euren Schützling an oder er (ihr könnt ihm sowieso keine Befehle geben) macht sich bei Sichtkontakt gleich daran, die Wachen zu dezimieren, deren Farben ihr tragt. Doch egal: Diese Konfrontationen können passieren. Was aber gar nicht, niemals, also so überhaupt nicht passieren darf ist, dass ihr natürlich dem Dieb helft, da ansonsten mit seinem Ableben "Game Over" droht, natürlich auf die Wachen einschlagt und diese euch ignorieren, weil ihr ja ihre Farben trägt. Ab diesem Moment geht die gute Laune in den Keller.

Und ab hier ist es mir auch egal, dass die dynamische Musik sich ebenso unaufdringlich wie effektiv in die Gehörgänge säuselt wie der Rest der Akustik. Ebenso egal ist es mir ab hier auch, dass die deutsche Text-Lokalisierung gleichsam sorgfältig, aber dennoch mit kleinen Fehlern durchgeführt wurde.    

Fazit

Es ist nicht leicht, dieses Spiel zu lieben. Aber hassen kann ich es auch nicht. Das liegt allerdings weniger an der eher durchschnittlichen Kulisse mit ihren teils überraschend kleinen Gebieten, die jeweils neu eingeladen werden und keine durchgehende Welt darstellen. Doch für jede gute Idee, die in die Welt von Arkanar integriert wurde, findet sich mindestens ein Aufhänger, der mir die Hutschnur hochgehen lässt. Vor allem das Kampfsystem zeigt Schwächen: Ähnlich direkt und damit beinahe so konsolig und vom Potenzial so einzuschätzen wie in Avencast, zeigt Hard to be a God vor allem bei Kämpfen gegen mehrere Gegner, wie es nicht geht. Was taktisch und überlegt hätte werden können, wirkt auf Dauer nur konfus, unübersichtlich und frustrierend. Dazu gehört auch das Verkleidungssystem sowie  die Möglichkeit, Aufgaben über mehrere Lösungsmöglichkeiten anzugehen – beides bietet Potenzial, zeigt aber auch mehr oder weniger eklatante Schwächen. Wenn nicht vor allem die interessante und für ein Hack&Slay ungewöhnlich tief gehende Geschichte mit ihren Wendungen sowie die übersichtliche Charakter-Entwicklung oder die interessante Missionsstruktur wären, könnte man das Spiel getrost in die Tonne treten. So aber ertappe ich mich immer wieder dabei, doch noch einen Versuch zu wagen, doch noch einmal den schier aussichtslosen Kampf anzugehen und doch noch einmal das Geheimnis zu lüften – bis ich vor lauter Frust die Maus wieder vom Schreibtisch pfeffere. Unter dem Strich schlummert hier eine Menge Potenzial, mit dem das russische Entwicklerteam aber scheinbar überfordert war. Mit anderen Voraussetzungen und leicht modifizierten und optimierten Spielmechaniken hätte hier ein Titel entstehen können, der im Action-Rollenspiel neue Wege beschreitet und mit Konventionen bricht. So aber bleibt es nicht mehr als ein nur leidlich gelungener Versuch, dem handelsüblichen Kloppmist eine erzählerische Tiefe hinzuzufügen.

Pro

packende und Neugier weckende Geschichte
schnörkellose Akustik
stimmungsvoller Tag-/Nachtwechsel…
mehrere Lösungswege bei einigen Missionen
passable englische Sprachausgabe
übersichtlicher Charakter-Entwicklung
Inventar mit Sortierfunktion und ausreichend Platz

Kontra

unausgereifte Kampfmechanik
NPCs aus dem Klonlabor
… der aber keine Ausirkungen auf das NPC-Verhalten hat
keine durchgängige Welt
Verkleidungs-Feature kann ausgehebelt werden
Pferde-Kontrolle gewöhnungsbedürftig

Wertung

PC

Eine neugierig machende Geschichte und viele gute Ideen stehen einer grottenschlechten Kampfmechanik gegenüber...

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