Sid Meier's Railroads!03.11.2006, Bodo Naser
Sid Meier's Railroads!

Im Test:

Railroads! ist der legitime Nachfolger von Railroad Tycoon, denn es wurde von Sid Meier entwickelt, der die Reihe einst ins Leben rief. Das bei 2K Games erschienene Spiel will Eisenbahn- und Wirtschaftsimulation in einem sein. Ganz nebenbei möchte Firaxis auch noch Modellbahnfeeling vermitteln, wofür die gewöhnungsbedürftige 3D-Grafik steht. Warum der neue Tycoon enttäuscht, erfahrt ihr im Test.

Pionierleistungen ade

Was mich seinerzeit am letzten Railroad Tycoon fesselte, waren die großen Ingenieursleistungen, die ihr vollbringen musstet. Eine Eisenbahn über die Alpen, die Rocky Mountains oder gar den

Bei Railroads! ist eigentlich nichts eine Heldentat. Auch nicht Geschwindigkeitsrekorde, die ihr nebenei holt. 
 Kilimandscharo war mit allergrößten Anstrengungen verbunden. Ihr musstet euch zuerst in der Ebene das Geld verdienen, um es dann in die Großprojekte zu stecken. Oft genug drohte die Pleite, weil ihr euch zu früh an die himmelsstürmenden Schienenbauten wagten. Eine Bahntraße zu bauen, dauerte daher fast genauso lang wie eine Fahrt mit der transsibirischen Eisenbahn.

Hier wird der erste große Unterschied zu Railroads! deutlich: Die bahnbrechenden Leistungen sind ein für alle mal passee, denn eine Eisenbahn ist selbst über größte Entfernungen schnell gezimmert. Ihr verbindet kurz mal München mit Frankfurt mit Hamburg, als wäre das gar nichts. Unter Gebirgen baut ihr einfach Tunnels durch, die nicht mal viel kosten. Riesige Flüsse überspannt ihr ebenso wie Meeresarme schon 1830, wenn ihr das wollt. Eine Pleite ist in weiter Ferne gerückt, da ihr beim Transport Millionen scheffelt, ohne einen Finger krumm zu machen. Für Anfänger mag der schnelle Erfolg zunächst nett sein, aber wo ist denn da die Herausforderung?

Aufträge im Vorbeirollen

Die euch in den sieben historischen Szenarien gestellten Aufgaben tragen kaum etwas dazu bei, dass es sonderlich viel anspruchsvoller wird. Zwar sind sie recht unterschiedlich, je nachdem ob sie in Amerika, Großbritannien, Frankreich oder Deutschland spielen, sie sind aber trotzdem stets einfach zu lösen. Meist müsst ihr ein paar Städte verbinden, eine bestimmte Anzahl von Waren in eine Stadt liefern oder eine Anzahl eurer eigenen Aktien halten. Auch wenn das Szenario in der Beschreibung als schwer bezeichnet wird, ist das bis zum jeweiligen Jahr schnell gemacht. Ihr könnt auch ganz ohne Vorgaben und Gegner euer Eisenbahnimperium aufbauen.

Zwar existieren verschiedene Schwierigkeitsgrade, die Einstellung der Startbedingungen ändern daran aber nur wenig. Ob ihr nun mit 400.000, 200.000 oder gar nur 100.000 Dollar, Pfund oder Mark startet, spielt kaum eine Rolle. Der Einstieg ist immer kindereinfach. Die Computergegner sind euch zwar voraus, aber ihr holt sie später wieder ein. Die Regeln fürs Passieren der Züge, die ihr auch ändern dürft, bringen da schon etwas mehr, da ihr gezwungen seid, mehr Schienen zu bauen. Auf der schwierigsten Stufe blockieren sich die Züge nämlich vollständig, wenn sie aneinander vorbeifahren, auf der einfachsten tun sie so, als wäre nichts gewesen.

Selbstläufer

Railroads! ist ein Spiel, das sich beinahe von selbst spielt. Viele Dinge sind automatisiert, wie etwa der Schienenbau. Ihr zieht das virtuelle Gleis einfach per Maus, bis wohin ihr wollt und Dämme, Brücken

Das Platzieren der Schienen könnte anfänglich nicht einfacher sein, aber eben auch nicht uninteressanter.
oder Tunnels bauen sich wie von Geisterhand von selbst. Erst im späteren Spielverlauf wird es eng in den Städten, da überall kreuz und quer Gleise entstehen. Die KI scheint wenig von Ordnung zu halten. Dann müsst ihr Doppelgleise und Weichen bauen, was oft nicht einfach ist. Es entsteht ein Gleisgewirr, durch das die Züge den Weg nicht mehr finden und sich verkeilen. Dann geht oft gar nichts mehr. Da alles automatisiert ist, könnt ihr es auch nicht einfach entwirren.

Das Einrichten der Fahrpläne könnte simpler nicht sein. Ihr sucht euch einen Zug raus, verpasst ihm eine Ladung und einige Haltestellen und los geht's. Dabei solltet ihr nur darauf achten, dass es Passagier und Güterloks gibt. Der Zug pendelt nun hin und her und fährt Transportentgelte für Passagiere, Post und Güter ein. Versorgt ihr eine Stadt mit Gütern wächst sie; ebenso wie eine Rohstoffförderung, bei der ihr Sachen abholt. Alles wächst recht flott, so dass euch bald mehr Passagiere zur Verfügung stehen. Die Züge werden automatisch gewartet, ihr solltet sie ab und an durch neue Typen wie Diesel- oder Elektroloks austauschen. Eine Elektrifizierung wie beim Vorgänger ist dabei nicht erforderlich.

                             

Schnell gescheffeltes Geld

Es wird nur eine Wirtschaftssimulation light geboten, die eher Anfänger anspricht. Die ersten Millionen sind schneller verdient, als ihr Papp sagen könnt. Zum Transportieren gibt es eigentlich immer was

Das Ersteigern der nützlichen Patente bringt etwas Fun ins Einerlei des Bahnmanagements. 
 und Geld bringt es auch noch. Es kommt kaum vor, dass Rohstoffe, Waren oder Passagiere mal ausgehen. Von einem dynamischen Markt kann keine Rede sein, da auch bei Überangebot immer noch genug Geld macht. Auch die Patente bringen euch Vorteile, wie etwa eine erhöhte Zugkraft der Loks, weniger Wartungskosten oder besseren Halt auf Gefällestrecken. Wie die vorhandenen Fabriken könnt ihr sie gegen die anderen Magnaten ersteigern, was etwas Spaß bringt.

Der Aktienmarkt dient in erster Linie dazu, Kohle mit steigenden Papieren zu verdienen. Außerdem könnt ihr andere Betriebe aufkaufen, vorausgesetzt ihr habt genug Dollars, da ihr dafür den zweifachen Aktienwert berappen müsst. Die Computermagnaten agieren an der Börse einigermaßen clever, da sie rasch durch Aktienverkäufe Geld beschaffen, das sie investieren. Es sind zwar historische Persönlichkeiten wie Cornelius Vanderbilt, Bismarck oder Charles de Gaulles dabei, diese bleiben aber austauschbar. Ihre Aktionen unterscheiden sich nicht und agieren alle irgendwie gleich. Sie könnten ebenso gut XYZ heißen.

Bugs, Abstürze und Fehler

Leider läuft Railroads! alles andere als rund, denn der Eisenbahner Pioniergeist wird durch Bugs ausgebremst. Das Spiel stürzt alle Nase lang ab, was besonders ärgerlich ist, wenn ihr gerade auf dem aufsteigenden Ast wart. Obwohl ihr Spielziele eindeutig erreicht habt (z.B. 70 Prozent der eigenen Aktien erwerben), wird angezeigt, dass das Ziel nicht erreichbar sei. Der Gleisbau führt wie oben beschrieben, ins reine Chaos. Die KI pflastert die Landschaft zu, dass es nicht mehr feierlich ist. Gleise lassen sich aus unerfindlichen Gründen nicht verlängern. Plötzlich sind die Schienen dicht, ohne dass ein Zug passieren könnte; Züge fahren nicht in einen Bahnhof ein. Hinzu kommen grafische Patzer wie schwebende Eisenbahnen oder fehlende Wagons.

3D-Spielzeuglook

Der Pseudo-Modellbahnlook ist zwar Absicht, sorgt aber leider dafür, dass alles recht unspektakulär wirkt. Die Rocky Mountains sind irgendeine Hügelkette wie viele andere, auf denen alibimäßig etwas

Die Grafik bildet selbst Berge, Häuser und Wälder so grob ab, als wären sie von der heimischen Modelleisenbahn.
Schnee klebt. Wälder, Flüsse und Seen sehen irgendwie unbedeutend aus. Landmarken sind kaum auszumachen, da alles grob wirkt und kaum eine Ähnlichkeit mit Wirklichkeit aufweist. Selbst der Schwarzwald ist kaum mehr als ein paar schwer auszumachende Bäumchen auf einer Hügelreihe. Viele Städte wie etwa Stuttgart gibt es einfach nicht, hinzu kommt dass jede Stadt gleich aussieht, obwohl es immerhin einen Unterschied zwischen Europa und Nordamerika gibt. Die Loks und Wagons gehen optisch in Ordnung, da sie historischen Vorbildern wie dem Adler von 1835 gleichen. Ihr könnt sogar erkennen, was ihr geladen habt. Leider ist es nicht möglich, bis ganz runter zu zoomen. Historische Zeitungsausschnitte feiern eure Erfolge.

Multiplayer

Das Spiel beinhaltet außerdem verschiedene Karten wie Flusslauf, Insel oder Spiralwelt, die speziell für den Multiplayer gedacht sind, der im LAN oder Internet stattfindet. Wie im Singleplayer spielen dort bis zu vier Tycoons gegeneinander, wobei es allerdings nur den Modus "der Letzte, der übrig bleibt, gewinnt" gibt. Außerdem ist es gar nicht so einfach, passende Spiele zu finden, da ihr nur mit der deutschen Version spielen könnt. Ansonsten findet keine Anmeldung statt.

             

Fazit

Railroads! ist für Einsteiger gedacht, die nicht erst lange spielen wollen, um Erfolg zu haben - das ist vom Ansatz her in Ordnung. Es vereint jedoch alle negativen Eigenschaften eines Spiels, das partout auf den Massengeschmack getrimmt wurde. Alles verläuft automatisch, die Ziele sind zu simpel und es wird trotz einstellbarem Schwierigkeitsgrad schneller langweilig, als euch lieb ist. Nichts gegen Komfort und Leichtigkeit, aber das kann auch nicht im Sinne der Gelegenheitsspieler sein. Weder als Wirtschaftsimulation noch als virtuelle Modelleisenbahn kann das Spiel wirklich überzeugen. Die Komplexität der Vorgänger ist nicht mehr vorhanden, was dazu führt, dass es kaum noch Herausforderungen gibt. Sinnbildlich dafür steht, dass ihr schon zu Beginn kurz mal weit entfernte Städte verbindet, deren Erschließung keine Mühe macht. Das was Modellbaufreunde möchten, bietet es aber auch nicht: Weichen, Fahrplan und Zusammenstellung der Züge spielen nur eine untergeordnete Rolle. Hinzu kommt, dass ihr viele Partien gar nicht zu Ende spielen könnt, weil lästige Bugs und Abstürze das zunichte machen. Der Multiplayer hat nur einen Modus. Die Grafik bietet weder eine realistische Darstellung der Welt noch spektakuläre Ansichten oder einen wirklichen Modellbahnlook. Railroads! ist leider einer der schwächsten Titel aus dem Hause Firaxis. Er braucht eigentlich gar keinen Spieler mehr, da ihr meist zum Zuschauen verdammt seid.

Pro

für schnellen Einstieg gedacht
unterschiedliche Ziele
viele automatische Funktionen
Patente ersteigern
prinzipiell einfacher Schienenbau
Modellbauoptik

Kontra

kaum was zu tun
zu einfach
entschärfte Wirtschaft
wenig Neuerungen
Abstürze
blockierte Gleise und Schienengewirr
unspektakuläre Grafik
Grafikfehler
nur ein Multiplayer-Modus

Wertung

PC

Auf Massengeschmack fixiertes Spiel , das sich lieber selbst spielt

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