Mage Knight Apocalypse03.05.2007, Mathias Oertel
Mage Knight Apocalypse

Im Test:

Die Liste an veröffentlichten bzw. angekündigten Hack & Slays, auch verschönernd als Action-Rollenspiel bekannt, ist dieses Jahr so groß wie schon lange nicht mehr. Doch neben potenziellen Highlights wie Hellgate London, Sacred 2 oder Loki gibt es auch haufenweise Trittbrettfahrer, die trotz mangelnder Qualität den dürstenden Fans die Kohle aus der Tasche ziehen wollen. Zu welcher Kategorie gehört Mage Knight Apocalypse (ab 19,89€ bei kaufen)?

Unbekannte Tabletop-Kriege

Na? Schon mal von Mage Knight gehört? Ja? Dann habt ihr mir etwas voraus. Denn dass die Magieritter ähnlich wie Warhammer in seinen verschiedenen Varianten als Tabletop Erfolge feierten, bevor sie als Hack & Slay meinen PC heimsuchten, war mir gänzlich unbekannt. Und das ist letztlich auch für den Test unerheblich. In diesem Fall geht es mir nicht darum, wie gut oder regelkonform die Fantasy-Schlachten vom Tisch auf den Bildschirm gebracht wurden. Für mich

In einem Fantasy-Hack&Slay unverzichtbar: Schwer bewaffnete Gegner mit angegrünter Hautfarbe...
stellt sich die Frage, ob Mage Knight, Lizenz hin oder her, das Zeug hat, um in einem Atemzug mit Titan Quest oder Loki genannt werden zu können - und wenn das schon nicht reicht, ob man mit Mage Knight Apocalypse (MKA) wenigstens Titeln wie Silverfall oder Dawn of Magic die Stirn bieten kann. Die Antwort darauf lautet zweifelsfrei "Jein". Denn für jede gute Idee, die sich in MKA findet (so abgekupfert sie auch sein mag), findet sich mindestens ein Element, für das man den Entwicklern Spieleknast mit Diablo 2 & Co. verordnen möchte.

Abgehakt

Was erwartet man weitläufiger Meinung nach von einem Action-Rollenspiel, pardon: Hack&Slay? Eine anständige Auswahl an Figuren! Check: Fünf spielbare Helden, deren Aussehen ihr rudimentär festlegen könnt.

Eine übersichtliche und gleichzeitig weit reichende Charakter-Entwicklung! Check: Jede Figur verfügt über diverse Eigenschaftswerte sowie je drei Fähigkeitenbäume. Das Besondere: Sowohl Eigenschaften als auch Fähigkeiten werden durch häufige Benutzung gefördert und aufgerüstet. Es gibt keine "Figuren-Levels" im klassischen Sinne, wodurch sich MKA positiv von vergleichbaren Genre-Vertretern abhebt.

Haufenweise Gegenstände, für die sich das Verkloppen von Hunderten von Monstern lohnt! Check: Haufenweise wäre etwas übertrieben, aber ihr bekommt immer wieder Tränke, Waffen, Rüstungen usw. zu sehen, die ihr nicht nur sammeln oder anziehen, sondern auch mit Edelsteinen aufbessern könnt. Sehr angenehm in diesem Zusammenhang ist die Recycling-Möglichkeit der Veredelung. Findet ihr eine Waffe oder eine Rüstung, die ihr anstatt der derzeit angelegten ausrüsten, aber nicht auf die Edelsteine darin verzichten möchtet, könnt ihr diese ad hoc aus der alten heraus nehmen und in die neue einsetzen - schön!

Willkommen in einer Welt von Schusswaffen-Zwergen und Levelschläuchen!
Aber spätestens hier verließen sie ihn. Zwar hält man sich auch abseits dieser drei Grundelemente jedes halbwegs sinnvollen Hack&Slay-Versuchs an bestimmte Werte und Erwartungen wie z.B. ein Mehrspielermodus. Doch die Entwickler verstehen es nur selten, so viel Motivation aufzubauen, dass ich über immer wieder auftretende Mankos hinweg sehen kann, zu denen auch das Inventarsystem gehört. Mit einer enorm großen Aufbewahrungskiste, zu der ihr an bestimmten Knotenpunkten Zugriff habt, besitzt ihr ausreichend Stauraum für nicht benötigte Gegenstände. Das eigentliche Inventar ist mit 25 Plätzen jedoch stark beschränkt - vor allem, wenn man sich die Zeit nimmt und die für Trankerstellung wichtigen Kräuter sammelt.

Verbesserungswürdig

Versteht mich nicht falsch: Ich erwarte keine Geschichte, die den Georg-Büchner-Preis gewinnen würde. Doch die plakative Gut-gegen-Böse-Geschichte in MKA würde selbst in Hollywood Schwierigkeiten haben, einen Abnehmer zu finden. Das liegt nicht einmal daran, dass sie nicht spannend wäre oder es keine Überraschungen gäbe. Doch so unspektakulär wie die Geschichte in Spielgrafik erzählt wird, habe ich keine Schwierigkeiten, der Aufforderung "Noch einmal Klicken, um die Videosequenz zu überspringen" nachzukommen. Langweilige Kamera-Einstellungen und lethargische Sprachausgabe kann ich auch in der Tagesschau haben...

    

Wenn wenigstens der Grafikmotor hin und wieder etwas zum Hingucken böte. Doch weder die meist matschigen Texturen noch die zu häufig abgehackten Bewegungen und schon gar nicht die mauen Spezialeffekte locken den friedlich schlafenden und auf einen feinen Hack&Slay-Knochen wartenden Hund hinter dem Alienware-Rechner hervor. Und in einem 2007 erscheinenden Titel dieser Gattung den Spieler durch Levelschläuche ohne Freiheit zu schicken, ist fast schon hochgradig strafbar.

Das habe ich in dieser Form auf der PS2 in Baldurs Gate Dark Alliance erlebt. Dass dieser Klassiker im direkten Vergleich fast noch besser aussieht, zeugt von der Qualität dieses Machwerks. Auf Konsolen hätte MKA sogar noch eine größere Daseinsberechtigung - es ist dem Team nicht einmal gelungen, eine vernünftige Maussteuerung auf die Beine zu stellen: Sowohl Kollisionsabfrage als auch damit einhergehend die Zielauswahl stellen einen immer wieder vor unnötige Probleme. Als ob es nicht schon genügend Spiele gegeben hat, bei denen man vernünftig hätte kopieren können.

Knallbunt und trotzdem kein Hingucker: Die Kulisse lässt ebenso zu wünschen übrig wie der Rest vom Spiel...
Für viele mag auch die inhaltliche Geschlossenheit egal sein, es gibt ja haufenweise Monster zum Abmetzeln. Aber wenn ich bei einem Händler in einer Fantasy-Welt (in der es ähnlich wie in Warhammer auch ballistische Waffen gibt) einen Ring finde, der mir Zitat: "sofortige Street-Credibility beschert", wende ich mich lieber wieder Silverfall oder Titan Quest zu. Das spricht wahrlich nicht für eine gelungene Lokalisierung. Daneben sorgt der Knopf mit der Aufschrift "Lebe", der euch immer dann freudig anstrahlt, wenn ihr da Zeitliche segnet und eure Wiederauferstehung bewirkt, zumindest anfänglich noch für ein Schmunzeln.

Alles auf Anfang

Ich habe es wirklich versucht. Ich habe mir Stunde um Stunde mit Mage Knight um die Ohren geschlagen. Doch das Einzige, was die Apokalypse verkündet, ist die Zielsicherheit, mit der die Entwickler von einem Elend ins andere Stolpern. Kontrollpunkte, die nur ein paar Meter von der Stelle meines Ablebens entfernt sind und mich mit halb aufgeladenen Energiebalken inmitten einer Gegnerhorde wieder auferstehen lassen und ich daraufhin wieder das Zeitliche segne, sollten eigentlich auf jeder "Not-To-Do-Liste" eines Entwicklers zu finden sein. Doch andererseits erleide ich durch das unausweichliche Ableben keine Nachteile, so dass eigentlich vollkommen irrelevant ist, ob ich mich doof, schlau, geschickt oder im Zweifelsfall einfach gar nicht anstelle und einfach der Dinge harre, die da kommen mögen. Denn tatsächlich habe ich in einem Bosskampf eine kleinere Pause eingelegt, um ein Telefonat zu führen. Da ich kurz vorher gestorben war und meine Energie aufladen wollte, kam mir das Gespräch gerade recht. Doch kaum hatte ich aufgelegt, wurde eine Videosequenz eingespielt, in der mit gedankt wurde, den ach so bösen und ach so gefährlichen Obermotz erledigt zu haben. Bitte? Ich? Moment mal! Da ist mir wohl etwas entgangen. Genau: In der Zeit, in der ich am Telefon war, hat eine Horde NPCs, die wohl ebenfalls zur Stadtverteidigung vorgesehen war, mit dem Obermeier kurzen Prozess gemacht. Na vielen Dank auch.

Selbst die Effekte schaffen es nicht über das Prädikat "Nett, aber völlig belanglos"...
Und damit war MKA für mich eigentlich schon gestorben. Dabei gibt es durchaus Aspekte, die einen immer wieder dazu bringen, ein weiteres halbes oder sogar ganzes Stündchen weiterzumachen. Das umfangreiche Alchemiesystem zum Beispiel. Findet oder kauft ihr Rezepte und sammelt in den Abschnitten die notwendigen Zutaten könnt ihr Tränke brauen. Klar: Das Feature ist weder neu noch innovativ, doch angesichts der kleinen und großen Probleme, die sich in Mage Knight zeigen, bin ich für jedes gelungene Spaß-Implantat dankbar.

Auch die Balance der fünf unterschiedlichen Figuren, die meist in Mischform die klassischen Typen vom Kämpfer (mit Heilfähigkeiten) bis zum Elementarmagier abdecken, zeigt, dass das Entwicklerteam eigentlich doch etwas vom Handwerk versteht.

Denn selbst hier hat man es trotz zahlreicher ernst zu nehmender Versuche nicht geschafft, die bei Spielen dieser Art vorherrschende Grundmotivation zu exekutieren. Allen Widrigkeiten zum Trotz greifen die Mechanismen immer noch und locken zu einem weiteren kleinen Monstergemetzel. Denn irgendwo könnte ja doch eine neue Waffe warten. Oder eine neue Rüstung. Oder vielleicht kommt hinter der nächsten Kreuzung ja doch eine Herde Spielspaß auf mich zugetrabt?   

Fazit

Hehre Versuche, sich bekannter Elemente zu bedienen, kollidieren mit der grausamen Wirklichkeit, bis auf das nicht tot zu kriegende Hack&Slay-Grundkonzept nahezu alle guten Ideen zielsicher in den Sand gesetzt zu haben. So wird es einem nicht leicht gemacht, sich an dem Action-Rollenspiel zu erfreuen. Abseits der ungewohnten, aber gut funktionierenden  Charakter-Entwicklung stolpert man immer wieder über kleinere und größere Probleme. Hat man sich z.B. an die biedere Kulisse und vor allem die Levelschläuche gewöhnt, geht einem nach kurzer Zeit das Inventar-System auf den Senkel. Findet man sich damit ab, sorgen Ungenauigkeiten beim Kampf- und Kontrollpunktsystem für Sorgenfalten. Undsoweiter undsoweiter. In Zeiten von Titan Quest oder dem wahrlich nicht überragenden Silverfall und angesichts nahender Highlights wie Sacred 2, Hellgate London oder Loki gibt es keinen Grund, sich mit Mage Knight zu beschäftigen. Es sei denn, man ist Hack&Slay-Ultrahardcore und muss wirklich alle Genre-Vertreter im Regal stehen haben – so belanglos, technisch schlecht und schlichtweg überflüssig sie auch sein mögen. 

Pro

fünf spielbare Figuren
umfangreiche Fertigkeiten-Bäume
unkonventionelle Charakter-Entwicklung
Waffen/Rüstungen können verbessert werden

Kontra

dürftige Kulisse
magerer Soundbrei
meist Levelschläuche
KI? Fehlanzeige
teils stark abgehackte Animationen
unspektakuläre Kämpfe

Wertung

PC

Technisch, spielerisch, inhaltlich: Alles nur zweite Wahl...

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