Hammer & Sichel28.03.2006, Bodo Naser
Hammer & Sichel

Im Test:

Der Kalte Krieg wird als Szenario immer beliebter. Meist sind es allerdings Spiele aus Osteuropa, namentlich aus Russland, die sich dem heiklen Thema widmen. So auch bei Hammer & Sichel, das jetzt bei CDV erschien. In dem taktischen Rollenspiel-Mix von Nival Interactive dreht sich alles um Spione der ehemaligen Sowjetunion, die im Westen Geheimoperationen durchführen. Dass dabei nicht nur die Darstellung der Geschichte auf der Strecke bleibt, erfahrt ihr im Test.

Historie, klittere dich

Es ist 1949, vier Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg, und deutsche Soldaten erschießen in der zweiten Mission von Hammer & Sichel immer noch Gefangene, als hätte das Kriegsende nie stattgefunden. Dieses Mal sind es die

Legendenbildung - die imperialistischen West-Fieslinge sehen natürlich mal wieder wie Nazis aus.
bösen Wessis, die wie Vaders Geheimtruppen aussehen und einfach so tun, als würde die Nazizeit munter weitergehen. Sogar Frauen mit Dominastiefeln sind darunter. Seltsam - gab es doch zu jener Zeit gar kein westdeutsches Militär, da der paramilitärische Bundesgrenzschutz erst 1951 gegründet wurde und die Bundeswehr gar erst 1956. Die Guten sind ausnahmsweise die Sowjets, die zwar den Westen ausspionieren, aber immerhin für eine gute Sache: Sie wollen den Nuklearkrieg verhindern, der das Paradies der Arbeiter und Bauern bedroht.

Geschichte ist natürlich immer Ansichtssache, die in der Regel von den Siegern diktiert wird. Und so wird die Entstehung des Kalten Krieges sicher in Ost und West auch heute noch anders dargestellt. Natürlich hatten die USA bis 1949 als einziger Staat eine Atombombe und die Hardliner forderten nach dem Sieg über Deutschland, direkt in Richtung Moskau weiterzumarschieren. Umgesetzt wurde nichts davon. Es gibt aber keinen Zweifel daran, dass es Stalin mit seiner unnachgiebigen Haltung war, der das Verhältnis mit den USA aufs Spiel setzte, indem er in Osteuropa ein Land nach dem anderen dem sowjetischen Machtbereich eingliederte. Schließlich war es das Misstrauen auf beiden Seiten, das aus einstigen Alliierten Feinde machte. Der eiserne Vorhang fiel und ging erst 1989 wieder auf.

Agenten-Rollenspiel

Auch spielerisch hat Hammer & Sichel (ab 4,99€ bei kaufen) nicht viel zu bieten. Lässt mich der Kopierschutz mal durch, fängt alles noch ganz lustig an, indem ich meinen Spielcharakter wählen darf. Es sind vier Spezialisierungen möglich, als da sind

Euren Helden der Roten Armee könnt ihr mit allerhand gefundenen Waffen ausrüsten, die aus der Nachkriegsära stammen.  
Späher, Soldat, Scharfschütze und Grenadier. Außerdem kommen noch Ärzte und Techniker im Spiel vor, die erst später zu meinem Trupp stoßen. Alle können schießen, mit dem Messer kämpfen und Granaten werfen. Der Späher kann noch zusätzlich Messer werfen, der Soldat alle schweren Waffen einsetzen, die er findet, und der Scharfschütze zielt besonders gut. Erhalte ich Erfahrungspunkte für gelöste Abschnitte, kann ich damit wie bei Diablo Spezialeigenschaften wie schneller Wurf kaufen. Damit kosten mich Messerwürfe weniger Aktionspunkte in den rundenbasierten Gefechten.

Grundsätzlich herrscht zwar Handlungsfreiheit, im Klartext heißt das aber schon, dass ich ähnlich wie bei Commandos den nächsten Auftrag erfüllen muss. Denn sonst komme ich nicht zur nächsten Karte. Mein Tagebuch informiert mich in knappen Worten, was gerade so anliegt. Ich soll mit einem Geheimagent Kontakt aufnehmen, der aber bei meiner Ankunft erschossen wurde. Klar, dass ich ihn nun rächen soll. Dann wird der dünne Handlungsstrang wieder durch eine wüste Schießerei unterbrochen, so dass er kaum in Fahrt kommt. Immer wieder müsst ihr euch mit bestimmten Personen unterhalten, was aber nicht sonderlich interessant ist. Die Dialoge laufen automatisch ab und zu entscheiden gibt es dabei nur gelegentlich was.

Bockschwere Kämpfe

Das Spiel läuft grundsätzlich in Echtzeit ab, schaltet aber in den Rundenmodus, wenn ich wieder auf Feinde treffe. Dabei fallen mir regelmäßig unerklärliche Ruckler negativ auf, die ein paar Sekunden dauern. Am System kann es nicht liegen, denn die empfohlenen Voraussetzungen sind erfüllt. Beim Kämpfen kann

Die Schießereien sind unfair schwer, weil vieles vom Zufall abhängt. Was eben noch ging, ist plötzlich unmöglich und umgekehrt. 
ich fast alles verwenden, was die Gegner so abwerfen, und ich in Schränken finde: Messer, Pistolen, Karabiner, Handgranaten, Panzerfäuste und Maschinengewehre. Realistisch ist, dass ich mit den historischen Waffen nicht immer treffe, es mal Fehlfunktionen und Rohrkrepierer gibt. Werde ich getroffen, so sinken meine Aktionspunkte und ich bin kaum noch handlungsfähig. Wer blind wird, sieht seine Feinde nicht mehr und kann nur noch grob hören, wo sich diese verbergen.

Obwohl meine Würfe durch ständigen Gebrauch immer tödlicher werden, sterbe ich schon in den ersten Missionen häufiger, als mir lieb ist. Trotz dreier Schwierigkeitsgrade fehlt es dem Spiel an Balancing, da sich die Grade eigentlich nur bei der Speichermöglichkeit unterscheiden. Ich bin noch allein und mein Späher ist kaum zu gebrauchen, da er nicht gerade ein großer Gewehrschütze ist. Genau das ist aber am Anfang gefragt. Mit seinen Wurfmessern trifft er zwar genau, aber er kommt nicht weit und muss diese erst mühsam wieder einsammeln. Außerdem habe ich die Möglichkeit übersehen, verbündete Dorfbewohner einzusetzen, da die Karten nicht gerade übersichtlich sind und eine Minikarte fehlt. Der Mensch, mit dem ich mich unterhalten soll, steht leider etwas abseits.

              

Beinharte KI

Die Gegner-KI scheint zu allem Überfluss allwissend zu sein, was mich vollends zur Verzweiflung treibt. Die Feinde finden mich auch, wenn ich hinter einem Haus getarnt auf der Lauer liege. Haben sie den Röntgenblick oder wie können

Obwohl die Räume detailliert aussehen, bieten sie recht wenig Interaktionmöglichkeiten.
sie nur von mir wissen? Auch sonst sind die Computergegner übermächtig, denn sie schießen viel besser als die eigenen Leute. Hier zahlt es sich ausnahmsweise aus, dass vieles vom Zufall abhängig ist - auch der Ausgang der Kämpfe. Wo ich zuvor keine Chance hatte, explodiert den Computersoldaten die Stabgranate in der Hand und alle werden in die Luft gesprengt. Die eigenen Leute haben Probleme bei der Wegfindung, denn wenn ich auf einen weiter entfernten Punkt klicke, finden sie ihn nicht und machen unsinnige Umwege.

Bedienung

Die Steuerung erweist sich immer wieder als umständlich, da vieles nicht automatisch passiert. So muss ich immer, wenn ich ein höheres Stockwerk gehe, die Höhe erst manuell einstellen. Oft kommt es vor, dass ihr warten müsst, der Ablauf der Zeit lässt sich aber nicht schneller machen. Auch das Einsammeln der Waffen ist recht umständlich, da viele der Objekte einfach winzig sind. Der Schwenk mit der Kamera sollte viel einfacher gehen, denn ihr braucht ihn immer wieder, um wichtige Dinge zu entdecken. So überseht ihr schon mal das leichte MG im Schrank, das die Feinde auf Distanz hätte halten können. Solche Möglichkeiten sind ohnehin Mangelware, denn die meisten Häuser sind das Betreten nicht wert.

Nur ein Streifschuss

Auch das mit der angeblichen Ragdoll-Einbindung erweist sich als Mogelpackung, denn besonders überzeugend beißen die Imperialisten nun nicht gerade ins Gras. Gut nicht alle Leichen sehen gleich aus und sie bewegen sich,

Die Sauerei nach den Kämpfen wird auf der Verpackung vollmundig Ragdoll genannt.
wenn auf sie geschossen wird, aber mit physikalisch korrekt dargestellten Toten, wie ihr sie vielleicht aus echten Toptiteln wie Far Cry, Half-Life 2 oder F.E.A.R. kennt, ist das nicht zu vergleichen. Schön sieht wieder das Zerplatzen eines Gartenzauns aus, der von einem Schuss getroffen wird. Pflanzen und Boden sind wenig ansehnlich. Insgesamt ist die Grafik aber eher unterer Durchschnitt, auch weil ihr bis aufs Intro nur mit Zwischensequenzen in 3D-Spielgrafik abgespeist werdet.

Negativ fallen die fiesen Gore-Effekte auf, die die USK wohl schlicht übersehen hat. Trotz abgeschossener Köpfe, umherfliegender Leichen und Blutlachen ist das Spiel unverständlicherweise ab 16 Jahren eingestuft. Mit Ragdoll hat auch das reichlich wenig zu tun, denn dabei geht es um die Bewegung des Körpers und nicht um fiese Verletzungen.

Lästiger Sound

Ich bin nun wirklich der Letzte, der etwas gegen Heavy-Metal hätte, denn ich fahre auf Bands wie Metallica, Ozzy Osbourne oder Nirvana ab. Allerdings müssen harte Klänge auch passen, was hier nicht der Fall ist, obwohl sie nur während der Kämpfe das Ohr belästigen. Ansonsten läuft wieder mal unpassende Fahrstuhlmusik, die nichtssagender nicht sein könnt. Noch nerviger als die Musik sind die deutschen Kommentare des Protagonisten, die wohl cool sein sollen, aber schlicht dümmlich sind. Der nicht gerade professionell klingende Sprecher kommentiert das Wegfliegen eines Kopfes mit dem lustigen Unterton "Der ist am Ende". Die anderen Sprecher sind auch nicht besser

    

Fazit

Hammer & Sichel ist leider weit davon entfernt, ein neues Fallout zu sein, denn das Sündenregister des russischen Rollenspiel-Mix ist ellenlang. Es gibt viele Punkte, an denen man spontan an Aufgabe denkt, was sich auf die Motivation, weiter zu spielen, verheerend auswirkt. Allein der Schwierigkeitsgrad dürfte viele abschrecken, da sie nicht schon am Anfang unfaire Kämpfe gegen allmächtige KI erwarten. Obwohl es zur Zeit des Kalten Krieges spielt, kommt null Spionage-Feeling auf, was sicher auch daran liegt, dass die Nachkriegszeit völlig falsch dargestellt wird. Die Pseudonazis, die im Westen umhertollen, sind einfach nur lächerlich. Sollte das wirklich das gängige Geschichtsbild im Russland Putins sein, dann ist mir jedenfalls angst und bange. Der Charakteraufstieg samt Spezialfähigkeiten geht in Ordnung, aber: Wer spielt denn so weit, wenn er immer neu laden muss? Auch die Gore-Effekte wirken anders als bei Horror-Szenarien deplaziert und dienen nur der Sensationsgier auf Bildzeitungsniveau. Von Ragdoll bis auf umherfliegende Glieder keine Spur. So gibt es wenig, was für Hammer & Sichel spricht. Insgesamt vermittelt es den Eindruck, als wäre es ohne groß zu überlegen, lieblos hingeklatscht worden.


Pro

unverbrauchtes Szenario
motivierende Rollenspielelemente
neue Fähigkeiten einkaufen
rundenbasierte Kämpfe
Waffen haben Fehlfunktionen
nette Explosionen

Kontra

viel zu schwer
zweifelhaftes Geschichtsbild
langweilige Story
schwache Dialoge
unübersichtliche Karten
unerklärliche Ruckler
Kopierschutz nervt
fiese Gore-Effekte
kein Ragdoll
unpassende Musik
schlechte Sprachausgabe

Wertung

PC

Wer noch an den "guten Onkel Stalin" glaubt, der spielt auch das gern

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