Anstoss 200703.09.2006, Mathias Oertel
Anstoss 2007

Im Test:

Es gab eine Zeit, da war Ascarons Anstoss-Serie das Synonym für erfolgreiche Spiele rund ums Fußball-Management. Diese wurde abgelöst von einer Epoche, in der Anstoss eher für bugverseuchtes Gameplay und Stagnation stand. Doch verlassen wir die Vergangenheit. Es ist Zeit für eine neue Zeitrechnung. Es ist Zeit für Anstoss 2007.

Das alte Leid

Was kann man noch über das in Deutschland ebenso populäre wie gehasste Genre der Fußball-Manager sagen, was noch nicht irgendwo stand? Für die einen nur grafisch aufgewertete Tabellenkalkulationen, bietet das Feilschen um Spieler, das Hin- und Herschieben von Profis auf dem (übertragenen) Papier und das Ausbaldowern einer sowohl finanziell als auch sportlich gesicherten Zukunft für andere den Stoff, aus dem die Träume sind.

Die Schaltzentrale eurer Macht: Das Büro, das natürlich im Laufe der Zeit mit eurem Verein und euren Ansprüchen wächst.
Ich zähle mich natürlich zur letzten Kategorie, leide bei einer Niederlage meiner vermeintlich so gut auf den Gegner eingestellten virtuellen Mannschaft genau so wie bei der derzeitigen Pechsträhne und dem verpatzten Saisonauftakt des HSV.

Dementsprechend habe ich in den letzten Jahren einige Titel dieser Kategorie auf dem Schreibtisch gehabt. Doch während Ascarons Anstoß-Serie (in den frühen und mittleren 90ern ein Garant für Spaß und Tiefgang) eher durch Bugs als durch Qualität auffiel, übernahmen Electronic Arts und Sega mit ihren Fussball Manager- bzw. Football Manager-Neuauflagen die Tabellenführung.

Auf dem Weg nach oben?

Angesichts dieser Schwergewichte muss sich Ascaron einiges einfallen lassen, um in den lukrativen Topf der Titelaspiranten zu kommen. Und das nicht nur in Bezug auf Absturzanfälligkeit - allein mit alt hergebrachten Mechnismen und mittlerweile zum guten Standard gehörenden Funktionen lassen sich die Fans und auch ich nicht mehr hinter dem Ofen vorlocken. Das Gesamtpaket muss stimmig sein, Spaß machen und auch das eine oder andere noch unbekannte Feature bieten - zumal Anstoss wie gehabt durch keinerlei Lizenzen gepusht wird. Kein BDFL, keine Spielervereinigung und schon gar keine Bundesliga: Während Vereinsnamen wie Hamburg oder München eindeutig sind und entsprechende Assoziation wachrufen, hat man bei dem riesigen, aber komplett fiktiven Spielerangebot keinerlei bekannte Ansatzpunkte. Doch damit kann ich leben, da im Zweifel der mächtige Editor verwendet werden kann, um Anstoss mit Original-Namen und -Daten zu füttern.

Ihr bekommt für alle Bereiche umfangreiche Statistiken.
Da Anstoss natürlich auch mit der Edition 2007 das Manager- bzw. Trainer-Rad nicht neu erfindet, bleiben Kernmechanismen erhalten - genau so, wie man sie entweder aus den letzten Teilen Anstoss-Serie bzw. der allgemeinen Konkurrenz kennt.

Zu Ersterer gehört z.B. der immer noch vorhandene Humor, der die Reihe seit Anbeginn an geprägt und einzigartig gemacht hat: Merkwürdige Anrufe auf dem Anrufbeantworter, witzige Ansprachen der Trainer und immer wieder auftauchende Kommentare lockern das Geschehen auf. Auch die eingeschränkten Möglichkeiten der Finanzstruktur kennt man bereits: Ihr müsst euch so gut es geht an das zusammen mit dem Präsidium vereinbarte Budget für alle Bereiche halten - sonst gibt's Saures! So kann man sich auf den Trainerjob an sich konzentrieren; und das ist schwer genug!

Natürlich hält man auch dieses Jahr bei Ascaron immer noch an unerschütterlichen Grundprinzipien fest, die einen Manager ausmachen: Den Auf- und Ausbau einer möglichst erfolgreichen Mannschaft. Dazu gehören natürlich Training, persönliche Gespräche mit Spielern und nicht zuletzt auch Bewegung auf dem Transfermarkt. Spielergurken müssen möglichst Gewinn bringend verkauft werden, während vakante Stellen mit angehenden Stars oder zumindest Hoffnungsträgern besetzt werden sollten.

    

Die Navigation innerhalb der verschiedenen Bereiche, angefangen von rudimentären Finanzen über das Vereinsgelände bis hin zur Manndeckungseinstellung geht dabei erfreulich einfach vonstatten und sollte nach kurzer Eingewöhnungszeit selbst für absolute Manager-Frischlinge kein Problem mehr darstellen.

Ein mächtiger Editor gleicht da völlige Fehlen jeglicher Lizenzen aus.
Dass das grafische Gesamtbild dabei immer noch hinter Genregrößen zurücksteht, ist allerdings bedauerlich. Man kann sich weder mit Segas klar strukturierter, fast schon klinischer Aufgeräumtheit messen, noch mit der extrem auf Hochglanz polierten Edel-Oberfläche der EA-Manager. Das bunte, leicht prollige (im positiven Sinne) Design wirkt auf den ersten Blick auch etwas überladen, bietet aber schnell alle wesentlichen Informationen.

Alles bleibt& anders

Bis hierhin ist Anstoss spielerisch ein Manager wie fast jeder andere auch. Allerdings einer der durchdachteren Variante: Alles ist logisch, oder scheint zumindest logisch zu sein und lässt sich auch meist nachvollziehen. Einzig die immer wieder über mich herfallende Verletzungsflut, die natürlich nur meine besten Stammkräfte betrifft, bereitet mir etwas Sorge. Denn selbst bei x-fachem Neustart des Spieles scheinen die Kicker in meinem Kader alle etwas anfällig für Blessuren zu sein. Doch auch damit kann ich letztlich leben, da ich darin für mich eine besondere Herausforderung sehe.

Auch über viele Fehlerchen, wie sie in den letzten beiden Patches behoben wurden, kann ich hinwegsehen - auch über die, die leider Gottes immer noch drin sind und die mit dem nächsten, hoffentlich letzten Patch ausgeräumt werden sollen. Denn letztlich geht es mir bei Managern nicht nur um eine möglichst authentische Darstellung des Fußballsports. Denn abgesehen davon, dass ich nur eine Vermutung habe, wie es in den Führungsriegen der Bundesliga oder auch der Regionalligavereine aussieht, ist Anstoss 2007 in erster Linie ein Spiel und kein Bundesliga-Simulator. Und das soll Spaß machen. Punkt. Wenn ich dazu noch das Gefühl habe (wie es hier der Fall ist), dass ich nachvollziehen kann, was passiert, kümmert es mich eigentlich wenig, ob ich jetzt (fiktives Beispiel) nach zehn Saisons einen falschen Statistikwert bei Spieler XY angezeigt bekomme...

Wo ich allerdings Rot sehe, ist die völlige Spielstands-Inkompatibilität nach einem Patch. Ich spiele, kämpfe mich mit meiner Mannschaft nach oben, schaffe es nach einigen Saisons vielleicht sogar in die Eliteklasse, baue meine Reputation als Trainer sowie vielleicht sogar das Renommee des Vereins auf und kaum ist der neue Patch da, ist alles für die Katz.

Übersichtlichkeit hin, vergleichsweise wenige Bugs her - die bisherige Spielstands-Inkompatibilität der ersten Patches drückt die Kurzzeit-Motivation...
Trotzdem komme ich irgendwie nicht los von dem blöden Ding. Denn dazu bietet Anstoss 2007 einfach zu viel von den Elementen, die mich bei der Stange halten: Unterhaltung und Langzeitmotivation. Allerdings muss man sich für die nächsten Verbesserungen einen Sicherheitsmechanismus einfallen lassen, der es ermöglicht, nicht immer wieder bei Null anfangen zu müssen. Denn dann habe selbst ich irgendwann überhaupt keinen Bock mehr und freue mich lieber auf die mit Lizenzen und/oder Tiefgang gespickten Produkte der Konkurrenz&

Alles da

Das soll jetzt aber nicht heißen, dass Anstoss der Tiefgang fehlt. Ganz im Gegenteil. Selten habe ich mich so heimisch in einem Manager gefühlt. Und die beiden bereits angesprochenen neuen Elemente Reputation und Renommee wirken unter der leicht zugänglichen Oberfläche ihre Magie und scheinen sich tatsächlich auf den Spielablauf auszuwirken. Und selbst wenn sie nur eine Attrappe darstellen würden, um glaubwürdig zu vermitteln, wieso ein Spieler des Schlages Ronaldo oder Wayne Rooney nicht mit mir arbeiten möchte bzw. nicht zu meinem international kaum bekannten Verein wechseln will: es funktioniert!

   

Auch der Wegfall von Spielszenen oder gar einer 3D-Darstellung stört mich nicht im Geringsten. Bis vor dem letzten Patch (7.1.0.2) hatte die in vielen Variablen einstellbare Text-Darstellung zwar noch kleine Fehler, aber diese gehören mittlerweile zu einem Großteil der Vergangenheit an, so dass mittlerweile nur noch die auf Dauer abwechslungsarmen Texte negativ auffallen.

Renommee und Reputation als neue Spielinhalte wirken wie der Rest des Spieles logisch und nachvollziehbar.
Doch dies ist ein Problem, das viele Kollegen von Anstoss teilen und mit dem ich leben kann. Denn ich habe in der zweiten Saison sowieso angefangen, den Textwust zu ignorieren und mich auf einen Kompromiss aus Spannung und schneller Spieldarstellung konzentriert.

Allerdings fehlt hier zwangsläufig der kausale Zusammenhang zwischen Ursache und Wirkung, wie ich ihn z.B. bei taktischen Änderungen in Segas Manager finde, so dass letztlich Auswechslungen und das Umsetzen von Vorgaben im Taktikbereich nicht nachzuvollziehen sind und man nicht wirklich eine Rückmeldung in irgendeiner Form bekommt, ob tatsächlich das Gewünschte eingetreten ist. Hier hängt man etwas deutlich hinter vergleichbaren Titeln her.

Einen fast adäquaten Ausgleich dafür schaffen die umfangreichen Statistiken, die vor allem auch die eigenen Spieler betreffen. Wer sich die Mühe machen will, kann wirklich Stunden damit verbringen, Werte zu vergleichen und basierend auf den Ergebnissen die beste Mannschaft aufstellen, die der Kader hergibt.

Mehrspieler-Wartezeiten

Eines der Highlights vor allem der frühen Anstoss-Teile war der Mehrspieler-Modus. Dieser ist auch hier enthalten, wurde aber auf pure Netzwerk-Duelle reduziert. Einen Hot-Seat-Modus sucht man vergebens.

Aber auch der LAN-Ersatz (zumindest derzeit ist kein Spiel über Internet möglich) erfüllt nicht alle Wünsche und lässt daher den Wegfall des Hotseats noch schwerer nachvollziehen. Positiv ist zu vermerken, dass sich bis zu 64 Spieler in die Fußball-Schlachten einklinken dürfen.

In den Spielerstatistiken findet ihr bis zum kleinsten Detail alles aufgeschlüsselt...
Allerdings bezweifle ich, dass es jemals zu dieser Trainerflut in einer Sitzung kommen wird. Abstürze sind uns im Testbetrieb zwar keine begegnet, doch da man selbst mit der Minimalbesetzung zu zweit immer wieder an Punkte kommt, an denen man warten muss, bis der andere fertig ist (oder noch schlimmer: bis er sein Spiel beendet hat, obwohl man selber spielfrei hat), zieht sich das Spielgeschehen. Nicht bis zu Unspielbarkeit, aber doch bis zu dem Punkt, wo man dem anderen auf die Füße steigen möchte - oder zumindest anbrüllen, dass er doch endlich in die Puschen kommen soll.

Dieses Problem könnte man zwar durch Einstellen einer maximalen "Zugdauer" umgehen, doch auch dies birgt Konflikt-Potenzial: Das Gefühl für die "richtige" Zeit ist relativ. Die einen schrauben gern ein wenig länger an ihrer Mannschaft, andere sind schnell fertig. In jedem Fall verstecken sich hinter dem gut gemeinten Mehrspieler-Modus diverse kleine Problemchen, die sich irgendwann summieren und die Laune verderben. Da helfen dann auch die interessanten Verhandlungen um Spieler nichts mehr, die sich ggf. bei menschlichen Kontrahenten im Team befinden.   

Fazit

Als Manager-Fan alter Anstoss-Schule störe ich mich nicht an fehlenden Lizenzen, kann auch nach zig Jahren immer noch über den typischen Humor lachen, über kleinere Bugs hinwegsehen und mich auch mit dem leicht antiquiert wirkenden Aussehen anfreunden. Denn was den grundsätzlichen taktischen Tiefgang betrifft, kann auch der neueste Teil von Ascarons Kult-Serie mit den Genre-Schwergewichten mithalten: Es wirkt in sich schlüssig und wird mit dem Renommee bzw. der Reputation um sinnvolle neue Mechaniken erweitert. Und selbst den sich viel zu schnell in Wiederholungen flüchtenden Textmodus kann ich schweren Herzens akzeptieren. Viel schwerer wirkt allerdings die absolute Spielstands-Inkompatibilität nach einem neuen Patch: In der Zeit vom ersten zum zweiten Update habe ich diverse Saisons gespielt und kann mich jetzt nur noch an der Erinnerung laben. Auch der suboptimale Mehrspielermodus drückt deutlich auf mein eigentlich fröhlich gestimmtes Manager-Gemüt. Daneben nimmt sich das völlige Fehlen visueller Rückmeldungen (sei es auch nur in Textform) auf die Qualität bzw. Umsetzen meiner Taktik-Einstellung fast schon wie ein kleines Problem aus. Mein Dilemma: Im Kern ist Anstoss 2007 eigentlich der durchdachteste und umfangreichste Teil der Serie und ich möchte eigentlich eine Saison nach der anderen spielen. Doch angesichts der schon in den Startlöchern stehenden Konkurrenz aus verschiedenen Häusern habe ich einfach keine Lust mehr, noch einmal anzufangen – und dann noch einmal, wenn wieder einmal ein neuer Patch kommt. Sehr schade, Ascaron: Das absolute Bug-Disaster wie bei Anstoss 4 wurde vermieden – und trotzdem wird mir als Spieler durch eine schlechte Patch-Politik die Langzeit-Motivation geraubt…

Pro

umfangreiche Statistiken
einfache Bedienung
logische Zusammenhänge
mächtiger Editor
typischer Anstoss-Humor
witzige Sprachausgabe
Reputation/Renommee

Kontra

Spielstände bislang nach Patches wertlos
antiquierte Kulisse 
keinerlei Lizenzen
kein Hot-Seat-Modus
problematischer LAN-Modus
kein visuelles Feedback der taktischen Vorgehensweise

Wertung

PC

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