Undercover - Operation Wintersonne03.10.2006, Bodo Naser
Undercover - Operation Wintersonne

Im Test:

Spätestens nach der Niederlage bei Stalingrad war der Zweite Weltkrieg für die Deutschen nicht mehr zu gewinnen. Den "Endsieg" hätten allenfalls noch "Wunderwaffen" bringen können, auf die die Naziführung vergeblich hoffte. In Undercover: Operation Wintersonne von Sproing Interactive geht es um eine Waffe, die den Alliierten ganz besonderes Kopfzerbrechen bereitete. Kann das Spionage-Abenteuer wie eine Bombe einschlagen oder wird es von seinen Mängeln entschärft?

Atombombe für Hitler?

Gab es wirklich so etwas wie ein deutsches Atombombenprojekt im Zweiten Weltkrieg? Die Antwort ist zwar umstritten, es spricht aber wohl vieles dafür, dass die Deutschen noch weit davon entfernt

Der Professor treibt sich mit Agenten rum, weil er ein Held sein möchte. Seine Motive bleiben im Nebel.
 waren, einen eigenen Uranreaktor zu bauen. Dies geht auch aus den Aussagen des Physikers Carl Friedrich von Weizsäcker hervor, der wie Werner Heisenberg selbst an der Nuklearforschung beteiligt war. Obwohl er bereits im Sommer 1942 ein Patent dafür anmeldete, war laut Weizsäcker die strapazierte deutsche Kriegswirtschaft damit überfordert, die für die Uranwaffe nötigen Ressourcen zu beschaffen.

Nichtsdestotrotz wird der Alptraum einer Atombombe in Händen der Nazis in Undercover: Operation Wintersonne zur bitteren Realität. In dem Point&Click schlüpft ihr in Haut von Professor John Russell, der als Physiker in London vom britischen Geheimdienst angeworben wird. Als bekannter Fachmann soll Russell zusammen mit einem ausgebildeten Agenten ins "Tausendjährige Reich" reisen, um das deutsche Manhattanprojekt noch in letzter Minute zu verhindern. In Berlin angekommen, muss er zunächst einen Weg finden, in das streng bewachte Kaiser Wilhelm Institut (KWI) hineinzukommen, wo die Kernforschung betrieben wird. Es wird klar, dass alles viel schlimmer ist als erwartet...

Realität trifft Fiktion

Prinzipiell ist nichts gegen eine Vermischung von Realität und Fiktion einzuwenden, solange sie nur stimmig und gut gemacht ist. Genau daran fehlt es bei Undercover, denn die Story weckt zwar zunächst die Neugier, sie wird aber trotz filmähnlicher Inszenierung zu oberflächlich erzählt.  Zwar kommen Heisenberg, das KWI und das Geheimlabor in Haigerloch vor, der Fokus des Adventures liegt aber eindeutig auf dem Lösen von Rätsel und nicht so sehr im Erzählerischen. Das ist angesichts des ernsten Themas schade, dient doch eine ausgefeilte Story auch dazu, euch bei der Stange zu halten und zu motivieren. Das Gefühl, wirklich die Welt vor der Uranbombe zu retten, kommt leider selten auf; das Adventure wird daher in der Mitte langweilig.

Bevor ihr von spannungsgeladener, aber unauffälliger Musik begleitet deutschen Boden betretet, gibt es genau eine kurze Szene beim britischen Geheimdienst MI6. Ihr erfahrt weder etwas über die Bombe noch über den Helden oder die anderen Beteiligten. Obwohl der Colonel dem Professor

Ob in verstaubten Schränken, Schubladen oder Nebenräumen, der Held sucht eigentlich immer irgendwas. Oft fragt sich wofür. 
zunächst misstraut, wird er nur Minuten später angeworben. Wie kam es zu dem Sinneswandel? Warum nimmt der Secret Service nicht einfach einen ausgebildeten Spion? Wie kommen die Agenten überhaupt in die Festung Europa rein, die doch von den Nazis bewacht wird? Es ist die Rede davon, dass sie mit dem Boot anlanden. Aufgrund der Kriegschiffe im Ärmelkanal dürfte das 1943 quasi unmöglich gewesen sein.

Blasse Akteure

Obwohl Russel offenkundig ein netter Zeitgenosse ist, bleibt er dennoch weitgehend blass. Sympathisch ist er immer dann, wenn er seine Erfahrung als Physiker einfließen lässt. So erkennt er im Tagebuch des Institutsleiters sofort seinen eigenen Arbeitsalltag in England wieder, der genauso öde ist. Trotz Krieg ist man sich also näher, als man denkt. Seine Motive sind dennoch wenig überzeugend. Ist es wirklich der patriotische Dienst am Vaterland, der ihn zum Agenten wider Willen macht? Das will so gar nicht zu seiner unideologischen Art passen, mit der der spröde Wissenschaftler die Dinge sonst anzugehen scheint. Schnödes Geld, Frauen oder Rache wären da fast noch glaubhaftere Motive gewesen.

Sei es wie es sei, sein Wissen bringt dem Helden natürlich auch klare Vorteile. Da sich ein Naturwissenschaftler seines Kalibers natürlich auch ein wenig mit Chemie auskennt, mixt Russel immer wieder Cocktails zusammen, die es in sich haben. Streng nach gefundenem Rezept schmeißt ihr zwei drei harmlose Zutaten zusammen und schon habt ihr ein Elixier, das euch weiterbringt. Was ihr mit reinigendem Spiritus, schmierende Seifenlauge oder ätzende Säure genau anstellen könnt, wird hier natürlich nicht in allen Einzelheiten verraten.

Teils heftige Rätsel

Die Rätseldichte ist ähnlich hoch wie bei Geheimakte: Tunguska, so dass ihr nicht lang zu laufen braucht, um aufs nächste Puzzle zu stoßen. Die Qualität der teils schweren Aufgaben kommt allerdings nicht an Tunguska ran und ist eher was für Knobelfreunde mit Auge fürs Inventar als für Logiker. Da die Hinweise mehr als vage sind, läuft es oft auf bloßes Ausprobieren raus. Das gute alte "jeder Gegenstand im Inventar wird einfach ausprobiert" kommt hier zu ganz neuen Ehren. Anders sind die unklaren Ziele oft nicht zu entdecken.

Immerhin könnt ihr euch im Einsteigermodus anzeigen lassen, wo die Gegenstände in einem Raum versteckt sind. Das ist auch bitter nötig, denn Nahaufnahmen der wichtigen Dinge gibt es nicht immer.

In so gut wie jedem Raum erwartet euch ein Rätsel. Was ihr tun müsst, findet ihr oft nur mit einiger Mühe raus. 
Die Puzzles selbst werden so nicht entschärft, weshalb das Abenteuer bei Neulingen Frust produzieren dürfte. Oft sind an einem Ort gleich mehrere Sachen verborgen, die ihr auf einen Rutsch hervorholt. Natürlich ist es nötig, Gegenstände miteinander zu kombinieren, damit etwa eine Wasserflasche mit Schlauchaufsatz entseht. Praktisch ist ferner, dass ihr auch rennen und gleich zum Ausgang springen könnt.

Wie sollt ihr ohne Tipp herausfinden, welche Kombination die richtige ist, um die oberste von sechs Schubladen zu entriegeln. Das sind einfach zu viele Möglichkeiten, um sie durchzuprobieren, weshalb nur die Komplettlösung weiterhilft. Wie sich später rausstellt, stimmt hier die Reihenfolge der Puzzles nicht, da der Hinweis erst im nächsten Raum schlummert, wo ihr noch gar nicht reinkönnt. Ähnlich ist es mit einer Kombination für eine Geheimtür, die sich angeblich aus dem Tagebuch des Institutsleiters ergeben soll. Der ist jeden Morgen um 7:55 Uhr erschienen, was dann die einzustellende Uhrzeit ist. Wer soll denn da von selbst drauf kommen?

                             

Gespräche

Die Dialoge bei Undercover sind leider nicht sehr prickelnd, denn was ihr fragt, ist ohne Bedeutung. Die normalen Multiple Choice-Gespräche sind wenig ansprechend und dienen ohnehin nur der bloßen

Gequasselt wird viel unter den Agenten, aufschlussreich ist allerdings das Wenigste davon. 
 Informationsbeschaffung. Wollt ihr, dass euch ein Charakter einen Gegenstand überreicht, müsst ihr ihn schon ausquetschen. Ihr müsst allerdings schon alles fragen, um ein Ergebnis zu erzielen. Wer hier mehr über die anderen Charaktere erfahren will, hat schlechte Karten. Ein wenig spannender wird es immer dann, wenn eine Zwischensequenz in Spielgrafik weitere Details des Bombenprogramms verrät.

Immerhin sind alle Gespräche vertont, was recht beachtlich ist. Die deutsche Sprachausgabe wurde professionell aufgenommen, die ganz bekannten Stimmen sind aber nicht zu hören. Die Synchronsprecher schaffen es dennoch nicht, den farblosen Figuren mehr Leben einzuhauchen. Über das übliche Agentengequatsche hinaus, ist wenig geboten. Ein wenig spannender wird das zähe Zusammenspiel der Charaktere, als die umstrittene Spionin Anne auf den Plan tritt. Wenigstens ist nun ein Schüsschen Sex dabei...

Naziherrschaft light

Schauplätze wie Berlin oder Haigerloch sind authentisch wiedergegeben, auch wenn ihr bisweilen meinen könntet, dass Deutschland gar nicht von einem Terrorregime regiert wird.  Hakenkreuze wird der Geschichtsinteressierte vergeblich suchen, denn sie wurden aufgrund unserer Rechtslage durch ein schematisches eisernes Kreuz auf weiß-roter Flagge ersetzt. Das, was in amerikanischen Spielfilmen wie Indiana Jones gezeigt werden darf, muss hier leider draußen bleiben. Ein Bild Hitlers wurde z.B. zur Abbildung irgendeines Militärbonzen umgedeutet. Das sind Mankos, die man natürlich nicht den Entwicklern ankreiden kann.

Insgesamt wird der Schrecken allerdings auch erzählerisch nicht greifbar, da Ort und Zeit auswechselbar bleiben. Ob das Abenteuer nun in

Nazis mit gesetzlichem Weichspüler: Hakenkreuze konnten die Macher nicht darstellen, was unecht wirkt.
Tokio, Rom oder Moskau, im Ersten Weltkrieg, im Kalten Krieg oder im Iran unserer Tage spielt, ist letztlich völlig zweitrangig. Obwohl Wehrmachtssoldaten, Nazi-Schergen und SS-Offiziere vorkommen, dient das alles nur als bloße Staffage für die maue Agentenstory. Hier fühlt ihr euch also wirklich wie in einem billigen Abenteuerfilm.

Zweckgrafik

Die Grafik ist der für Point&Click typische Mix aus 2D-Hintergründen und davor agierenden 3D-Figuren, ohne allerdings große Highlights zu setzen. Im Gegensatz zu Sokals prächtigen Adventures ist die Darstellung ganz und gar unkünstlerisch und dient allein dem Zeck, die Objekte und Akteure abzubilden. Sogar die Prachtbauten in Berlin oder die Idylle in der deutschen Provinz sind bemerkenswert unspektakulär geraten. Daran ändern auch gelegentlich Effekte wie Schatten nichts. Immerhin trifft das Spiel den Stil der 40er-Jahre ganz gut, wenn man von Annes allzu männlichem Auftreten mal absieht. Sie wäre der Gestapo sicher aufgefallen in einem Staat, der Doktrin ausgab, dass die Frauen an den Herd gehörten.

Die Zwischensequenzen sind selten. Nicht jede gelungene Aktion wird von einer Filmsequenz gekrönt, wie das bei Tunguska der Fall war. Die Nahaufnahmen sind zudem nicht sonderlich gelungen, was an den Animationen der Akteure liegt. Aus der Nähe betrachtet machen die 3D-Charaktere nicht immer eine gute Figur, da sie unförmige Hände haben und sich eckig bewegen.

             

Fazit

Grundsätzlich ist es eine gute Idee, Elemente von Agentenspiel und Point&Click-Adventure zu vermischen. Allerdings muss die Idee dann auch richtig zünden, woran es bei Undercover leider mangelt. Die Story um die deutsche Uranbombe ist zwar anfänglich interessant, wird aber völlig uninspiriert erzählt. Wenn man schon dieses komplexe Szenario wählt, dann muss man auch erzählerisch Butter bei die Fische machen, statt mir alle paar Spielstunden mal ein Infohäppchen vorzuwerfen, das ich mir auch aus dem Internet hätte saugen können. Fragen bleiben unbeantwortet: Wie kann es sein, dass Deutschland 1943 bereits über eine Atomwaffe mit Antrieb verfügte, wenn man in echt diese bis Mai 1945 nicht bauen konnte? Das Gewäsch der blass bleibenden Akteure dreht sich hingegen meist um irgendwelchen Agentenkram, der wenig spannend ist. Wer hier wen im MI6 nicht leiden kann, interessiert in diesem Zusammenhang nun wirklich nicht. Schließlich steht die Existenz Großbritanniens auf dem Spiel, oder? Die Rätsel sind zwar zahlreich, dicht serviert und haben es in sich, sie sind aber vielfach nicht ohne Komplettlösung zu meistern, weil schlicht Hinweise fehlen. Wie sollt ihr etwa wissen, dass ihr die Heizung hochdrehen müsst, um den Wehrmachtssoldaten wieder zum Einschlafen zu bringen? Das ist doch an den Haaren herbeigezogen - auch ein Grund dafür, weshalb ihr auf halber Strecke die Lust verliert. Undercover ist trotzdem realistischer als etwa die Abenteuer von Indiana Jones. Die Macher sind bemüht, die Personen, Geschehnisse und Schauplätze authentisch wiederzugeben, es fehlen aber vertiefende Details. So bleiben Lücken, die nicht geschlossen werden. Die Misch-Grafik ist ohne Höhen und Tiefen, was auch wieder zum Eindruck beiträgt, das Spiel kratze nur an der Oberfläche. Tunguska hat da wesentlich mehr Spaß gemacht.

Pro

Mischung auf Realität und Fiktion
zunächst interessant
authentische Schauplätze
hohe Rätseldichte
Aktionspunkte zeigen lassen
spannungssteigernde Musik
alle Gespräche mit Sprachausgabe

Kontra

Story oberflächlich erzählt
wird zur Hälfte langweilig
teils zu schwere Rätsel
Hinweise oft zu vage
Reihenfolge der Rätsel stimmt teils nicht
Held bleibt blutleer
Grafik ohne Highlights
wenig Zwischensequenzen

Wertung

PC

Die Story ist oberflächlich erzählt, was der Motivation abträglich ist. Nach der Hälfte fliegt es in die Ecke.

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