City Life04.05.2006, Bodo Naser
City Life

Im Test:

In City Life (ab 19,98€ bei kaufen) von Monte Cristo geht es weniger um reinen Städtebau als um die Bewohner, deren widerstreitende Wünsche ihr als Bürgermeister unter einen Hut bringen müsst. Leider kommt ihr schnell zu der Erkenntnis, dass das Zauberwort "Trennung" und nicht "Gemeinsamkeit" heißt. Denn Multikulti funktioniert auch hier nur bedingt. Aber lest selbst. 

Klassenkampf gefällig?

Wie sollen die Einwohner einer Siedlung zusammenleben, damit alle glücklich sind? Mit dieser fast schon philosophischen Frage lässt mich City Life zunächst allein, denn ein spielbares Tutorial fehlt leider. Ein paar Standbilder mit kryptischen

Es gibt fünf Klimazonen, in denen ihr eure Stadt errichten könnt.  In der Ebene ist es einfacher als in den Bergen. 
Symbolen und knappen Erklärungen müssen reichen, bei denen ich etwa erfahre, dass einige der sechs Gruppen nicht mit anderen können. Arbeiter mögen Hippies nicht. Wer hätte das gedacht? Ich mache mir also selbst meine Gedanken: Es wäre doch schön, wenn jeder in der Stadt sein Auskommen hätte, gut versorgt und wohlbehütet seinen Interessen nachgehen könnte und es keinen Krawall gäbe.

Genau, das ist es eigentlich. Und genug Platz, das in die Tat umzusetzen, gibt es auf den Karten der Szenarien auch. Sollte der wider Erwarten nicht reichen, könnt ihr angrenzende Gebiete zukaufen. Bei den Szenarien stehen fünf verschiedene Regionen von gemäßigt über küstennah und bergig bis sonnig zur Verfügung. Je nach Gelände werden auch mehr Leute angezogen, was wiederum den Schwierigkeitsgrad einer Mission bestimmt. Zu Beginn sind nur einige Szenarien spielbar. Wem das zu eng ist, der kann auch im freien Modus die Metropole seiner Träume errichten. Einen Multiplayer gibt es nicht, der aber bei Spielen dieser Art schwer zu verwirklichen ist.

Hippingen

Also lege ich los. Zunächst errichte ich ein Rathaus als Stadtzentrum und rings um einige Wohnhäuser, die zu Beginn jeweils nur eine Person beherbergen. Später kommen noch Häuser mit mehr Stockwerken hinzu, die bis zu sechs Bürger fassen. Dann warte ich, was für Leute einziehen. Ein Arbeiter kommt und einige Hippies. Auch ein Tagelöhner findet sich ein, den ich für eher niedrige Tätigkeiten brauche. Eine gute Mischung, denke ich mir. Ich baue also einen Arzt, einen Laden und einen Müllplatz. Den und die Kläranlage lieber etwas außerhalb, da der Gestank in einem Umkreis negative Auswirkungen hat. Dann noch ein Windrad, das Ökostrom produziert. Wahlweise könnt ihr auch ein dreckiges Kohlekraftwerk errichten, das aber viel mehr Strom liefert.

Jetzt nur noch ein Fastfood-Restaurant errichtet und dann mal abwarten, was passiert. Halt, ich habe noch ein paar Arbeitsplätze vergessen. Die sind wichtig für meinen Stadtsäckel, wo die Überschüsse hinwandern. Also baue ich mir im Wohnviertel eine Druckerei, da die keine Emissionen auslöst. Eigentlich müsste nun alles blühen und gedeihen. Doch das Gegenteil ist der Fall. Bald habe ich keinen Arbeiter mehr, was für die kleine Werkstatt an der Ecke nicht gut ist, denn sie ist ohne Beschäftigte. Auch der Arzt braucht Helfer, um effektiv zu behandeln. Dafür ziehen immer mehr Hippies in meine Stadt, die mit ihren knallbunten VW-Bussen durch die Straßen kurven. Schließlich verkrümelt sich auch noch die Unterschicht und ich habe 100 Prozent Blumenkinder als Bewohner.

Job-Maschine anschmeißen

Was lief schief? So schwierig kann es doch nicht sein, denke ich mir und starte gleich noch einmal eine Partie. Dieses Mal fällt mir gleich auf, dass die Viertel eigentlich durch verschiedene Farben markiert sind. Rosa für die Hippies, blau

Invasion der Hippies! Wer nicht aufpasst, hat bald die bald die bunteste Stadt, in der sich nur noch Blumenkinder tummeln.  
für die Arbeiter und grau für die Tagelöhner. Jedes Wohnviertel wird durch speziellen Bauten wie Textilfabrik, Konzerthalle oder Kino festgelegt, die für jede Gruppe existieren. Wenn ich nur Gebäude für Hippies errichte, ziehen auch nur diese ein. Praktisch und verhängnisvoll zugleich... Ich baue nur noch blaue Sachen und schon habe ich das schönste Arbeiterviertel. Das Hippieviertel entsteht räumlich getrennt davon, da so Reibereien im Keim erstickt werden.

Für die Malocher ist es elementar, eine Arbeit zu haben, sonst sind sie nicht zufrieden. Ihr könnt deshalb so viele gleiche Fabriken errichten, wie ihr wollt. Auf die Wirtschaft hat das keinerlei Auswirkungen, da diese nur der Jobbeschaffung dienen. Sie produzieren nichts und stehen so auch nicht in Konkurrenz, weshalb es egal ist, ob ihr drei oder 30 PKW-Werke habt. Meine Stadt wächst und wächst, wobei ich Geld ohne Ende einnehme. Klar, denn die Arbeiter zahlen viel mehr Steuern als Hippies und Tagelöhner. Hinzu kommen Einnahmen von Großprojekten wie einer Spielbank, die sündhaft teuer sind. So kann ich mir Feuerwehr und Polizei leisten, die Unsummen verschlingen, aber für ein Sicherheitsgefühl sorgen.

                     

Was geht noch?

Wenn eine Stadt mal läuft, dann gibt es eigentlich wenig, was sie noch aus der Bahn werfen kann. Keine Erdbeben, Ufo-Landungen oder Godzilla-Attacken wie bei Sim City! Keine brennenden Mülltonnen, Aufstände und auch

Die Stadt wuchert in alle Richtungen. Den unaufhaltsamen Höhenflug könnt ihr nur noch mutwillig vergeigen.
kein Atomkraft, das explodieren könnte. Meine Einwohner sind glücklich, das es fast schon langweilig ist. Ständig erhalte ich kriecherische Nachrichten, wie gut es ihnen geht. Nicht einmal ein Schlichtungsstelle brauche ich, da sich meine Bewohner auch so vertragen. Erst wenn die Viertel aufgrund der Ausdehnung der Stadt aneinander stoßen und neue Klassen entstehen, könnte sich das schlagartig ändern.

Eine gewisse Routine schleicht sich ein. Ich koche mir schon mal einen Tee, um die Zeit zu überbrücken, bis ich wieder genug Geld für einen neuen Wolkenkratzer habe. Selbst die Gebäude sind kinderleicht zu bauen, da sogar die Straßen automatisch verlegt werden, wenn ihr das möchtet. Die Straßen stellen die Verbindung her, damit die Leute auch an ihren Arbeitsplatz gelangen. Auch hier könnt ihr Schnellstraßen, Autobahnen und Brücken errichten, die mehr Geld für Wartung kosten. Leider bietet auch der Bau einer neuen Stadt wenig Neues, da er trotz neuem Terrain ganz ähnlich abläuft.

Späte Herausforderungen

Trotz allem gibt es auch im späteren Spiel noch Herausforderndes, das mich länger bei der Stange hält. Obwohl es nicht übermäßig viel Gebäude gibt, kommen immer wieder neue wie der Friedhof hinzu, die erst aber einer

Wohin nur mit den Besserverdienern? Abseits des Trubels könnte ihre Ansiedlung gelingen, da es hier weniger Spannungen gibt. 
bestimmten Einwohnerzahl freigeschaltet werden. Auch der Tourismus spielt erst ab einer gewissen Größe der Stadt eine Rolle: Ihr könnt dann Hotels errichten, zunächst klein aber mit zunehmender Einwohnerzahl immer größer. Genauso wie einen Flughafen, ein Taxi-Netz und eine U-Bahn. Gut auch, dass mir das Spiel immer wieder die Wahl lässt, wie ich konkret vorgehe. Die Sache mit dem Strom ist da nur ein Beispiel: Lieber teuren Ökostrom oder doch billigen Strom, der die Umwelt verschmutzt? 

Ein Anreiz durchzuhalten, sind die neuen Schichten, die eure Stadt in Unordnung bringen. Die besseren Kreise müsst ihr euch erst freispielen, indem ihr Aufstiegsmöglichkeiten schafft. In einer Musikstudio werden aus den lahmen Hippies Trendsetter, die viel Geld verjubeln. Ihr braucht natürlich auch Bildungseinrichtungen wie Schule, Bibliothek oder Gymnasium, damit aus euren Arbeitern Schlipsträger werden, die dann die Fabriken managen. Das bringt mehr Geld als eine Werkstatt ohne Chef. Auch wenn sie nicht derart individuell wie bei den Sims sind, gibt es für sie selbstverständlich auch spezielle Vergnügungen und Arbeitsstätten wie das Architekturbüro.

Grafik und Sound

Klar, dass ein Spiel wie City Life viele Statistiken, Spezialkarten und Auflistungen bereit hält, die allerdings recht übersichtlich gestaltet sind. Aber so trocken, wie sich jetzt vielleicht das liest, ist es gar nicht. Optisch kann

In den Straßen tummeln sich bei näherer Betrachtung Klone.
 sich das 3D-Spiel durchaus sehen lassen, wie ihr beim Zoom von ganz oben nach ganz unten aufs Straßenpflaster seht. Mit Tycoon City: New York kann es sich trotzdem nicht ganz messen, denn dafür sind zu viele Klone auf dem Bürgersteig unterwegs. Die amerikanischen PKWs gleichen sich ebenfalls wie ein Ei dem anderen. Obwohl sich der Detailgrad einstellen lässt, sind die Gebäude weniger detailreich und ein echtes Gewusel gibt es auch eher selten. Die Präsentation ist eher nüchtern, da es abgesehen von den Erinnerungen rechts unten keine auflockernden Zwischensequenzen oder Filme gibt. Natürlich entfällt so auch die Belohnung in Form eines kurzen Filmbeitrags, wie es sie bei Tycoon City nach bestandenen Missionen gab.

Die Musik, die sich bestenfalls als unauffällig bezeichnen lässt, kommt leider beim Laden und Speichern ins Stocken, was zum Sound-Ruckeln führt. Wenn ihr die Musik ausschaltet, dann wird die ganze Misere der kaum vorhandenen Geräuschkulisse offenbar. Anders als bei Tycoon City, wo einzelne Personen zu hören waren, ist auf der Straße nur Geräuschmatsch zu vernehmen. Auch in punkto Sprachausgabe gibt sich City Life eher stumm wie ein Fisch, denn sie glänzt leider durch Abwesenheit. Tipps bekommt ihr also in bildlicher Form. 

           

Fazit

Am Anfang macht City Life trotz fehlender Einführung einen Heidenspaß, da es gar nicht einfach ist, euer noch winziges Städtchen zum Erblühen zu bringen, Steuergelder einzunehmen und es gleichzeitig allen recht zu machen. Die sechs Klassen sind einfach ein toller Einfall, aus dem man aber noch mehr rausholen hätte können. Habt ihr nämlich erst einmal geschallt, wie der Hase im Stadtgebiet läuft, wird alles zur Routine. Löcher im Stadtsäckel kommen dann nur noch selten vor. Spannend wird es noch einmal, wenn die Reichen Einzug halten. Sie wirbeln alles durcheinander und bringen Unordnung in die urbane Idylle. Wohin nur mit ihren Quartieren, ohne dass es Zoff gibt? Danach fällt die Motivation dann aber leider ab, da auch eine neue Partie recht ähnlich verläuft. Hier rächt es sich, dass es keine dynamische Wirtschaft gibt, die mehr Spannung bringen könnte. Wie wäre es mit einer Wirtschaftskrise, die eure Stadt an den Rand des Untergangs bringt? Oder mit einem Tsunami, der alles wegspült? Solche Herausforderungen fehlen leider, so dass das Ganze etwas statisch wirkt. Dennoch erfreulich, dass nach Tycoon City noch ein insgesamt gutes Aufbauspiel mit netter 3D-Optik den Weg zu uns gefunden hat.

Pro

sechs Bevölkerungsschichten
motivierende Aufbauarbeit
Gebäude erst nach und nach
gewisse Entscheidungsfreiheit
Aufstieg zur besseren Klasse
einfacher Häuserbau
tolle Nah- und Fernansicht

Kontra

schnell durchschaut
Wirtschaftskreislauf fehlt
jede Partie spielt sich ähnlich
recht zeitintensiv
kein gescheites Tutorial
Klone auf den Straßen
nüchtern präsentiert
Sound holpert
keine Sprachausgabe
kein Multiplayer

Wertung

PC

Es geht weniger ums Städtebauliche als um das Zusammenleben von Reich und Arm.

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