The Day After21.06.2005, Bodo Naser
The Day After

Im Test:

The Day After (ab 10,00€ bei kaufen) verrät eigentlich sofort, um was es bei dem neuen Strategiespiel von G5 Software und 1C Company geht: Ihr kämpft nach dem Atomkrieg, der anlässlich der Kubakrise ausbricht, um die Weltherrschaft. Es gibt aber auch einen Modus, bei dem ihr euren Feldzug auf einer strategischen Weltkarte plant. Leider wurden diese guten Ansätze weitgehend verschenkt, denn die Ausführung ist mehr als oberflächlich.

Kubakrise wird 3. Weltkrieg

In The Day After passiert genau das, was historisch verhindert wurde:

Thema verschenkt - über die Kubakrise erfahrt ihr nur im Intro kurz etwas.
Dass aus dem Kalten Krieg im Jahr 1962 ein heißer wurde. Mit dem gleichnamigen Kinofilm aus den 80ern hat das freilich nichts zu tun. Im Spiel geben die Sowjets im Streit um die Stationierung von Mittelstreckenraketen auf Kuba nicht klein bei. Sie schießen vielmehr ein amerikanisches Spionageflugzeug über Fidel Castros Karibikinsel ab. Was folgt ist ein atomarer Overkill auf beiden Seiten, der aber nicht das Ende der Menschheit markiert - noch nicht. Vielmehr berappeln sich die Konfliktparteien und haben natürlich nichts Besseres zu tun, als sich fortan im unverseuchten Gelände zu bekämpfen...

Wieder nur dasselbe?

Was auf den ersten Blick so erfrischend anders klingt, ist bei näherem Hinschauen doch nur wieder die alte Leier. Das fängt mit den altbekannten Nationen an, als da sind die Sowjetunion und das kommunistische China auf der einen sowie Bündnisse aus Großbritannien und USA sowie Deutschland und Frankreich auf der anderen. Das Altbekannte zieht sich weiter durchs Gameplay, denn das ist eigentlich nur Blitzkrieg in Reinkultur, und landet schließlich bei der angestaubten 2D-Optik. Der öde Multiplayer, der auch nur übers LAN spielbar ist und außer Capture the Flag und Attacke nichts bietet, wurde ebenfalls sträflich vernachlässigt.

Textintensiver Strategiemodus

Entscheidet ihr euch nach dem leseintensiven,

Die gelbe Gefahr breitet sich aus - auf der strategischen Karte gibt es viel zu lesen.
aber kaum hilfreichen Tutorial für eine der vier Kampagnen, könnt ihr euch einige langweilige Texte über den Werdegang eurer Konfliktpartei im Kalten Krieg durchlesen. Danach gelangt ihr in den rundenbasierten, strategischen Modus, wo ihr aber eigentlich nur eure Einheiten hin- und herschieben könnt. Hier gilt es nicht nur wichtige Einrichtungen wie Radaranlagen, Raffinerien oder Ersatzteillager zu erobern, die eure Rohstoffe erhöhen, sondern auch die feindlichen Pixelpanzer möglichst vom eigenen Territorium fernzuhalten. Hier könnt ihr auch neue Einheiten einkaufen - freilich nur bis zur vorbestimmten Anzahl. Habt ihr eine Schlacht gewonnen, verschiebt sich die Front, und es geht auf zur nächsten, die allerdings ganz ähnlich abläuft.

            

Veraltete Waffen

Zunächst müsst ihr euch mit dem veralteten Equipment vom Ende des Zweiten Weltkriegs zufrieden geben,

Bei den in Echtzeit ablaufenden Kämpfen rumpeln mal wieder die üblichen Panzer durch die öde Gegend.
da eure modernen Waffen leider alle beim Atomschlag vernichtet wurden. Der T-34 erhält hier ebenso ein spätes Comeback wie Panther oder Sherman auf der kapitalistischen Seite. Es gibt Panzer, Artillerie, Panzerabwehr, motorisierte Infanterie und Flugzeuge. Einziges Zugeständnis an die 60er-Jahre sind zu Anfang die Raketenwerfer eurer Infanteristen. Eile mit Weile - später kommen dann wie es sich für die Zeit gehört Mig-21 Düsenjäger, Mi-Hubschrauber und T-55 Panzer hinzu. Leider gibt es keine Bodenfahrzeuge zur Aufklärung, so dass ihr hier -bis ihr Flieger habt- aufs Fernglas eurer Soldaten angewiesen seid. Immerhin sammeln eure Truppen Erfahrung und ihr könnt sie bei der nächsten Schlacht wieder einsetzen.

Fehlende Balance

Obwohl eure Truppen sogar Hinterhalte legen können, sind die in Echtzeit ablaufenden Kämpfe alles andere als sonderlich abwechslungsreich. Meist müsst ihr den schwer eingegrabenen Feind ausschalten, der sich wenig rührt und natürlich nur auf euch wartet. Zudem wiederholen sich die Einsätze immer wieder - ihr dürft hundertmal hintereinander irgendeine angeblich sauwichtige Brücke einnehmen. Die Pausenfunktion, die euch bequem Befehle erteilen lässt, sorgt dabei immerhin für etwas Ruhe.

Das Balancing stimmt jedoch überhaupt nicht, denn die zufallsgenerierten Missionen sind schon auf Stufe "normal" kaum zu schaffen. Mit traumwandlerischer Sicherheit ballert euch der Feind eure Hand voll Panzer unterm Hintern weg. Auf leichter Schwierigkeit hingegen verliert ihr kaum einen Soldaten und bekommt hinterher noch einen Orden angesteckt. Die Wegfindung der eigenen Einheiten lässt zudem zu wünschen übrig, da sie den Eingang oft nicht finden können und deshalb sinnlose Umwege machen.

Altbackene 2D-Grafik

Auch technisch ist The Day After keinesfalls auf dem neuesten Stand,

Hier ist kein Durchkommen! Am Schluss bleiben oft nur rauchende Wracks übrig.
 auch wenn die Blitzkrieg-Engine früher einmal zu überzeugen vermochte. Das liegt daran, dass alles ziemlich detailarm und kahl aussieht. Im Gegensatz zu Blitzkrieg fehlen die netten kleinen Details, die die Szenerie gelegentlich auflockern. Einzig die Menüs können mit ihrem zeitgenössischen Design zumindest etwas Atmosphäre entfachen. Die Effekte wie Explosionen, Kettenspuren oder auch Blut, das sich zuschalten lässt, gehen in Ordnung, können aber nicht mit denen einer modernen 3D-Grafik mithalten. Zoomen dürft ihr hier auch nicht. Für Abwechslung sorgende Elemente wie Zwischensequenzen sucht ihr leider vergebens, schmucklos reiht sich Mission an Mission. Untermalt wird das Ganze von russisch klingender Militärmusik, wie sie viele Kriegsspiele von 1C Company ziert.

       

Fazit

Trotz anfänglicher Neugier auf ein weitgehend unbekanntes Szenario macht The Day After leider keine große Freude. Nach wenigen Partien ist klar, dass hier wieder nur die übliche Weltkriegsstrategie dieses Mal nur im anderen Mäntelchen verabreicht wird. Dabei ist es noch nicht einmal die karge 2D-Grafik, die dem Spiel den Todesstoß versetzt. Was wirklich nervt, sind die immergleichen Missionen von der Stange, die einem noch das letzte Fünkchen Spielspaß rauben. Daran vermag auch der Umstand nichts zu ändern, dass ich meine erfahrenen Panzerarmeen ins nächste Gemetzel mitnehmen kann. Gerade mal die Hardcore-Fans von Sudden Strike, Blitzkrieg und Co. könnten sich vielleicht für das Spiel interessieren, was jedoch auch nicht von langer Dauer sein dürfte, da die Schlachten einfach zu eintönig sind.

Pro

Szenario: 3. Weltkrieg nach Kubakrise
Strategiemodus auf Weltkarte
in der Pause befehlen
Einheiten in nächste Schlacht mitnehmen
Einheiten selbst einkaufen
Enzyklopädie der Waffen

Kontra

angestaubte Schlachten à la Sudden Strike
Missionen von der Stange
viel zu schwer
schlechte Wegfindung
keine Aufklärungsfahrzeuge
viele langweilige Texte
Multiplayer nur im LAN
nicht zeitgemäße 2D-Grafik
kein Zoomen

Wertung

PC

Das interessante Szenario wurde leider völlig verschenkt

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