Evil Twin12.09.2001, Jörg Luibl
Evil Twin

Im Test:

Der PC ist nicht gerade die Jump&Run-Plattform, aber Fans des Genres konnten dank Rayman auch auf dem guten alten Rechenknecht in höchste Spielspaß-Regionen hüpfen. Und weil das kleine Schlappohr ein Riesenerfolg war, will Ubi Soft mit Evil Twin (ab 5,01€ bei kaufen): Cyprien`s Chronicles nachsetzen. Was erwartet Euch? Ein düsteres Szenario, eine märchenhafte Story und ein kleiner Superheld - ob der bizarre Mix frischen Wind ins Jump&Run-Genre bringt, erfahrt Ihr in unserem Test!

Ein Alptraum wird wahr

Während einer Geburtstagsfeier im Waisenhaus verschwinden plötzlich alle Freunde des Jungen Cyprien. Aber sie werden nicht einfach entführt, sondern von einem bösartigem Wesen in ihre eigenen Alptraum-Welten verbannt - allein mit den schrecklichen Kreaturen und Ängsten ihres Unterbewusstseins. Doch Cyprien ist kein Kind von Traurigkeit: Entschlossen, seine Freunde zu befreien, begibt er sich auf die gefährliche Reise in düstere Träume, um schließlich die Wurzel des Übels zu bekämpfen.

Dunkel und düster: acht unheimliche Welten

Doch bis dahin ist es noch weit: Acht vollkommen unterschiedlich gestaltete Welten mit insgesamt 76 Levels warten auf den tapferen Jungen. Freunde von modernen Märchen wie "Die Unendliche Geschichte" oder "Der Zauberer von Oz" werden in den Traumwelten voll auf ihre Kosten kommen, denn das Level-Design quillt nur so über vor bizarrer Architektur, seltsamen Wesen und Gestalten: Riesige Windschiffe und Zeppeline erinnern ein wenig an Skies of Arcadia und blutrünstige Endgegner lassen Erinnerungen an Alice wach werden. Wer sich dem letzten Bösewicht im dunklen Turm stellt, wird mit einer Kreatur konfrontiert, die es mit allen Dämonen Onimushas aufnehmen kann - mehr sei nicht verraten.

Das prächtige Spieldesign lässt zwar die ungeheure Kreativität der Zeichner und Designer erahnen, aber bei den Texturen und Details zeigen sich doch teilweise Schwächen und Clipping-Fehler. Manche Wände und Gebäudemauern wirken eher flüchtig zusammengesetzt und hier und da hätten Monster mehr Animationsphasen verdient. Die Einfälle sind genial, aber die Grafik bleibt insgesamt guter Durchschnitt - nicht mehr und nicht weniger.

Neue Helden braucht das Land

Cyprien ist zwar mutig, aber ohne die Hilfe seines bösen, aber schlagkräftigen Zwillings namens Super Cyprien könnte er den vielen Gefahren und Monstern der Alptraumwelten nicht trotzen. Habt Ihr genug Energie gesammelt, verwandelt Ihr Euch: Der zerbrechlich wirkende Junge mit den zerschlissenen Jeans mutiert dann selbst zu einer Art Horror-Superheld mit weißem Haar und rot-leuchtenden Augen, seine Kleidung erstrahlt in leichtem Silberglanz und das halbe Gesicht wird von einer Maske verzerrt.

Hüpfen, springen, ballern

In Sachen Gameplay liefert Evil Twin -bis auf die Verwandlungen- Standardkost: Hüpfen, springen, Gegner attackieren und kleine Rätsel lösen, bis es am Ende des Levels einem Endgegner an den Kragen geht. Und hier liegt auch der Knackpunkt: Die Story mutiert zu einem epischen Märchen für Erwachsene (in Kinderhände gehört Evil Twin wahrlich nicht), die Levels eröffnen teilweise fantastische Welten, aber die Jump&Run-Action bleibt eher fade.

Warum? Weil das Leveldesign teilweise zu langatmig ist und echten Genre-Fans zu wenig Neues bietet. Außerdem hat Cyprien zwar viele Angriffsmodi, aber wenig Abwechslung in der Bewegung parat - hier konnte Rayman mehr bieten. Man gewinnt während des Spielens fast den Eindruck, als hätten die Entwickler besser ein anderes Genre wählen sollen, um der faszinierenden Story gerecht zu werden - ein Action-Adventure hätte sich angeboten, ohne das mit der Zeit lästige Einsammeln von Energie und Power-Ups.

Gamepad voll belegt

Die Steuerung ist zwar auch über die Tastatur möglich, aber ein Gamepad macht die Sache erheblich komfortabler: Per Analog-Stick bewegt Ihr Cyprien wahlweise in Ego- oder Schulterperspektive, müsst Abgründe überspringen, auf Plattformen hüpfen und Gebrauch von der Steinschleuder machen, die dank Zoom-Funktion für gezielte Schüsse geeignet ist. Sehr komfortabel ist die automatische Justierung der Kamera, so dass Ihr in kniffligen Situationen mit einem Klick wieder den Überblick habt. Aber so richtig zur Sache geht es erst, wenn Super Cyprien in Aktion tritt, denn er ist der Nah- und Fernkampfspezialist: Dank Rodeo-Attacke, Super-Sprung, Feuerball- und Blitzangriff kann er es mit jeder Alptraumgestalt aufnehmen. Gerade diese Zauber- und Verwandlungseffekte sind optisch eindrucksvoll dargestellt.

Leise, unheimliche Töne

Die Musikuntermalung ist neben der Sprachausgabe eines der akustischen Highlights: Freut Euch auf märchenhaft-bedrohliche Melodien, die in jeder Welt eine andere Stimmung vermitteln. Die Komposition der Stücke ist außerordentlich gut gelungen; nie aufdringlich und immer am abgedrehten Flair der Traumwelten orientiert. Ein dickes Lob gebührt der hervorragenden Lokalisierung: Lebendige und emotionale Stimmen tragen enorm zur bizarren Atmosphäre bei, die Evil Twin ausmacht. Die Sprecher haben für meinen Geschmack sogar die englische Version übertroffen - insbesondere Cypriens Stimme wirkt in der deutschen Version weitaus sympathischer und passender.

Pro:

  • spannende Story
  • präzise Steuerung
  • bizarres Leveldesign
  • hilfreiche Kamerafunktionen
  • hervorragende Sprachausgabe
  • stimmungsvolle Musikuntermalung
  • abgedrehte Kreaturen und Endgegner
  • Kontra:

  • wenig Innovation
  • Standard-Jump&Run
  • langatmige Erzählpassagen
  • grafische Schwächen im Detail
  • Vergleichbar mit:

    Rayman 2, Alice

    Fazit

    Am Genre vorbei: Die tolle Geschichte, die bizarren Monster und die abgedrehten Levels hätten Evil Twin zur Rayman-Konkurrenz machen können. Aber die Jump&Run-Action bietet zu wenig Innovation und wirkt mit der Zeit eher als lästiges Beiwerk, um der gelungenen Story weiter zu folgen und alle Welten kennen zu lernen. Schade, denn man merkt den Entwicklern von In Utero an, wie viel Kreativität sie in dieses Spiel gesteckt haben. Am Ende bleibt nur eine faszinierende Fantasy-Welt, die mit Standard-Gameplay und -trotz teilweise imposanter Szenen und Architektur- guter, aber keineswegs atemberaubender Grafik ausgefüllt wurde. Jump&Run-Fans sollten trotzdem zugreifen, denn obwohl Rayman eindeutig das dynamischere Gameplay bietet, erzählt Evil Twin die spannendere Story.

    Wertung

    PC

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    Kommentare

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